Das Mädchen mit der Nadel (2024)

"Das Mädchen mit der Nadel“: Eine schaurige Geschichte

Das auf wahren Ereignissen basierende Drama des schwedischen Regisseurs Magnus von Horn lief im Wettbewerb des Filmfestivals Cannes 2024. "Das Mädchen mit der Nadel“ ist eine stilvoll inszenierte, zum Schauermärchen überhöhte Geschichte, für die der Regisseur mit der Dänin Line Langebek das Drehbuch schrieb. Die in Kopenhagen nach dem 1. Weltkrieg angesiedelte Handlung spiegelt mit ihrer Hauptfigur die Not vieler ungewollt schwangerer Frauen der damaligen Zeit. Dänemark hat das Drama für den Oscar-Wettbewerb eingereicht.

Schicksalhaft und makaber

Karolines düsteres Überlebensabenteuer beginnt, als sie ihre Wohnung verliert. Die grässliche Dachkammer, in der sie unterkommt, die trügerische Romanze mit dem Fabrikdirektor, die Schwangerschaft und das böse Erwachen: Mit schicksalhafter Zielstrebigkeit scheint ihr Weg tiefer und tiefer ins Unglück zu führen. Andere Charaktere in diesem schaurigen Drama sehen gruselig aus, haben skurrile Neurosen oder makabre Verhaltensweisen. Ein sechsjähriges Mädchen wird Karoline, bald nachdem sie entbunden hat, wie ein Baby zum Stillen an die Brust gelegt. Karolina hat Zuflucht bei der hilfsbereiten Dagmar, die einen Süßwarenladen betreibt, gesucht – und läuft damit wie im Märchen dem Bösen in die Arme.

Trine Dyrholms Spiel fesselt

Trine Dyrholm spielt Dagmar, die Dagmar Overbye, der wohl berüchtigsten Frau der dänischen Kriminalgeschichte, nachempfunden ist. Dagmar nimmt am Gesetz vorbei ungewollte Babys in Empfang und sagt den Müttern, sie würden an gute Familien vermittelt. Es dauert eine Weile, bis Karoline die abgründigen Eigenschaften dieser Person entdeckt. Im Grunde ist Dagmar die zentrale und die interessanteste Figur des Films. Dyrholm beherrscht den abrupten Wechsel zwischen mütterlich-freundschaftlichem Ausdruck und Eiseskälte beeindruckend, ihr Spiel geht unter die Haut.

Tiefer in die Dunkelheit

In Schwarz-Weiß gedreht, hüllt der Film seine Figuren oft ins Halbdunkel. Hintergründe werden dabei nicht ausgeleuchtet, was die Verlorenheit der Menschen, ihre Haltlosigkeit betont. Passend zum Horrorszenario, in das Karoline immer tiefer gerät, erklingen dissonante Töne, die schon Unheil verkünden, als es noch nicht zu sehen ist. Wie eine Märchenfigur aber, die an das Gute glaubt, bleibt Karoline nicht in tiefster Nacht, im Brunnen, in der Ausweglosigkeit stecken. Dieses künstlerische Werk lässt eine spannende Verbindung aufscheinen zwischen der Not ungewollt schwangerer Frauen und dem völlig entgleisten Handeln einer selbsternannten Helferin.

Fazit: Diese in stilvollem Schwarz-Weiß gedrehte Schauermär des schwedischen Regisseurs Magnus von Horn ist von einem der größten Kriminalfälle in der Geschichte Dänemarks inspiriert. Trine Dyrholm vermag in der Rolle der undurchsichtigen Frau zu fesseln, zu der Frauen in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ihre ungewollten Babys bringen. Auch die notleidende Titelfigur glaubt, dass die Kinder an gute Familien vermittelt werden. Aber Hoffnungen verwandeln sich in der überhöht düsteren, fesselnden Atmosphäre schnell in wahre Albträume.