Rock ’n‘ Roll Ringo (2024)
Sehenswerte Mischung aus Antihelden-Geschichte und detailreicher Milieustudie vom Kirmes im RuhrpottKritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 3 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Ringo hat es nicht leicht im Leben. Der 33-jährige Bauarbeiter aus Herne im Ruhrgebiet lebt von Tag zu Tag, trinkt zu viel, spricht zu wenig und ihm fehlt jegliche Perspektive. Auch deshalb wollen seine Ex und die gemeinsamen Tochter nichts mit ihm zu tun haben. Nachdem er angetrunken bei einem Unfall einen Kollegen am Bau verletzt, verliert er seinen Job und wird schließlich als Monteur auf einer Kirmes in Crange angeheuert. Die bunten Lichter und der Tumult des Kirmeslebens bieten ihm ein neues Zuhause.
Auf der Kirmes trifft Ringo auf den Boxbudenchef Fränkie, der ihn überredet, als Preisboxer für ihn zu kämpfen. Fränkie wird sein Mentor und tauft ihn "Rock 'N' Roll Ringo“. Von Kampf zu Kampf verfällt Ringo zunehmend dem Kirmesleben und schließt Freundschaften mit dem Pantomimen Hainz und Jenny vom Autoscooter. Sein Ziel ist es, am Ende der Kirmes-Saison seine Tochter Mia auf eine Kajütenboot-Tour zur Nordsee mitzunehmen - bei einem Besuch in ihrer Schule hat ein ein mit "Mia" unterzeichnetes Bild gesehen, das ein Boot zeigt. Um diesen Traum zu verwirklichen, lässt sich Ringo aber auf immer riskantere Aktivitäten mit zwielichtigen Gestalten aus dem Kirmes-Umfeld ein. Als ein Raub schiefgeht, eskaliert die Situation und Ringe bringt nicht nur sich, sondern auch seine Tochter in Gefahr....
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Filmkritik
"Rock'n'Roll Ringo" ist eine bemerkenswerte Milieustudie des deutschen Regisseurs Dominik Galizia, der nach seinem Film "Heikos Welt", der den Dart-Zirkus porträtierte, eine weitere Subkultur in den Fokus nimmt: Die Halbwelt der Jahrmärkte. Der Film spielt im Ruhrpott, sein Sujet daher auch "typisch deutsch" und mit jeder Menge Lokalkolorit versehen.
Ringo Fleisch, so der volle Namen des Protagonisten, ist ein schweigsamer Kerl vom unteren Ende der Gesellschaft. Galizia schafft es aber, diese Welt ohne Vorurteile, vielmehr mit viel Detailkenntnis, geradezu ethnografisch und mit Liebe für seine Protagonisten und das Milieu darzustellen. Die Schausteller-Gemeinschaft ist ein ganz eigener Schlag, eine eingeschworene Familie, die davon lebt, Trubel, Tricks und billige Unterhaltung zu verkaufen. Sie lebt in einer nur bedingt realen Scheinwelt, die außerhalb der Wirklichkeit existiert, was sie umso attraktiver macht.
Ringo, diese verlorene Seele ohne Heimat, gerät durch eine glückliche Fügung in diese Kirmes-Welt, wo sich ihm eine neue Chance bietet: Jene als Preisboxer. Und zudem eine Ersatz-Familie, die vor allem durch Fränkie (ein absolutes Unikat) und seine Frau repräsentiert werde. Ringo wird zum Ruhrpott-Rocky, kämpft sich nach oben, hat einmal Glück im Leben, wie es scheint. Doch er verbaut sich selbst diese Möglichkeit, wobei nie ganz klar wird, woher die selbstzerstörerischen Tendenzen kommen, denn "Rock'n'Roll Ringo" hält sich nicht lange mit Psychologie auf, ein Manko, das man dem Film durchaus ankreiden kann.
Ansonsten funktioniert aber fast alles in diesem bemerkenswerten kleinen Kunstwerk: Neben der faszinierend detailreichen Schilderung des Kirmes-Lebens, hinter der einiges an Recherche stecken muss, überzeugt auch die Retro-Ästhetik von "Rock'n'Roll Ringo" inklusive 80s-Synthie-Soundtrack. Sogar die reimende Erzählstimme aus dem Off (vorgebracht von einem Priester, der kurz auch persönlich im Film auftritt), die das Schicksal des tragischen Helden begleitet, wirkt irgendwie seltsam sympathisch: Dadurch wird die Geschichte von Ringo geradezu mythisch aufgeladen, er wird als ikonischer Antiheld präsentiert, der sich den Kräften des Schicksal entgegenstellt. Nicht viele Filmemacher trauen sich, derart furchtlos mit recht schamlosen inszenatorischen und dramaturgischen Einfällen zu spielen - die dann am Ende auch noch aufgehen. Diesen Mut von Regisseur Galizia und "Rock'n'Roll Ringo" muss man uneingeschränkt loben.
