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© MFA Film
Bird (2024)
Britisches Drama von Andrea Arnold über ein Mädchen, das flügge wird.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 5 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Die 12-jährige Bailey (Nykiya Adams) lebt mit ihrem Vater Bug (Barry Keoghan) und ihrem älteren Halbbruder Hunter (Jason Buda) in einem besetzten Haus in der englischen Grafschaft Kent, irgendwo zwischen der Küste und London. Weil er an einer irren Geschäftsidee bastelt und gleichzeitig seine Hochzeit mit der alleinerziehenden Mutter Kayleigh (Frankie Box) vorbereitet, hat Bug kaum Zeit für seine Kinder, die ihre Freiheit dazu nutzen, allerlei Mist zu bauen.
Bailey träumt davon, in die Gang eines Nachbarjungen aufgenommen zu werden, muss sich den Respekt der Schlägertruppe aber erst noch verdienen. Bei ihren Streifzügen durch die Gegend begegnet sie dem sonderbaren Bird (Franz Rogowski), der vor langer Zeit hier aufgewachsen und auf der Suche nach seinen Eltern ist. Vielleicht weiß Baileys Mutter, die in einer Reihenhaussiedlung wohnt, ja Rat? Doch als Bailey gemeinsam mit Bird dort aufkreuzt, ist das Mädchen zuallererst einmal mit den katastrophalen Lebensumständen ihrer Mutter Peyton (Jasmine Jobson) konfrontiert.
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Filmkritik
"Bird": Ein Mädchen wird flügge ...
Sozialdramen haben im britischen Kino eine lange Tradition. Zu deren bekanntesten Vertretern zählt zweifelsohne der 1936 geborene Ken Loach ("Kes", "Riff-Raff", "Ich, Daniel Blake"), der mit seinem Gesamtwerk unermüdlich für die Arbeiterklasse kämpft und gegen die gesellschaftlichen Zustände anfilmt. Die 1961 geborene Andrea Arnold gehört bereits der nächsten Generation an, legte mit Dramen wie dem oscarprämierten Kurzfilm "Wespen" (2005) und dem abendfüllenden Spielfilm "Fish Tank" (2009) aber ähnlich bewegende Milieustudien vor. Und wie schon Ken Loach mit "Bread and Roses" (2000) trug auch Arnold mit "American Honey" (2016) ihre Gesellschaftskritik über den Atlantik, als sie die Gelegenheit erhielt, einen Film in den USA zu realisieren.
Arnolds Interesse am Leben der kleinen Leute ist persönlicher Natur. Sie wuchs mit drei jüngeren Geschwistern bei ihrer alleinerziehenden Mutter in einer Sozialsiedlung auf. Zum Zeitpunkt ihrer Geburt waren Arnolds Mutter 16 Jahre und ihr Vater 17 Jahre alt. Im Verlauf ihrer Filmkarriere kehrt die Regisseurin immer wieder zu Familien mit jungen Eltern in prekären Verhältnissen zurück. Ihren jüngsten Film "Bird" hat Arnold in der Grafschaft Kent unweit ihres Geburtsorts gedreht. Und wie ihre Hauptfigur Bailey stromerte auch Arnold, als sie noch ein Mädchen war, dort oft allein durch die Gegend.
… mit magisch realistischer Unterstützung
"Bird" ist allerdings mehr als bloß ein Sozialdrama. Durch die Augen eines 12-jährigen Mädchens erzählt, das sich erwachsener als seine Eltern verhalten muss, um seinen drei jüngeren, von der eigenen Mutter vernachlässigten Geschwistern Halt zu geben, ist "Bird" Milieustudie, Patchwork-Familiendrama und Coming-of-Age-Film zugleich. Von Robbie Ryans Kamera festgehalten, dessen unruhige, verwaschene Bilder unverstellt und roh und damit ganz anders aussehen als zuletzt in "Poor Things" (2023), brilliert die Newcomerin Nykiya Adams als überforderte Heranwachsende, die viel zu früh ihre Frau stehen muss. An ihrer Seite fügen Barry Keoghan als Baileys Vater Bug und Franz Rogowski als Sonderling Bird ihren ohnehin schon beeindruckenden Œuvres je eine weitere einprägsame Rolle hinzu.
Rogowski spielt einen Fremden, der aus dem Nichts auftaucht und der verzweifelten Bailey als väterlicher Freund zur Seite steht. Schon dessen Erscheinen, wenn der Wind kurz nach Sonnenaufgang durch die Wiesen weht, so als streife eine unsichtbare Hand durchs hohe Gras, ist märchenhaft inszeniert. Auch im weiteren Verlauf streut Arnold kleine magische Momente in den harschen, ungeschminkt dargebotenen Alltag ein. Die Lösung zu dieser rätselhaften Figur steckt in ihrem Namen, und der wie immer großartige Franz Rogowski versteckt Anspielungen darauf dezent in seiner Körpersprache. Andrea Arnolds großes Kunststück ist es wiederum, dass die Auflösung nicht lächerlich gerät. Ganz im Gegenteil ist ihr ein poetischer, an den Magischen Realismus angelehnter Film gelungen, der wie Rogowskis Bird seine Figuren umarmt, anstatt sie zu verurteilen.
