Bernhard Hoetger (2024)
Sehenswerter Mix: deutscher Dokumentarfilm über das Leben und Wirken eines Künstlers, in dem Dokumentarisches und Spielszenen vermischt werden.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Bernhard Hoetger (1874–1949) war ein vielseitig begabter Künstler, der sich im Verlauf seiner Karriere mehrfach neu erfand. Der im heutigen Dortmunder Stadtteil Hörde geborene Hoetger ging mit Mitte 20 nach Paris, wo er sich als expressionistischer Bildhauer einen Namen machte, seine Frau, die Konzertpianistin Helene Natalie Haken (1880–1967), kennenlernte und der Malerin Paula Modersohn-Becker (1876–1907) begegnete, die ihn mit der Künstlerkolonie Worpswede vertraut machte. Noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, von dem Hoetger befreit war, kehrte er nach Deutschland zurück. Der hessische Großherzog Ernst Ludwig (1868–1937) berief ihn an die Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe, wo Hoetger unter anderem den Platanenhain mit Skulpturen gestaltete.
Hoetger siedelte 1914 nach Worpswede über, wo er den Brunnenhof erwarb und unter vielen anderen auf den Kollegen Johann Heinrich Vogeler (1872–1942) und dessen sozialistische Ideen traf. Auf Worpswede folgte Bremen, wo er im Auftrag des Kaffeehändlers Ludwig Roselius (1874–1943) einen Teil der Böttcherstraße neugestaltete und das Haus Atlantis schuf. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Hoetgers Kunst bereits einem völkisch-nordischen Stil zugewandt. Der mit den Nazis sympathisierende Künstler trat 1934 sowohl der Auslandsorganisation der NSDAP als auch der Reichskammer der bildenden Künste bei, was die Nationalsozialisten nicht davon abhielt, seine Kunstwerke 1936 als "entartet" zu erklären. Hoetgers Stil war sein gesamtes künstlerisches Leben über im Wandel, weshalb er einigen Betrachtern als reiner Kopist galt. Neben der Bildhauerei betätigte er sich auch als Kunsthandwerker, Maler und Architekt.
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Filmkritik
"Bernhard Hoetger": Aus der Versenkung ins Rampenlicht
Bernhard Hoetger? Der Name sagt den meisten nichts. Einige seiner Werke, etwa das Haus Atlantis in der Bremer Böttcherstraße oder das Café Winuwuk in Bad Harzburg, werden manche indessen kennen. Dass Hoetger weit weniger bekannt ist als seine Werke, dürfte vor allem daran liegen, dass sich seine Kunst noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in einer völkisch-nordischen Ideenwelt bewegte und er noch weit vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs der Partei beitrat. In Nachkriegsdeutschland, Ost wie West, hatten solche Künstler bekanntlich keinen guten Ruf. Dass Hoetgers Kunst den Nazis als "entartet" galt, spielt dabei keine Rolle. Die Regisseurin Gabriele Rose schickt sich mit ihrem Dokumentarfilm an, den vielseitigen Künstler aus der Versenkung zu holen.
Kunstvolle und vertraute Form
In ihrem Porträt Bernhard Hoetgers greift Rose auf eine Mischung aus Dokumentarischem und Spielszenen zurück. Historisch deckt sie die Zeit von Hoetgers Ankunft in Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis zu dessen Tod im Jahr 1949 ab. Als Rahmenhandlung dient ihr ein aufgezeichnetes Gespräch, das ein Journalist mit Olga Bontjes van Beek im Jahr 1963 geführt hat. Die Tänzerin stand Hoetgers Familie nahe und wurde von ihm gefördert. Das Gespräch wurde am Originalschauplatz nachgestellt. Der Clou an dieser Mischform ist, dass es sich bei vielen der Spielszenen nicht einfach um klassisches Reenactment handelt. Wenn der von Moritz Führmann verkörperte Bernhard Hoetger beispielsweise in Paris eintrifft, dann arbeitet Rose mit Rückprojektionen, die Schwarz-Weiß-Fotografien oder -Filmen entnommen sind. Und wenn Hoetger sich mit seiner von Esther Maria Pietsch gespielten Frau Helene, genannt "Lee", in Wohnräumen unterhält, dann sind diese stets als Kulissen erkennbar.
Wem diese Form vertraut vorkommt, der hat womöglich den Dokumentarfilm "Heinrich Vogeler – Aus dem Leben eines Träumers" (2022) gesehen, dessen Regisseurin Marie Noëlle ganz ähnlich vorgeht. Zudem greift der Schauspieler Florian Lukas, der unter Noëlles Regie Heinrich Vogeler spielt, diese Rolle in Roses Film noch einmal auf. Ein Blick in die Credits offenbart denn auch, dass beide Filme von derselben Produktionsfirma, der ausgerechnet in der Bremer Böttcherstraße ansässigen Kinescope Film GmbH, stammen. Trotz dieser Nähe zu Bernhard Hoetger ist Roses Film ein ausgewogenes Porträt, das Hoetgers Schattenseiten nicht nachträglich in ein gutes Licht rückt. Vielmehr ordnen die zahlreichen Expertinnen und Experten dessen Werk fachkundig in die Kunstgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein und werfen einen kritischen Blick auf die Kunst und den dahinterstehenden Künstler, der mehr als ein reiner Kopist war. Wie die Regisseurin richtig feststellt, ist es letzten Endes "dem Zuschauer überlassen, sich aus diesen vielen Blickwinkeln sein eigenes Bild von Bernhard Hoetger zu formen."