Fazit: Eine Mischung aus klassischer Antihelden-Geschichte und liebevoller Milieu-Studie, die eine für viele weitgehend unbekannte Subkultur, das Kirmes-Leben, in den Fokus nimmt: Kreativ umgesetzt, toll gespielt und überraschend emotional überzeugt "Rock'n'Roll Ringo" als ganz ungewöhnliches Beispiel dafür, wie junger deutscher Film aussehen kann.
Ringo Fleisch, so der volle Namen des Protagonisten, ist ein schweigsamer Kerl vom unteren Ende der Gesellschaft. Galizia schafft es aber, diese Welt ohne Vorurteile, vielmehr mit viel Detailkenntnis, geradezu ethnografisch und mit Liebe für seine Protagonisten und das Milieu darzustellen. Die Schausteller-Gemeinschaft ist ein ganz eigener Schlag, eine eingeschworene Familie, die davon lebt, Trubel, Tricks und billige Unterhaltung zu verkaufen. Sie lebt in einer nur bedingt realen Scheinwelt, die außerhalb der Wirklichkeit existiert, was sie umso attraktiver macht.
Ringo, diese verlorene Seele ohne Heimat, gerät durch eine glückliche Fügung in diese Kirmes-Welt, wo sich ihm eine neue Chance bietet: Jene als Preisboxer. Und zudem eine Ersatz-Familie, die vor allem durch Fränkie (ein absolutes Unikat) und seine Frau repräsentiert werde. Ringo wird zum Ruhrpott-Rocky, kämpft sich nach oben, hat einmal Glück im Leben, wie es scheint. Doch er verbaut sich selbst diese Möglichkeit, wobei nie ganz klar wird, woher die selbstzerstörerischen Tendenzen kommen, denn "Rock'n'Roll Ringo" hält sich nicht lange mit Psychologie auf, ein Manko, das man dem Film durchaus ankreiden kann.
Ansonsten funktioniert aber fast alles in diesem bemerkenswerten kleinen Kunstwerk: Neben der faszinierend detailreichen Schilderung des Kirmes-Lebens, hinter der einiges an Recherche stecken muss, überzeugt auch die Retro-Ästhetik von "Rock'n'Roll Ringo" inklusive 80s-Synthie-Soundtrack. Sogar die reimende Erzählstimme aus dem Off (vorgebracht von einem Priester, der kurz auch persönlich im Film auftritt), die das Schicksal des tragischen Helden begleitet, wirkt irgendwie seltsam sympathisch: Dadurch wird die Geschichte von Ringo geradezu mythisch aufgeladen, er wird als ikonischer Antiheld präsentiert, der sich den Kräften des Schicksal entgegenstellt. Nicht viele Filmemacher trauen sich, derart furchtlos mit recht schamlosen inszenatorischen und dramaturgischen Einfällen zu spielen - die dann am Ende auch noch aufgehen. Diesen Mut von Regisseur Galizia und "Rock'n'Roll Ringo" muss man uneingeschränkt loben.
Fazit: Eine Mischung aus klassischer Antihelden-Geschichte und liebevoller Milieu-Studie, die eine für viele weitgehend unbekannte Subkultur, das Kirmes-Leben, in den Fokus nimmt: Kreativ umgesetzt, toll gespielt und überraschend emotional überzeugt "Rock'n'Roll Ringo" als ganz ungewöhnliches Beispiel dafür, wie junger deutscher Film aussehen kann.
Christian Klosz
TrailerAlle "Rock ’n‘ Roll Ringo"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Rock ’n‘ Roll Ringo"
Land: DeutschlandJahr: 2024
Genre: Drama
Länge: 101 Minuten
FSK: 16
Kinostart: 05.09.2024
Regie: Dominik Galizia
Darsteller: Martin Rohde als Ringo, Larissa Sirah Herden als Jenny, Erwin Leder, Margarete Tiesel, Eric Cordes
Kamera: Elias Köhler
Verleih: UCM.One