Jenseits der blauen Grenze (2024)
Mit dieser Literaturadaption des gleichnamigen Romans von Dorit Linke gibt die Regisseurin Sarah Neumann ihr Debüt.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Rostock, Ende der 1980er-Jahre: Von Kindesbeinen an sind Hanna Klein (Lena Urzendowsky) und Andreas Kuschwitz (Willi Geitmann) beste Freunde. Sie wohnen im selben Haus und sind auch in der Schule Banknachbarn. Als der zugezogene Jens (Jannis Veihelmann), der wegen seines sächsischen Dialekts von allen gehänselt wird, neu in ihre Klasse kommt, wird aus dem Duo ein Freundes-Trio. Doch dessen Lebenswege werden sich alsbald trennen.
Als talentierte Schwimmerin muss sich Hanna entscheiden, ob sie eine Sportschule besuchen möchte. Sein permanentes Aufbegehren gegen Autoritäten bringt Andreas immer wieder in Schwierigkeiten. Und Jens zieht mit seinen Eltern, nachdem diese erfolgreich einen Ausreiseantrag gestellt haben, nach Hamburg um. Als es auch Andreas, der unter seinem gewalttätigen Vater und den Repressalien des Systems zusehends leidet, nicht länger in der DDR aushält, fasst Hanna einen gewagten Entschluss: Sie wird Andreas bei dessen geplanter Flucht über die Ostsee begleiten.
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Filmkritik
"Jenseits der blauen Grenze": Bewegende Fluchtgeschichte(n)
Die Zahl ist beachtlich. "Zwischen 1961 und 1989 gab es etwa 5600 Fluchtversuche über die Ostsee", klärt eine Einblendung nach dem Filmende auf. Das Ergebnis dieser waghalsigen Unternehmungen ist indessen tragisch. Denn es heißt weiter: "913 DDR-Bürgerinnen und -Bürger sind auf diesem Weg in die Freiheit geflüchtet. Mindesten 174 Erwachsene und Kinder starben." In ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm als Regisseurin erzählt Sarah Neumann von einem dieser Versuche.
Die Geschichte ist zwar frei erfunden, aber von persönlichen Erfahrungen aus einer Kindheit und Jugend unter der Knute der SED-Diktatur inspiriert. Sie basiert auf Dorit Linkes gleichnamigem Debütroman, der für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert war, vielerorts als Theaterstück aufgeführt wird und inzwischen auch Schullektüre ist. Eine Debütantin verfilmt also einen Roman, der selbst ein Debüt war. Klingt nach einer guten Kombination.
Werktreue, Vorläufer und Aktualität
Was Neumann an der Vorlage, der sie in dem von ihr selbst verfassten Drehbuch treu bleibt und die sie nur moderat abändert, besonders gereizt hat, war der Fluchtversuch über das offene Meer. "Das Thema Flucht ist aktuell wie nie. Häufig wird vergessen, dass Flüchtende keineswegs nur Menschen aus weit entfernten Ländern sind. In unserer eigenen Geschichte, in unseren eigenen Familien wurde geflüchtet", sagt die in Görlitz geborene Regisseurin.
Dass ihr Debüt nicht der erste Film ist, der von einer deutsch-deutschen Flucht erzählt, dessen ist sich Neumann bewusst. Aus der jüngeren Vergangenheit kommt einem "Ballon" (2018) von Michael Herbig in den Sinn, eine wahre Geschichte, die bereits 1982 in der Disney-Produktion "Mit dem Wind nach Westen" (Originaltitel: "Night Crossing") verfilmt worden ist. Oder man denkt an das Drama "Barbara" (2012) von Christian Petzold, in dem es ebenfalls um eine Flucht über die Ostsee geht, die allerdings stets nur im Hintergrund läuft. Und noch etwas ist anders an Neumanns Film: Mit den drei besten Freunden Hanna, Andreas und Jens stehen junge Menschen im Zentrum.
Eine Freundschaft mit Seltenheitswert
Die Bilder von Kameramann Nikolaus Schreiber sind aller knalligen Buntheit entleert. Neumann zeichnet den DDR-Alltag als ein Grau in Grau, in dem die Freundschaft der drei Protagonisten die Farbtupfer setzt. Wiederholt verwendet sie Bilder von Seevögeln als Motiv der Freiheit, was schließlich während des Abspanns im Lied "Albatros" der Gruppe Karat aufgefangen wird. Die beschwingte, an den Sound bekannter Ostrocker angelehnte Musik des Komponisten Dominik Matzka nimmt wiederum den Karat-Song vorweg.
Auch wenn nicht alles in diesem Debüt passt, beispielsweise die zweite, während der Flucht über die Ostsee spielende Erzählebene weitaus schlechter als die erste Erzählebene funktioniert, gelingt Sarah Neumann in einer Hinsicht Herausragendes: Schon lange nicht mehr war eine Freundschaft dreier Jugendlicher so glaubhaft und wahrhaftig auf der großen Leinwand zu sehen. Die Zusammensetzung aus dem Vorlauten, der ruhig Reflektierenden und dem Spaßvogel ist perfekt und letztlich auch perfekt besetzt. Lena Urzendowsky, Willi Geitmann und Jannis Veihelmann liefern umwerfende Leistungen ab.
