Am I OK? (2024)

"Am I OK?": Schrullig-schöne Spätzünder

Lucy (Dakota Johnson) und Jane (Sonoya Mizuno) kennen einander so gut, dass sie beim gemeinsamen Frühstück im Diner ihre Bestellungen vervollständigen können. Doch während Jane auch mal abseits des Üblichen ordert, steckt Lucy in ihren Routinen fest: morgens Yoga-Kurs, tagsüber ein todlangweiliger Schreibtischjob in einem Spa, abends Cocktails mit Jane und ihrem Dauerfreund Danny (Jermaine Fowler). Für ihre eigentliche Berufung, die Malerei, bleibt Lucy keine Zeit. So viel Frustrationspotenzial in dieser Ausgangslage liegt, eins muss man dem Film lassen: Die Welt, durch die sich die zwei Freundinnen bewegen, sieht umwerfend aus.

Die Regisseurinnen Stephanie Allynne und Tig Notaro inszenieren die Leben dieser Thirty-Somethings durchweg an Orten, die architektonischen und modischen Chic mit einer gewissen Westküsten-Lockerheit vereinen. Und die Kamerafrau Cristina Dunlap ("Amerikanische Fiktion") hält das in solch verführerisch guten Bildern fest, dass man nicht nur sofort seine Siebensachen packen und nach Los Angeles umziehen möchte, sondern sich zwangsläufig fragt, wie sich Lucy all das leisten kann.

Allein deren geräumige Wohnung, die sie sich mit niemandem teilen muss, scheint für ein Gehalt als Rezeptionistin unerschwinglich. Immerhin ist Los Angeles eine der kostspieligsten Städte der USA. Wie in so vielen Filmen, die in La La Land oder in vergleichbar teuren Metropolen angesiedelt sind, ist der Lifestyle der Protagonisten auch in "Am I OK?" der große blinde Fleck. Statt eine Hauptfigur zu zeigen, die mit mehreren unliebsamen Jobs und Mitbewohnern jongliert, ist ein finanziell sorgenfreies Leben unhinterfragt gegeben. Was es für die Drehbuchautorin Lauren Pomerantz einfacher macht, sich auf die zwischenmenschlichen Sorgen zu konzentrieren.

Während Jane beruflich wie privat auf der Erfolgswelle surft, herrscht bei Lucy allerorten Ebbe. Wäre ihr bester Freund Ben (Whitmer Thomas) nicht als Lebensgefährte geeignet? Zu diesem Schritt raten zumindest Danny und Jane. Doch bei einem ersten zaghaften Ranrobben Bens rutscht Lucy vor Schreck so sehenswert vom Bett, dass Dakota Johnson allein für diese Performance einen Preis verdient hätte. Das Missgeschick führt der Protagonistin im zarten Alter von 32 Jahren schließlich vor Augen: Sie steht gar nicht auf Männer, sondern auf Frauen! Und ihre neue Spa-Kollegin, die Masseurin Brittany (Kiersey Clemons), hat es ihr angetan.

Happy Ends und gute Laune

Nicht nur Lucy ist eine Spätzünderin, der Film selbst ist es auch. Dass er überhaupt in die deutschen Kinos kommt, grenzt an ein Wunder. Bereits 2021 gedreht, feierte der tragikomische Indie-Streifen im Januar 2022 beim Sundance Film Festival seine Premiere und wurde im Anschluss vom Streamingdienst HBO Max und dessen Mutterkonzern Warner Bros. Pictures gekauft. Im Zuge der Umstrukturierungen bei HBO Max war kurzzeitig ein US-Kinostart in Aussicht. Letzten Endes startete "Am I OK?" am 6. Juni 2024 jedoch nur online. Fürs deutsche Publikum gibt es wie für Lucy und Jane hingegen ein Happy End. Es kann die komischen Irrungen und Wirrungen einer Frau zwischen Lebenskrise und Selbstfindung auf der großen Leinwand genießen.

Das Duo hinter der Kamera ist auch im echten Leben ein Paar. Die Stand-up-Komikerin und Schauspielerin Tig Notaro ("Plötzlich Familie", "Army oft he Dead") und die Schauspielerin Stephanie Allynne ("Dave Made a Maze") führen erstmals gemeinsam und erstmals bei einem abendfüllenden Spielfilm Regie. Und sie machen ihre Sache ausgesprochen gut. Die Freundschaft der zwei Frauen ist unglaublich glaubwürdig. Vor allem aber vermeidet sie die üblichen Klischees. Weder neiden Lucy und Jane einander etwas noch zicken sie sich an. So schrullig und spleenig ihre Charaktere auch gezeichnet sind, sie sind zutiefst realistisch, vernünftig und erwachsen.

Ohne ein paar abschließende Worte über das Duo vor der Kamera zu verlieren, darf diese Kritik nicht enden. Sonoya Mizuno nimmt man die vor Energie strotzende Karrierefrau ebenso ab wie Dakota Johnson die ungelenk-schüchterne Künstlerin. Seite an Seite ergänzen sie sich nicht nur perfekt, sie bringen die Leinwand auch zum Strahlen in einem Film, der einfach gute Laune macht.

Fazit: Mehr als zwei Jahre nach seiner Sundance-Premiere kommt "Am I OK?" doch noch in die deutschen Kinos. Und das Warten hat sich gelohnt. Der tragikomische Blick des Regieduos und Ehepaars Stephanie Allynne und Tig Notaro auf die Freundschaft zweier Thirty-Somethings überzeugt auch vor der Kamera mit einem unschlagbaren Duo. Dakota Johnson und Sonoya Mizuno sind eine Wucht in einem Film, der einfach gute Laune macht.