My Stolen Planet (2024)
Sayyareye dozdide shodeye man
In diesem in Deutschland produzierten Dokumentarfilm der Iranerin Farahnaz Sharifi montiert die Regisseurin eigene und gefundene private Filmaufnahmen zu einer faszinierenden Collage.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Farahnaz Sharifi wird am 8. März 1979 im Iran geboren. Die Islamische Revolution ist in vollem Gange; der Schah hat das Land Mitte Januar verlassen, die konstitutionelle Monarchie bricht im Februar endgültig zusammen und wird am 1. April durch die Islamische Republik ersetzt, die bis heute besteht. Ein Kind der Revolution ist Sharifi dennoch nicht, sondern vielmehr eine Frau, die von Kindesbeinen an gegen die Revolution rebelliert.
In ihrer Familie ist es an der Tagesordnung, dass die Frauen hinter verschlossenen Türen ohne Kopftücher tanzen und singen, lachen und trinken. Nachdem sie sich ihr erstes Handy mit einer Kamerafunktion gekauft hat, hält Sharifi diese privaten Momente im Kreise von Familienmitgliedern und Freundinnen fest. Und als sie in Foto- und Filmgeschäften auf alte Aufnahmen stößt, die Familien nach ihrer Ausreise aus dem Iran dort zurückgelassen haben, beginnt sie, dieses Archivmaterial zu sammeln und zu archivieren. Aus alldem hat sie einen Dokumentarfilm gemacht.
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Filmkritik
"My Stolen Planet": Tagebuch einer Tanzmutigen
Dokumentarfilme halten die Welt fest. Die Möglichkeiten, dies zu tun, sind so vielfältig wie die Welt selbst. Farahnaz Sharifi hat sich in ihrem neuen Dokumentarfilm für einen persönlichen Ansatz entschieden. Doch dabei bleibt es nicht. Wäre "My Stolen Planet" lediglich ein mit der Kamera aufgezeichnetes Tagebuch einer ins Exil gedrängten Iranerin, der Film wäre nur halb so gut. Die andere Hälfte, die den Blick schweifen lässt und vom eigenen Leben auf die Leben der anderen schaut, macht die große Qualität dieses Films aus.
Einer von vielen Mosaiksteinen
Wenn "My Stolen Planet" Mitte September 2024 in Deutschland startet, hat das Kinojahr bereits eine erfreulich erkleckliche Anzahl iranischer Filme gesehen. Den Auftakt machten die ums kühle Nass kreisenden Dramen "Orca" und "Leere Netze". Weiter ging es mit dem absurden Episodenfilm "Irdische Verse", dem Liebesfilm "Ein kleines Stück vom Kuchen", der Doku-Tragikomödie "Shahid" und dem im Judosport angesiedelten Thriller "Tatami". Das mehrfach verschobene, drogengeschwängerte Drama "Critical Zone" (neuer Kinostart: 07.11.2024) und der hochgelobte Cannes-Beitrag "Die Saat des heiligen Feigenbaums" (26.12.2024) werden noch folgen.
Flankiert werden diese fiktionalen Erzählungen von den Dokumentarfilmen "Nilas Traum im Garten Eden", "Der Sohn des Mullahs", "Googoosh – Made of Fire" (Start: 10.10.2024) und eben "My Stolen Planet". Was alle, völlig unabhängig ihrer Gattung, eint, ist der kritische Blick auf das religiöse Regime und die Gefahr, der sich die Filmschaffenden dadurch aussetzen. Naturgemäß wurden nicht alle davon im Iran produziert; sie alle sind aber wichtige kleine Mosaiksteine in einem großen Gesamtbild der iranischen Gesellschaft.
Chronistin der vorrevolutionären Zeit
"My Stolen Planet" schillert besonders schön. Als Chronistin einer untergegangenen Welt ist Sharifis akribische Detektiv- und Archivarbeit gar nicht hoch genug einzuschätzen. Inzwischen lebt sie nicht mehr im Iran. Als nach dem gewaltsamen Tod der Studentin Jina Mahsa Amini im September 2022 landesweite Proteste im Iran aufflammten, befand sich Farahnaz Sharifi gerade in Deutschland, wo sie blieb, als sich die Lage langsam, aber sicher auch für Filmschaffende verschlechterte.
Aus dem unfreiwilligen Exil heraus musste sie den Tod ihrer an Alzheimer erkrankten Mutter hilflos mit ansehen. Und hier im Exil stellte sie schließlich auch ihren Dokumentarfilm fertig, um ihn im Februar 2024 bei der 74. Berlinale präsentieren zu können. Herausgekommen ist ein kraftvolles Statement gegen Machthaber, die ihre Bevölkerung kleinhalten wollen und dabei ein ums andere Mal unterschätzen. Ob "My Stolen Planet" in doppeltem Sinne eine vorrevolutionäre Zeit dokumentiert – also nicht nur die Zeit vor der Islamischen Revolution, sondern auch die vor einem möglichen Umsturz des derzeitigen Regimes – wird erst die Zukunft zeigen.
