Haltlos (2024)

"Haltlos": Hals über Kopf durch Berlin

Lilith Stangenberg ist ein Ereignis. Egal ob sie auf der Theaterbühne steht oder auf der Kinoleinwand zu sehen ist, allein ihr Mitwirken lohnt den Kartenkauf. Die 1988 in Westberlin geborene Schauspielerin zeigt keine Scheu und legt das Innenleben ihrer oft gequälten Figuren gnadenlos offen.

In "Haltlos", der zweiten Regiearbeit des Schauspielers Kida Khodr Ramadan, spielt sie eine werdende Mutter auf der Suche nach Halt. Analog zum fahrigen Verhalten der unfreiwillig Schwangeren weiß leider auch das Drehbuch aus der Feder von Antje Schall nicht recht, wohin es will. Einzig Stangenbergs einmal mehr beeindruckende Performance bietet dem Kinopublikum einen Anker, an dem es sich festhalten kann.

Durchwachsenes Drehbuch, schwache Inszenierung, starke Darstellerin

Bei einem Kinofilm führte Ramadan erstmals 2020 Regie. "In Berlin wächst kein Orangenbaum" hieß das Debüt, in dem der in Beirut geborene und in Westberlin aufgewachsene Schauspieler auch gleich eine der Hauptrollen übernommen hatte. Einmal mehr spielte er darin einen Verbrecher, unterlief jedoch die Erwartungen jenes Publikums, das Ramadan nur von seiner Paraderolle des Ali "Toni" Hamady aus der Fernsehserie "4 Blocks" (2017–2019) kannte. Der von Ramadan verkörperte Nabil war letzten Endes kein schlechter Typ und Ramadans Debüt kein Gangsterfilm, sondern ein tragikomisches Vater-Tochter-Drama.

Mit seinem zweiten Film als Regisseur überrascht Ramadan nun ein weiteres Mal. Denn dass er das Psychogramm einer haltlosen Berlinerin vorlegt, damit hätten vermutlich die wenigsten gerechnet. Die Geschichte hätte ihn deshalb angesprochen, weil er selbst fünf Töchter habe, hat Ramadan gesagt. So sehr die beiden Filme inhaltlich auch voneinander entfernt sind, ihre Stärken und Schwächen ähneln sich.

Bereits Ramadans Debüt war stärker gespielt als inszeniert, hatte manche Drehbuchlücke, forcierte Konflikte zu sehr und wurde dadurch unglaubwürdig. In "Haltlos" ist das sogar noch schlimmer. Wirklich nachvollziehen lässt sich das Verhalten der Hauptfigur nicht. Was ausgesprochen schade ist, geht es doch um wichtige Themen wie das Offenlegen patriarchaler Strukturen, die sich selbst dort verfestigt haben, wo man es am wenigsten vermuten würde: in der Familie einer alleinerziehenden und hochgebildeten Mutter, wie Marthas Mutter eine war. Wie schon in "In Berlin wächst kein Orangenbaum" sind es auch in Kida Khodr Ramadans neuem Film die schauspielerischen Leistungen, die den Film zusammenhalten.

Fazit: Nach dem Vater-Tochter-Drama "In Berlin wächst kein Orangenbaum" legt Kida Khodr Ramadan mit "Haltlos" seinen zweiten Kinofilm als Regisseur vor. Um eine überzeugende Inszenierung und eine stringente Handlung schert er sich dabei allerdings wenig. Was bleibt, ist Lilith Stangenbergs überzeugende Darbietung als strauchelnde Mutter.