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FBW-Bewertung: Niko - Reise zu den Polarlichtern (2024)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: NIKO - EIN RENTIER HEBT AB war 2009 mit über 750.000 verkauften Tickets in Deutschland einer der erfolgreichsten Kinderfilme des Jahres 2009. 2012 kam das Sequel NIKO - KLEINER BRUDER, GROßER HELD ins Kino. Beide Filme wurden in über 100 Territorien verkauft. An diesen Erfolg schließt sich mit großem Zeitabstand jetzt der dritte Niko-Film an: NIKO - DIE REISE ZU DEN POLARLICHTERN.

Im Zentrum der Erzählung stehen die Prüfungen des jungen Niko, um Teil der ?Fliegenden Truppe' zu werden, die den Schlitten des Weihnachtsmannes ziehen darf. Dabei geht es um Coming-of-Age-Themen wie Abnabelung vom Elternhaus und Abenteuer sowie das Fällen eigenständiger moralischer Entscheidungen - gerade auch im Umgang mit Wettbewerb und im Kampf. Und hier erweist sich Niko interessanterweise als empathischer, teamfähiger und sanfter als seine ehrgeizige weibliche Konkurrenz Stella, die in der gleichen Lebenssituation der Abnabelung steht.

Als wirklich gelungen empfindet die Jury auch die erwachsene Erzählebene: Denn hier werden Familienmythen entzaubert, wie die Heldenhaftigkeit des Vaters, an deren Beginn nämlich ein Verrat an einem Freund stand. Dass am Ende die Bindungen halten, aber diesmal auf Wahrheit basieren und auf Anerkennung der Leistungen der Jungen, ist ein schöner, intelligenter Zug des Films. Die so genannten ?alten Regeln' werden hier in einem jungen, erneuernden, demokratischen Prozess novelliert. Dass die Polarlichter als eine Art Gewitterzone angelegt sind, die bei den Abenteuern durchkämpft werden muss, hält die Jury ebenfalls für einen gelungenen Einfall, weil so die Idee des Unterbewussten nach der Freud'schen Theorie angespielt wird, zu dem man erst hindurchdringen muss.

Eine Erzählidee, die sich jüngeren Zuschauern sicher weniger erschließt, aber elegant als spannendes Abenteuer erhalten bleibt, während Erwachsene hier eine eigene Dechiffrierungsebene geboten bekommen. Geeignet erscheint der Film der Jury für alle Zuschauer ab 8 Jahren, die sich mit den jungen Figuren identifizieren können und wollen. Kooperation statt Kampf, fließender Generationswechsel und Emanzipation sind dabei die moralischen Schlagwörter im Hintergrund. Witzig und aktuell ist die kollektive, politische Hysterie mit Führerkult in Form der Lemminge.

Kritisch sah die Jury, dass auch nach 12 Jahren seit der letzten Folge das Familienmodel mit dominanten Männern und Frauen im Hintergrund bestürzend konservativ ist. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass im Vordergrund des dritten Teils ja mit dem Rentiermädchen Stella ein neues Rollenverhältnis andiskutiert wird, mit dem Ergebnis, dass Mädchen/Frauen genauso geeignet sind. Denn selbst über dieses Stadium der Erkenntnis der Gleichwertigkeit ist die heutige westliche Gesellschaft ja hinaus und praktiziert bereits - bei aller Problematik und Unzulänglichkeit - Gleichberechtigung zum größeren Teil. Hinzu kommt eine - nach Ansicht der Jury - etwas überkomplexe Struktur mit dem gestohlenen Weihnachtsschlitten und den Feindschaften in der Elterngeneration. In seinem Witz eher weniger überzeugend erschien der Jury der nur sehr bruchstückhafte Einsatz verschiedenster deutscher Dialekte in der deutschen Synchronversion, um eine - so leider nicht funktionierende - Überregionalität zu erzeugen. Auch wurde den Nebenfiguren kaum psychologische Tiefe zugestanden. Gelungen fand die Jury die intensive Farbigkeit der Animation, der es auch gelingt, in Form von 2D ein starkes 3D-Gefühl beim Zuschauer zu erzeugen. Das alles führte in der Jury, nach einer ausführlichen und spannenden Diskussion und in Abwägung aller Argumente, zu einer einstimmigen Entscheidung für das Prädikat WERTVOLL.



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