Fazit: "My Stolen Planet", der Dokumentarfilm der im deutschen Exil lebenden iranischen Regisseurin Farahnaz Sharifi, ist ein kraftvolles Statement gegen kleinkarierte Machthaber. Die schillernd montierte Collage aus eigenen und gefundenen Archivaufnahmen hält ein Plädoyer für die pure Freude des Privaten, das selten politischer war als in diesem Film.
Dokumentarfilme halten die Welt fest. Die Möglichkeiten, dies zu tun, sind so vielfältig wie die Welt selbst. Farahnaz Sharifi hat sich in ihrem neuen Dokumentarfilm für einen persönlichen Ansatz entschieden. Doch dabei bleibt es nicht. Wäre "My Stolen Planet" lediglich ein mit der Kamera aufgezeichnetes Tagebuch einer ins Exil gedrängten Iranerin, der Film wäre nur halb so gut. Die andere Hälfte, die den Blick schweifen lässt und vom eigenen Leben auf die Leben der anderen schaut, macht die große Qualität dieses Films aus.
Einer von vielen Mosaiksteinen
Wenn "My Stolen Planet" Mitte September 2024 in Deutschland startet, hat das Kinojahr bereits eine erfreulich erkleckliche Anzahl iranischer Filme gesehen. Den Auftakt machten die ums kühle Nass kreisenden Dramen "Orca" und "Leere Netze". Weiter ging es mit dem absurden Episodenfilm "Irdische Verse", dem Liebesfilm "Ein kleines Stück vom Kuchen", der Doku-Tragikomödie "Shahid" und dem im Judosport angesiedelten Thriller "Tatami". Das mehrfach verschobene, drogengeschwängerte Drama "Critical Zone" (neuer Kinostart: 07.11.2024) und der hochgelobte Cannes-Beitrag "Die Saat des heiligen Feigenbaums" (26.12.2024) werden noch folgen.
Flankiert werden diese fiktionalen Erzählungen von den Dokumentarfilmen "Nilas Traum im Garten Eden", "Der Sohn des Mullahs", "Googoosh – Made of Fire" (Start: 10.10.2024) und eben "My Stolen Planet". Was alle, völlig unabhängig ihrer Gattung, eint, ist der kritische Blick auf das religiöse Regime und die Gefahr, der sich die Filmschaffenden dadurch aussetzen. Naturgemäß wurden nicht alle davon im Iran produziert; sie alle sind aber wichtige kleine Mosaiksteine in einem großen Gesamtbild der iranischen Gesellschaft.
Chronistin der vorrevolutionären Zeit
"My Stolen Planet" schillert besonders schön. Als Chronistin einer untergegangenen Welt ist Sharifis akribische Detektiv- und Archivarbeit gar nicht hoch genug einzuschätzen. Inzwischen lebt sie nicht mehr im Iran. Als nach dem gewaltsamen Tod der Studentin Jina Mahsa Amini im September 2022 landesweite Proteste im Iran aufflammten, befand sich Farahnaz Sharifi gerade in Deutschland, wo sie blieb, als sich die Lage langsam, aber sicher auch für Filmschaffende verschlechterte.
Aus dem unfreiwilligen Exil heraus musste sie den Tod ihrer an Alzheimer erkrankten Mutter hilflos mit ansehen. Und hier im Exil stellte sie schließlich auch ihren Dokumentarfilm fertig, um ihn im Februar 2024 bei der 74. Berlinale präsentieren zu können. Herausgekommen ist ein kraftvolles Statement gegen Machthaber, die ihre Bevölkerung kleinhalten wollen und dabei ein ums andere Mal unterschätzen. Ob "My Stolen Planet" in doppeltem Sinne eine vorrevolutionäre Zeit dokumentiert – also nicht nur die Zeit vor der Islamischen Revolution, sondern auch die vor einem möglichen Umsturz des derzeitigen Regimes – wird erst die Zukunft zeigen.
Fazit: "My Stolen Planet", der Dokumentarfilm der im deutschen Exil lebenden iranischen Regisseurin Farahnaz Sharifi, ist ein kraftvolles Statement gegen kleinkarierte Machthaber. Die schillernd montierte Collage aus eigenen und gefundenen Archivaufnahmen hält ein Plädoyer für die pure Freude des Privaten, das selten politischer war als in diesem Film.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "My Stolen Planet"
Land: DeutschlandJahr: 2024
Genre: Dokumentation
Originaltitel: Sayyareye dozdide shodeye man
Länge: 82 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 12.09.2024
Regie: Farahnaz Sharifi
Kamera: Farahnaz Sharifi
Verleih: Little Dream Entertainment GmbH
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