Crossing: Auf der Suche nach Tekla (2024)
Crossing
In diesem Drama, einer Co-Produktion aus Georgien, der Türkei, Schweden, Dänemark und Frankreich, erzählt Regisseur Levan Akin von drei Menschen im Übergang.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 9 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Die pensionierte georgische Lehrerin Lia (Mzia Arabuli) ist auf der Suche nach ihrer Nichte Tekla, einer Transfrau, die ihrem Elternhaus vor Jahren den Rücken gekehrt hat. Lias Zielstrebigkeit führt sie in die Hafenstadt Batumi, nur wenige Kilometer von der Grenze zur Türkei entfernt, wo sie auf den arbeits- und ziellosen Achi (Lucas Kankava) trifft, der zu wissen glaubt, dass Tekla ihr Glück inzwischen in Istanbul sucht. Ohne einen einzigen Lari in der Tasche schließt sich Achi Lia an, was diese nur widerwillig akzeptiert. Mit einer vermeintlichen Adresse Teklas im Gepäck macht sich das ungleiche Duo auf den Weg.
In Istanbul angelangt, weisen die Straßenkinder Izzet (Bünyamin Değer) und Gülpembe (Sema Sultan Elekci) Lia und Achi den Weg. Doch unter der Adresse, einem Istanbuler Straßenstrich für Transfrauen, ist Tekla nicht zu finden. In einer durchzechten Nacht lernt Achi die Anwältin Evrim kennen, die selbst trans ist und sich für die Rechte von Transmenschen einsetzt. Wird die Suche nach Tekla mit Evrims Hilfe glücken?
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Filmkritik
"Crossing": Verbindende Grenzerfahrungen
Vermutlich um Verwechslungen mit anderen Filmen gleichen Namens vorzubeugen, wurde Levan Akins neuem Drama "Crossing" hierzulande der typisch deutsche, weil erklärende Untertitel "Auf der Suche nach Tekla" hinzugefügt. Von der Poesie des Films trägt der Zusatz leider nichts in sich. Auch enthält der bewusst mehrdeutig gewählte Originaltitel bereits dessen Kern. "Crossing" handelt von mehreren Leben, deren Wege sich kreuzen, von räumlichen wie kulturellen Überquerungen und schließlich von sehr persönlichen Übergängen. Mit welcher Leichtigkeit der 1979 geborene Schwede mit georgischen Wurzeln all das auf die Leinwand wirft, ist zauberhaft.
Von Batumi nach Istanbul: unterwegs zu sich selbst
Es ist die pensionierte Lehrerin Lia (großartig: Mzia Arabuli), die sich auf die Suche nach Tekla macht. Dass sie bei diesem Unterfangen unliebsame Weggefährten um sich schart, ficht sie nicht an. Die stoische Alte bahnt sich unbeirrt ihren Weg und ist längst nicht die einzige Suchende. Ihr erster Mitstreiter, der junge Tunichtgut Achi (umwerfend komisch: Lucas Kankava), mit dem Lia in einer wohlkomponierten, den Blick aus dem Fenster richtenden Einstellung an der Küste der georgischen Hafenstadt Batumi zusammenkommt, sucht nach einer besseren Zukunft in der Türkei und findet in Lia vorübergehend eine Mutter, die er nie hatte. Für die Straßenkinder Izzet und Gülpembe (bezaubernd: Bünyamin Değer und Sema Sultan Elekci), die stets auf der Suche nach einer schnell verdienten Lira und etwas Essbarem sind, ist wiederum die Anwältin Evrim (enigmatisch: Deniz Dumanli) eine Ersatzmutter. Evrim selbst sucht nach Anerkennung für ihre Identität, die ihr so oft und oft auch nur subtil abgesprochen wird. Wofür es keiner Worte bedarf, was Akin in einer beispielhaften Szene beim Amtsarzt wunderbar zwischen den Zeilen erzählt.
Überhaupt ist die Form dieses Films eine große Stärke. Nicht nur was der Regisseur erzählt, auch wie er es inszeniert, ist sehenswert. Gerade in Istanbul angekommen, dieser flirrenden Metropole, die auch bei Akin nur selten zur Ruhe kommt, besteigen Lia und Achi eine Fähre, als sich die Kamera selbstständig macht. Mit traumwandlerischer Sicherheit gleitet sie durch deren Inneres und nimmt nacheinander all jene Menschen in den Blick, deren Wege sich hier, ohne dass sie sich dessen bewusst wären, zum ersten Mal kreuzen. Ein kluger Kniff des von Akin selbst verfassten Drehbuchs, von seiner Kamerafrau Lisabi Fridell kongenial umgesetzt.
