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FBW-Bewertung: Mickey 17 (2024)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Nach seinem vielfach ausgezeichneten Kammerspiel PARASITE hat Bong Joon Ho mit einem Blockbuster-Scifi überrascht und dabei großes, intelligentes Überwältigungskino geliefert, ohne dabei auf die üblichen Überwältigungstricks wie übermäßige Action, zu suggestive Musik oder allzu klassische Handungen und Figuren zu setzen. Vielmehr ist MICKEY 17 ein erfrischend anderer Popcorn-Film.
Auch ein SciFi-Film ist inhaltlich nur von Relevanz, wenn sich seine Zukunftserzählung auch auf unsere Gegenwart bezieht. Und bedenkt man die langjährige Vorlaufzeit eines 150-Millionen-Dollarprojekts, dann hat der SciFi-Film sogar prophetische Aspekte, da er auch aktuellste politische Phänomene aufzeigt. Besonders gelungen fand die Jury dabei die Darstellung der Führungsfigur bei der Raummission zur Neubesiedelung eines Planeten, da diese Figur (dargestellt von Mark Ruffalo) eine charakterliche Kombination aus einer ?Trump-haften? Person in Personaleinheit mit Elon Musk zu sein scheint und dabei noch Aspekte eines evangelikaler Erweckungspredigers enthält. So vereint sie Macht, Technik und religiösen Führerkult und Sektenaspekte? eine politisch hochbrisante und brandaktuelle Kombination. Dabei schreckt der Koreaner Bong Joon Ho auch nicht vor direkten Vergleichen mit dem Faschismus zurück (Züchtung einer reinen weißen Rasse) ? und bringt auch die Themenbereiche Nationalsozialismus und Holocaust ins Spiel (Lebensborn- sowie Vergasungspläne für die tierischen, intelligenten Urbewohner des zu kolonialisierenden Planeten).
Der Film bringt all diese alarmierenden Aspekte aber nicht überplakativ in die Handlung ein, sondern schlüssig und organisch, sogar mit Tragikomik und Ironie. Hier vor allem verkörpert in der Lady-Macbeth-Figur der Missionspräsidentengattin (Toni Colette).
Ungewöhnlich lebendig erschien der Jury auch die gewagte Dramaturgie, die eben nicht nur viele Geschichtsverweise integriert, sondern eine elegant elliptische Volte einbaut, bei der der Film nach einer halben Stunde wieder am Ausgangspunkt landet, um von dort aus anderthalb Stunden weiter zu erzählen. Dabei ist die so eingebaute Vorgeschichte ein klassische Mafia-Thriller, bei dem die Hauptfigur der Ermordung durch eine Gruppe an Auftragskillern entfliehen will. Auch sind in der folgenden Grunderzählung der Abenteuer des Antihelden (Robert Pattinson als Mickey) extrem viele ethische Fragen eingebaut, ohne dass die Handlung darunter leiden würde: die Frage nach dem Klonen von Menschen (hier in Form eines organischen 3D-Druckers), nach Unsterblichkeit, die Frage nach Ästhetik und Sympathie, weil die intelligenten Urtierwesen auf dem neuen Planeten äußerlich abstoßende Riesenkellerasseln sind, aber innerlich die wesentlich ethischeren Wesen sind als der Mensch.
Allein diese inhaltlich wertvolle Fülle an wichtigen gesellschaftlichen und politischen Fragen hat die Jury begeistert. Dass diese dann noch in einer witzig, dynamischen, ungewöhnlichen Erzählform durchgespielt werden, macht MICKEY 17 besonders wertvoll.
Ein weiterer positiver Aspekt in Bezug auf die filmgestalterischen Gewerke zeigte sich für die Jury im Setting. Dieses wurde nicht etwa durch sterile futuristische Technizismen ?entrückt?, sondern durch ein fast altmodisches Setdesign, das beim Raumschiff eher an einen Öltanker erinnert, nah an unsere Gegenwart heranrückt.
Dies alles hat die Jury zu einem einstimmigen Votum für das Prädikat ?besonders wertvoll? geführt.



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