Fazit: Regisseurin Sarah Neumann hat den gleichnamigen Roman von Dorit Linke verfilmt. Ihr Langfilmdebüt hat zwar noch Luft nach oben, Neumann schwimmt sich damit aber auf beeindruckende Weise frei. "Jenseits der blauen Grenze" ist eine bewegende Fluchtgeschichte mit einem unschlagbar guten Trio im Zentrum.
Die Zahl ist beachtlich. "Zwischen 1961 und 1989 gab es etwa 5600 Fluchtversuche über die Ostsee", klärt eine Einblendung nach dem Filmende auf. Das Ergebnis dieser waghalsigen Unternehmungen ist indessen tragisch. Denn es heißt weiter: "913 DDR-Bürgerinnen und -Bürger sind auf diesem Weg in die Freiheit geflüchtet. Mindesten 174 Erwachsene und Kinder starben." In ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm als Regisseurin erzählt Sarah Neumann von einem dieser Versuche.
Die Geschichte ist zwar frei erfunden, aber von persönlichen Erfahrungen aus einer Kindheit und Jugend unter der Knute der SED-Diktatur inspiriert. Sie basiert auf Dorit Linkes gleichnamigem Debütroman, der für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert war, vielerorts als Theaterstück aufgeführt wird und inzwischen auch Schullektüre ist. Eine Debütantin verfilmt also einen Roman, der selbst ein Debüt war. Klingt nach einer guten Kombination.
Werktreue, Vorläufer und Aktualität
Was Neumann an der Vorlage, der sie in dem von ihr selbst verfassten Drehbuch treu bleibt und die sie nur moderat abändert, besonders gereizt hat, war der Fluchtversuch über das offene Meer. "Das Thema Flucht ist aktuell wie nie. Häufig wird vergessen, dass Flüchtende keineswegs nur Menschen aus weit entfernten Ländern sind. In unserer eigenen Geschichte, in unseren eigenen Familien wurde geflüchtet", sagt die in Görlitz geborene Regisseurin.
Dass ihr Debüt nicht der erste Film ist, der von einer deutsch-deutschen Flucht erzählt, dessen ist sich Neumann bewusst. Aus der jüngeren Vergangenheit kommt einem "Ballon" (2018) von Michael Herbig in den Sinn, eine wahre Geschichte, die bereits 1982 in der Disney-Produktion "Mit dem Wind nach Westen" (Originaltitel: "Night Crossing") verfilmt worden ist. Oder man denkt an das Drama "Barbara" (2012) von Christian Petzold, in dem es ebenfalls um eine Flucht über die Ostsee geht, die allerdings stets nur im Hintergrund läuft. Und noch etwas ist anders an Neumanns Film: Mit den drei besten Freunden Hanna, Andreas und Jens stehen junge Menschen im Zentrum.
Eine Freundschaft mit Seltenheitswert
Die Bilder von Kameramann Nikolaus Schreiber sind aller knalligen Buntheit entleert. Neumann zeichnet den DDR-Alltag als ein Grau in Grau, in dem die Freundschaft der drei Protagonisten die Farbtupfer setzt. Wiederholt verwendet sie Bilder von Seevögeln als Motiv der Freiheit, was schließlich während des Abspanns im Lied "Albatros" der Gruppe Karat aufgefangen wird. Die beschwingte, an den Sound bekannter Ostrocker angelehnte Musik des Komponisten Dominik Matzka nimmt wiederum den Karat-Song vorweg.
Auch wenn nicht alles in diesem Debüt passt, beispielsweise die zweite, während der Flucht über die Ostsee spielende Erzählebene weitaus schlechter als die erste Erzählebene funktioniert, gelingt Sarah Neumann in einer Hinsicht Herausragendes: Schon lange nicht mehr war eine Freundschaft dreier Jugendlicher so glaubhaft und wahrhaftig auf der großen Leinwand zu sehen. Die Zusammensetzung aus dem Vorlauten, der ruhig Reflektierenden und dem Spaßvogel ist perfekt und letztlich auch perfekt besetzt. Lena Urzendowsky, Willi Geitmann und Jannis Veihelmann liefern umwerfende Leistungen ab.
Fazit: Regisseurin Sarah Neumann hat den gleichnamigen Roman von Dorit Linke verfilmt. Ihr Langfilmdebüt hat zwar noch Luft nach oben, Neumann schwimmt sich damit aber auf beeindruckende Weise frei. "Jenseits der blauen Grenze" ist eine bewegende Fluchtgeschichte mit einem unschlagbar guten Trio im Zentrum.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Jenseits der blauen Grenze"
Land: DeutschlandJahr: 2024
Genre: Drama
Länge: 102 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 03.10.2024
Regie: Sarah Neumann
Darsteller: Lena Urzendowsky als Hanna Klein, Willi Geitmann als Andreas Kuschwitz, Bernhard Conrad, Winnie Böwe, Wiktor Grduszak
Verleih: Across Nations