Der Mensch ist dem Menschen ein rettendes Ufer
Akins Skript steckt voller guter Ideen, präziser Beobachtungen und ist insgesamt rund. Mit Lia, Achi, Evrim und dem Kinderpaar Izzet und Gülpembe treffen vier filmische Entitäten an vier Tagen aufeinander, kreuzen dabei mehrfach die Wege, bis sich deren Handlungsstränge endgültig miteinander verbinden und am fünften und letzten Tag für immer voneinander trennen. In dreien der vier Nächte, von denen der Film erzählt, wird gefeiert. Erst allein, dann zu zweit und ganz am Ende tanzen Lia, Achi und Evrim schließlich gemeinsam buchstäblich auf einer fremden Hochzeit.
Die Musik – von Izzets Spiel der Saz bis zum todtraurig vorgetragenen Lied "Minnet Eylemem" – ist sehr präsent und trägt viel zu Stimmung bei. Und der Humor kommt nicht zu kurz. Mal ist er wie Lia staubtrocken, mal wie Achi schelmisch, mal wie Evrim reizvoll verspielt. "Crossing", der strukturell und inhaltlich entfernt an Esen Işıks ähnlich beiläufig erzähltes Drama "Köpek" (2015) erinnert und von der Berlinale 2024 in der Sektion Panorama zwei Preise mit nach Hause nahm, ist eine melancholisch-lakonische Ode an kleine, selbst erkämpfte Freiheiten, an Gleichheit und Menschlichkeit.
Dem Beginn der Handlung ist ein Hinweis vorangestellt, dass weder die georgische noch die türkische Sprache zwischen grammatikalischen Geschlechtern unterscheiden würde. Die Menschen in Levan Akins Film tun es den Sprachen nach. Kategorien wie "alt" oder "jung", "Frau" oder "Mann", "Georgier" oder "Türkin" spielen für diese Schicksalsgemeinschaft keine Rolle. Sie sitzen alle im selben Boot und werden einander für einen kurzen Augenblick ihrer Leben zum rettenden Ufer.
Fazit: Bereits in seinem Drama "Als wir tanzten" (2019) setzte sich der Drehbuchautor und Regisseur Levan Akin mit queeren Lebensrealitäten auseinander. Dieses Mal weitet er den Blick von Georgien auf die Türkei aus. Wie es der Filmtitel bereits vermuten lässt, ist "Crossing" ein in mehrfacher Hinsicht grenzübergreifendes Drama. Ein berührendes Roadmovie voller gegensätzlicher Figuren, Melancholie und Lakonie. Poetisch, kraftvoll, zauberhaft!
Vermutlich um Verwechslungen mit anderen Filmen gleichen Namens vorzubeugen, wurde Levan Akins neuem Drama "Crossing" hierzulande der typisch deutsche, weil erklärende Untertitel "Auf der Suche nach Tekla" hinzugefügt. Von der Poesie des Films trägt der Zusatz leider nichts in sich. Auch enthält der bewusst mehrdeutig gewählte Originaltitel bereits dessen Kern. "Crossing" handelt von mehreren Leben, deren Wege sich kreuzen, von räumlichen wie kulturellen Überquerungen und schließlich von sehr persönlichen Übergängen. Mit welcher Leichtigkeit der 1979 geborene Schwede mit georgischen Wurzeln all das auf die Leinwand wirft, ist zauberhaft.
Von Batumi nach Istanbul: unterwegs zu sich selbst
Es ist die pensionierte Lehrerin Lia (großartig: Mzia Arabuli), die sich auf die Suche nach Tekla macht. Dass sie bei diesem Unterfangen unliebsame Weggefährten um sich schart, ficht sie nicht an. Die stoische Alte bahnt sich unbeirrt ihren Weg und ist längst nicht die einzige Suchende. Ihr erster Mitstreiter, der junge Tunichtgut Achi (umwerfend komisch: Lucas Kankava), mit dem Lia in einer wohlkomponierten, den Blick aus dem Fenster richtenden Einstellung an der Küste der georgischen Hafenstadt Batumi zusammenkommt, sucht nach einer besseren Zukunft in der Türkei und findet in Lia vorübergehend eine Mutter, die er nie hatte. Für die Straßenkinder Izzet und Gülpembe (bezaubernd: Bünyamin Değer und Sema Sultan Elekci), die stets auf der Suche nach einer schnell verdienten Lira und etwas Essbarem sind, ist wiederum die Anwältin Evrim (enigmatisch: Deniz Dumanli) eine Ersatzmutter. Evrim selbst sucht nach Anerkennung für ihre Identität, die ihr so oft und oft auch nur subtil abgesprochen wird. Wofür es keiner Worte bedarf, was Akin in einer beispielhaften Szene beim Amtsarzt wunderbar zwischen den Zeilen erzählt.