Fazit: Nicht nur an Heinrich Vogelers Leben, wie im gleichnamigen Dokumentarfilm geschehen, auch am Leben Bernhard Hoetgers lassen sich die politischen und künstlerischen Strömungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, deren Einfluss bis in unsere Gegenwart reicht, ablesen. Genauso gut lässt sich dieser Film aber auch einfach nur als Porträt eines abwechslungsreichen Künstlerlebens begreifen. In seiner ambitionierten Form, einem Wechselspiel aus Dokumentarischem und Spielszenen, kommt er dabei selbst einem kleinen Kunstwerk gleich. Anlässlich Hoetgers 150. Geburtstag kommt der Film nun in die Kinos.
Bernhard Hoetger? Der Name sagt den meisten nichts. Einige seiner Werke, etwa das Haus Atlantis in der Bremer Böttcherstraße oder das Café Winuwuk in Bad Harzburg, werden manche indessen kennen. Dass Hoetger weit weniger bekannt ist als seine Werke, dürfte vor allem daran liegen, dass sich seine Kunst noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in einer völkisch-nordischen Ideenwelt bewegte und er noch weit vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs der Partei beitrat. In Nachkriegsdeutschland, Ost wie West, hatten solche Künstler bekanntlich keinen guten Ruf. Dass Hoetgers Kunst den Nazis als "entartet" galt, spielt dabei keine Rolle. Die Regisseurin Gabriele Rose schickt sich mit ihrem Dokumentarfilm an, den vielseitigen Künstler aus der Versenkung zu holen.
Kunstvolle und vertraute Form
In ihrem Porträt Bernhard Hoetgers greift Rose auf eine Mischung aus Dokumentarischem und Spielszenen zurück. Historisch deckt sie die Zeit von Hoetgers Ankunft in Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis zu dessen Tod im Jahr 1949 ab. Als Rahmenhandlung dient ihr ein aufgezeichnetes Gespräch, das ein Journalist mit Olga Bontjes van Beek im Jahr 1963 geführt hat. Die Tänzerin stand Hoetgers Familie nahe und wurde von ihm gefördert. Das Gespräch wurde am Originalschauplatz nachgestellt. Der Clou an dieser Mischform ist, dass es sich bei vielen der Spielszenen nicht einfach um klassisches Reenactment handelt. Wenn der von Moritz Führmann verkörperte Bernhard Hoetger beispielsweise in Paris eintrifft, dann arbeitet Rose mit Rückprojektionen, die Schwarz-Weiß-Fotografien oder -Filmen entnommen sind. Und wenn Hoetger sich mit seiner von Esther Maria Pietsch gespielten Frau Helene, genannt "Lee", in Wohnräumen unterhält, dann sind diese stets als Kulissen erkennbar.
Wem diese Form vertraut vorkommt, der hat womöglich den Dokumentarfilm "Heinrich Vogeler – Aus dem Leben eines Träumers" (2022) gesehen, dessen Regisseurin Marie Noëlle ganz ähnlich vorgeht. Zudem greift der Schauspieler Florian Lukas, der unter Noëlles Regie Heinrich Vogeler spielt, diese Rolle in Roses Film noch einmal auf. Ein Blick in die Credits offenbart denn auch, dass beide Filme von derselben Produktionsfirma, der ausgerechnet in der Bremer Böttcherstraße ansässigen Kinescope Film GmbH, stammen. Trotz dieser Nähe zu Bernhard Hoetger ist Roses Film ein ausgewogenes Porträt, das Hoetgers Schattenseiten nicht nachträglich in ein gutes Licht rückt. Vielmehr ordnen die zahlreichen Expertinnen und Experten dessen Werk fachkundig in die Kunstgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein und werfen einen kritischen Blick auf die Kunst und den dahinterstehenden Künstler, der mehr als ein reiner Kopist war. Wie die Regisseurin richtig feststellt, ist es letzten Endes "dem Zuschauer überlassen, sich aus diesen vielen Blickwinkeln sein eigenes Bild von Bernhard Hoetger zu formen."
Fazit: Nicht nur an Heinrich Vogelers Leben, wie im gleichnamigen Dokumentarfilm geschehen, auch am Leben Bernhard Hoetgers lassen sich die politischen und künstlerischen Strömungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, deren Einfluss bis in unsere Gegenwart reicht, ablesen. Genauso gut lässt sich dieser Film aber auch einfach nur als Porträt eines abwechslungsreichen Künstlerlebens begreifen. In seiner ambitionierten Form, einem Wechselspiel aus Dokumentarischem und Spielszenen, kommt er dabei selbst einem kleinen Kunstwerk gleich. Anlässlich Hoetgers 150. Geburtstag kommt der Film nun in die Kinos.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Bernhard Hoetger"
Land: DeutschlandJahr: 2024
Genre: Dokumentation
Länge: 90 Minuten
Kinostart: 25.07.2024
Regie: Gabriele Rose
Darsteller: Moritz Führmann, Katharina Stark, Florian Lukas, Esther Maria Pietsch, Clément Guyot
Verleih: Filmwelt
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