Fazit: "Bird" feierte seine Premiere beim Filmfestival in Cannes, wo die Regisseurin Andrea Arnold bereits dreimal mit dem Preis der Jury ausgezeichnet wurde. Ihr neues Werk ist eine Mischung aus Milieustudie, gesellschaftskritischem Familiendrama und Coming-of-Age-Film. Abseits der umwerfenden Leistungen des Schauspielensembles machen Arnolds Mut, die harte Realität prekärer Lebensverhältnisse mit einer Prise Magischen Realismus zu mischen, diesen Film so sehenswert.
Sozialdramen haben im britischen Kino eine lange Tradition. Zu deren bekanntesten Vertretern zählt zweifelsohne der 1936 geborene Ken Loach ("Kes", "Riff-Raff", "Ich, Daniel Blake"), der mit seinem Gesamtwerk unermüdlich für die Arbeiterklasse kämpft und gegen die gesellschaftlichen Zustände anfilmt. Die 1961 geborene Andrea Arnold gehört bereits der nächsten Generation an, legte mit Dramen wie dem oscarprämierten Kurzfilm "Wespen" (2005) und dem abendfüllenden Spielfilm "Fish Tank" (2009) aber ähnlich bewegende Milieustudien vor. Und wie schon Ken Loach mit "Bread and Roses" (2000) trug auch Arnold mit "American Honey" (2016) ihre Gesellschaftskritik über den Atlantik, als sie die Gelegenheit erhielt, einen Film in den USA zu realisieren.
Arnolds Interesse am Leben der kleinen Leute ist persönlicher Natur. Sie wuchs mit drei jüngeren Geschwistern bei ihrer alleinerziehenden Mutter in einer Sozialsiedlung auf. Zum Zeitpunkt ihrer Geburt waren Arnolds Mutter 16 Jahre und ihr Vater 17 Jahre alt. Im Verlauf ihrer Filmkarriere kehrt die Regisseurin immer wieder zu Familien mit jungen Eltern in prekären Verhältnissen zurück. Ihren jüngsten Film "Bird" hat Arnold in der Grafschaft Kent unweit ihres Geburtsorts gedreht. Und wie ihre Hauptfigur Bailey stromerte auch Arnold, als sie noch ein Mädchen war, dort oft allein durch die Gegend.
… mit magisch realistischer Unterstützung
"Bird" ist allerdings mehr als bloß ein Sozialdrama. Durch die Augen eines 12-jährigen Mädchens erzählt, das sich erwachsener als seine Eltern verhalten muss, um seinen drei jüngeren, von der eigenen Mutter vernachlässigten Geschwistern Halt zu geben, ist "Bird" Milieustudie, Patchwork-Familiendrama und Coming-of-Age-Film zugleich. Von Robbie Ryans Kamera festgehalten, dessen unruhige, verwaschene Bilder unverstellt und roh und damit ganz anders aussehen als zuletzt in "Poor Things" (2023), brilliert die Newcomerin Nykiya Adams als überforderte Heranwachsende, die viel zu früh ihre Frau stehen muss. An ihrer Seite fügen Barry Keoghan als Baileys Vater Bug und Franz Rogowski als Sonderling Bird ihren ohnehin schon beeindruckenden Œuvres je eine weitere einprägsame Rolle hinzu.
Rogowski spielt einen Fremden, der aus dem Nichts auftaucht und der verzweifelten Bailey als väterlicher Freund zur Seite steht. Schon dessen Erscheinen, wenn der Wind kurz nach Sonnenaufgang durch die Wiesen weht, so als streife eine unsichtbare Hand durchs hohe Gras, ist märchenhaft inszeniert. Auch im weiteren Verlauf streut Arnold kleine magische Momente in den harschen, ungeschminkt dargebotenen Alltag ein. Die Lösung zu dieser rätselhaften Figur steckt in ihrem Namen, und der wie immer großartige Franz Rogowski versteckt Anspielungen darauf dezent in seiner Körpersprache. Andrea Arnolds großes Kunststück ist es wiederum, dass die Auflösung nicht lächerlich gerät. Ganz im Gegenteil ist ihr ein poetischer, an den Magischen Realismus angelehnter Film gelungen, der wie Rogowskis Bird seine Figuren umarmt, anstatt sie zu verurteilen.
Fazit: "Bird" feierte seine Premiere beim Filmfestival in Cannes, wo die Regisseurin Andrea Arnold bereits dreimal mit dem Preis der Jury ausgezeichnet wurde. Ihr neues Werk ist eine Mischung aus Milieustudie, gesellschaftskritischem Familiendrama und Coming-of-Age-Film. Abseits der umwerfenden Leistungen des Schauspielensembles machen Arnolds Mut, die harte Realität prekärer Lebensverhältnisse mit einer Prise Magischen Realismus zu mischen, diesen Film so sehenswert.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Bird"
Land: FrankreichJahr: 2024
Genre: Drama
Länge: 119 Minuten
Kinostart: 20.02.2025
Regie: Andrea Arnold
Darsteller: Barry Keoghan, Franz Rogowski, James Nelson-Joyce, Sarah Beth Harber, Nykiya Adams
Kamera: Robbie Ryan
Verleih: MFA Film
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