Averroès & Rosa Parks (2024)

"Averroès & Rosa Parks": Im Gespräch

Der 1951 in Nancy geborene Regisseur Nicolas Philibert schuf im Laufe seiner Karriere schon eine Reihe von Dokumentarfilmen – darunter "Sein und Haben", das Porträt einer französischen Dorfschule in Saint-Étienne-sur-Usson in der Auvergne. Für sein Werk "Auf der Adamant" über die titelgebende Tagesklinik in Form eines Schiffes am Fuße der Pont Charles-de-Gaulle am rechten Seine-Ufer gewann Philibert im Wettbewerb der Berlinale 2023 den Goldenen Bären.

Patient:innen und Betreuer:innen im Dialog

Auch seine neue Arbeit "Averroès & Rosa Parks" befasst sich mit Neurodiversität und mit psychiatrischer Behandlung. Und abermals wählt Philibert hierfür einen Ansatz, der sich am Cinéma vérité orientiert. Das Gezeigte wird nicht (etwa via Voice-Over) kommentiert; es werden kaum Hintergrundinformationen geliefert. Stattdessen setzt der Regisseur, der zudem die Kamera selbst führte und die Montage übernahm, bei einer Laufzeit von knapp zweieinhalb Stunden auf die genaue Beobachtung. Das Werk ist Teil eines dokumentarischen Triptychons, das mit "La Machine à écrire et autres sources de tracas" seinen Abschluss finden wird.

Häufig sehen wir in "Averroès & Rosa Parks" eine Person, die in einer der beiden im Titel genannten Abteilungen behandelt wird, mit einem dort arbeitenden Menschen im Gespräch. In meist halbnahen Einstellungen wird die Interaktion im Schuss-Gegenschuss-Verfahren in verhältnismäßig langen Sequenzen eingefangen. Darüber hinaus gibt es zuweilen Gruppentreffen und Einzelinterviews im Talking-Head-Stil. Der Film nimmt sich Zeit – und folgt damit konsequent dem Credo der Klinik, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Patient:innen zuzuhören und auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren.

Keine Wertung des Geschehens

Wir erleben mit, wie zum Beispiel über die Möglichkeit einer vorübergehenden Unterkunft außerhalb der Klinik gesprochen wird. Es geht in den Gesprächen unter anderem um Religion, um Zuneigung, um Vergangenheitsbewältigung und um Ängste. Die Probleme im Gesundheitssystem werden dabei nicht direkt thematisiert, lassen sich aber dennoch erkennen. "Averroès & Rosa Parks" lässt Irritationsmomente zu – etwa wenn ein Gespräch mit einer Patientin unterbrochen werden muss, weil aus einem anderen Raum laute Schreie zu hören sind, oder wenn plötzlich während einer Therapiesitzung das Diensthandy klingelt.

Fazit: Ein Dokumentarfilm über zwei psychiatrische Abteilungen, der sich auf Gespräche und auf das empathische Zuhören konzentriert.