Überhaupt ist die Form dieses Films eine große Stärke. Nicht nur was der Regisseur erzählt, auch wie er es inszeniert, ist sehenswert. Gerade in Istanbul angekommen, dieser flirrenden Metropole, die auch bei Akin nur selten zur Ruhe kommt, besteigen Lia und Achi eine Fähre, als sich die Kamera selbstständig macht. Mit traumwandlerischer Sicherheit gleitet sie durch deren Inneres und nimmt nacheinander all jene Menschen in den Blick, deren Wege sich hier, ohne dass sie sich dessen bewusst wären, zum ersten Mal kreuzen. Ein kluger Kniff des von Akin selbst verfassten Drehbuchs, von seiner Kamerafrau Lisabi Fridell kongenial umgesetzt.
Der Mensch ist dem Menschen ein rettendes Ufer
Akins Skript steckt voller guter Ideen, präziser Beobachtungen und ist insgesamt rund. Mit Lia, Achi, Evrim und dem Kinderpaar Izzet und Gülpembe treffen vier filmische Entitäten an vier Tagen aufeinander, kreuzen dabei mehrfach die Wege, bis sich deren Handlungsstränge endgültig miteinander verbinden und am fünften und letzten Tag für immer voneinander trennen. In dreien der vier Nächte, von denen der Film erzählt, wird gefeiert. Erst allein, dann zu zweit und ganz am Ende tanzen Lia, Achi und Evrim schließlich gemeinsam buchstäblich auf einer fremden Hochzeit.
Die Musik – von Izzets Spiel der Saz bis zum todtraurig vorgetragenen Lied "Minnet Eylemem" – ist sehr präsent und trägt viel zu Stimmung bei. Und der Humor kommt nicht zu kurz. Mal ist er wie Lia staubtrocken, mal wie Achi schelmisch, mal wie Evrim reizvoll verspielt. "Crossing", der strukturell und inhaltlich entfernt an Esen Işıks ähnlich beiläufig erzähltes Drama "Köpek" (2015) erinnert und von der Berlinale 2024 in der Sektion Panorama zwei Preise mit nach Hause nahm, ist eine melancholisch-lakonische Ode an kleine, selbst erkämpfte Freiheiten, an Gleichheit und Menschlichkeit.
Dem Beginn der Handlung ist ein Hinweis vorangestellt, dass weder die georgische noch die türkische Sprache zwischen grammatikalischen Geschlechtern unterscheiden würde. Die Menschen in Levan Akins Film tun es den Sprachen nach. Kategorien wie "alt" oder "jung", "Frau" oder "Mann", "Georgier" oder "Türkin" spielen für diese Schicksalsgemeinschaft keine Rolle. Sie sitzen alle im selben Boot und werden einander für einen kurzen Augenblick ihrer Leben zum rettenden Ufer.
Fazit: Bereits in seinem Drama "Als wir tanzten" (2019) setzte sich der Drehbuchautor und Regisseur Levan Akin mit queeren Lebensrealitäten auseinander. Dieses Mal weitet er den Blick von Georgien auf die Türkei aus. Wie es der Filmtitel bereits vermuten lässt, ist "Crossing" ein in mehrfacher Hinsicht grenzübergreifendes Drama. Ein berührendes Roadmovie voller gegensätzlicher Figuren, Melancholie und Lakonie. Poetisch, kraftvoll, zauberhaft!
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Crossing: Auf der Suche nach Tekla"
Land: Schweden, Dänemark, Frankreich, Türkei, GeorgienJahr: 2024
Genre: Drama
Originaltitel: Crossing
Länge: 105 Minuten
Kinostart: 18.07.2024
Regie: Levan Akin
Darsteller: Mzia Arabuli als Lia, Lucas Kankava als Achi, Deniz Dumanli als Evrim
Kamera: Lisabi Fridell
Verleih: MUBI