Die Kinder aus Korntal (2023)
Dokumentarfilm: In der kleinen Gemeinde Korntal kam es über mehrere Dekaden hinweg zu etlichen Missbrauchsfällen in den christlich geführten Kinderheimen.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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2013 erfährt die Öffentlichkeit, dass zwischen den 1950er und -80er Jahren Hunderte Kinder, sogenannte "Sozialwaisen", in den kirchlich betriebenen Heimen der Kleinstadt in Baden-Württemberg Missbrauch ausgesetzt waren. Mehr als 150 einstige Heimkinder haben sich diesbezüglich zu Wort gemeldet; mehr als 80 Täter:innen wurden im Rahmen eines Aufarbeitungsprozesses ermittelt. Doch der Kampf um Gehör geht immer weiter.
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Filmkritik
"Die Kinder aus Korntal": Warum hilft mir keiner?
In ihrem Dokumentarfilm "Die Kinder aus Korntal" befasst sich die 1984 geborene Regisseurin Julia Charakter mit einem der größten Missbrauchsskandale der Evangelischen Kirche in Deutschland – in der titelgebenden baden-württembergischen Kleinstadt. Die dortigen Kinderheime, die von der pietistischen Brüdergemeinde geleitet wurden (und bis heute werden), waren zwischen den 1950er und -80er Jahren ein Ort der Zwangsarbeit, der körperlichen Misshandlung und der sexualisierten Gewalt.
"Manchmal habe ich mich gefragt, wie ich das überlebt habe…"
Der Film lässt sechs Betroffene von ihren traumatisierenden Erlebnissen erzählen. An einer Stelle wird von einer Person ein entscheidender Unterschied aufgezeigt: Den Opfern von Gewalt müsse keine "Stimme gegeben" werden, da sie diese ja bereits hätten; es ginge vielmehr darum, diese Stimme(n) zu hören. Ein paar der Betroffenen äußern sich direkt vor der Kamera; andere bleiben anonym und lesen via Voice-Over Texte vor, um ihre Erfahrungen mitzuteilen.
Mit einigen (Schwarz-Weiß-)Fotos wird die damalige Zeit eingefangen; hinzu kommen sehr eindringliche Animationspassagen, in denen etwa die Albträume und Ängste in der Kindheit vermittelt oder Erinnerungen an (Gewalt-)Taten in eine audiovisuelle Form gebracht werden. Charakter und ihr Kameramann Jonas Eckert finden so einen empathischen Weg, um die Geschehnisse ohne Voyeurismus zu beleuchten.
Der Missbrauch nach dem Missbrauch
Erschreckend ist in der Schilderung der Vorfälle auch der heutige Umgang damit. Wir erfahren, dass die Gemeinde in Korntal lange Zeit jegliche Verantwortung von sich wies – und dass die Betroffenen, die 2013 an die Öffentlichkeit gingen, zunächst der Lüge bezichtigt wurden. Ebenso hinterlassen der spätere Aufklärungsbericht, der angefertigt wurde, und der Aufarbeitungsprozess zur Auszahlung von Entschädigungssummen ein Gefühl von Ungerechtigkeit.
Zu den stärksten Momenten des Films gehört die Sequenz, in der die Ballade "Kinder" (auch bekannt als "Sind so kleine Hände") der Berliner Liedermacherin und Lyrikerin Bettina Wegner im Sitzungssaal gespielt wird, um für die Anwesenden das Schicksal der damaligen Kinder greifbar zu machen.
Fazit: Ein mit Empathie und kluger Bildsprache umgesetzter Dokumentarfilm über systemischen Missbrauch und dessen Folgen.
In ihrem Dokumentarfilm "Die Kinder aus Korntal" befasst sich die 1984 geborene Regisseurin Julia Charakter mit einem der größten Missbrauchsskandale der Evangelischen Kirche in Deutschland – in der titelgebenden baden-württembergischen Kleinstadt. Die dortigen Kinderheime, die von der pietistischen Brüdergemeinde geleitet wurden (und bis heute werden), waren zwischen den 1950er und -80er Jahren ein Ort der Zwangsarbeit, der körperlichen Misshandlung und der sexualisierten Gewalt.
"Manchmal habe ich mich gefragt, wie ich das überlebt habe…"
Der Film lässt sechs Betroffene von ihren traumatisierenden Erlebnissen erzählen. An einer Stelle wird von einer Person ein entscheidender Unterschied aufgezeigt: Den Opfern von Gewalt müsse keine "Stimme gegeben" werden, da sie diese ja bereits hätten; es ginge vielmehr darum, diese Stimme(n) zu hören. Ein paar der Betroffenen äußern sich direkt vor der Kamera; andere bleiben anonym und lesen via Voice-Over Texte vor, um ihre Erfahrungen mitzuteilen.
Mit einigen (Schwarz-Weiß-)Fotos wird die damalige Zeit eingefangen; hinzu kommen sehr eindringliche Animationspassagen, in denen etwa die Albträume und Ängste in der Kindheit vermittelt oder Erinnerungen an (Gewalt-)Taten in eine audiovisuelle Form gebracht werden. Charakter und ihr Kameramann Jonas Eckert finden so einen empathischen Weg, um die Geschehnisse ohne Voyeurismus zu beleuchten.
Der Missbrauch nach dem Missbrauch
Erschreckend ist in der Schilderung der Vorfälle auch der heutige Umgang damit. Wir erfahren, dass die Gemeinde in Korntal lange Zeit jegliche Verantwortung von sich wies – und dass die Betroffenen, die 2013 an die Öffentlichkeit gingen, zunächst der Lüge bezichtigt wurden. Ebenso hinterlassen der spätere Aufklärungsbericht, der angefertigt wurde, und der Aufarbeitungsprozess zur Auszahlung von Entschädigungssummen ein Gefühl von Ungerechtigkeit.
Zu den stärksten Momenten des Films gehört die Sequenz, in der die Ballade "Kinder" (auch bekannt als "Sind so kleine Hände") der Berliner Liedermacherin und Lyrikerin Bettina Wegner im Sitzungssaal gespielt wird, um für die Anwesenden das Schicksal der damaligen Kinder greifbar zu machen.
Fazit: Ein mit Empathie und kluger Bildsprache umgesetzter Dokumentarfilm über systemischen Missbrauch und dessen Folgen.
Andreas Köhnemann
TrailerAlle "Die Kinder aus Korntal"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Die Kinder aus Korntal"
Land: DeutschlandJahr: 2023
Genre: Dokumentation
Länge: 95 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 26.09.2024
Regie: Julia Charakter
Kamera: Jonas Eckert
Verleih: Salzgeber & Co. Medien GmbH