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Auf trockenen Gräsern
Auf trockenen Gräsern
© eksystent distribution filmverleih

Auf trockenen Gräsern (2023)

Kuru Otlar Üstüne

In diesem türkischen Drama, dem neuen Film von Nuri Bilge Ceylan, muss sich ein von Deniz Celiloglu gespielter Lehrer selbst hinterfragen.Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 4 / 5
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Samet (Deniz Celiloglu) steckt fest. Seit vier Jahren verrichtet der Kunstlehrer aus Istanbul seinen Pflichtdienst an einer kleinen Schule im Osten der Türkei. Während sein Kollege Kenan (Musab Ekici) mit dem Leben in der Provinz zufrieden ist und insgeheim auf den Posten des Schulleiters Bekir (Onur Berk Arslanoglu) schielt und Nuray (Merve Dizda), eine befreundete Lehrerin einer benachbarten Schule, sich mehr und mehr mit dem Leben in der Provinz anfreundet, will Samet so schnell wie möglich nach Istanbul zurück.

Die Winter in der Provinz sind lang und hart und die Menschen Samets Meinung nach rückständig. Seine Frustration, dass er an seiner Schule nichts bewegen kann, nimmt zu. Als ausgerechnet seine Lieblingsschülerin Sevim (Ece Bagci) Vorwürfe gegen Samet und Kenan erhebt, gerät Samets Leben aus den Fugen.

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Filmkritikunterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse4 / 5

"Auf trockenen Gräsern": Lehrstunden im Schnee

Nuri Bilge Ceylan ist zweifelsohne der bedeutendste zeitgenössische Regisseur der Türkei. Was Orhan Pamuk für die türkische Literatur ist, ist Ceylan für den türkischen Film: ein vielfach preisgekrönter, epischer Erzähler und Mittler zwischen den Welten, zwischen Orient und Okzident, zwischen Land und Stadt. Über die Jahre hinweg wurden Ceylans Filme immer länger und sein Wohnort Istanbul rückte in immer weitere Ferne; wurde vom kulturellen Zentrum zum Sehnsuchtsort. Sein jüngstes Epos "Auf trockenen Gräsern" erweckt nun den Anschein, als würden der Handlungsort in Ostanatolien und die Metropole am Bosporus nicht nur auf zwei verschiedenen Kontinenten, sondern auf unterschiedlichen Planeten liegen, so sehr stecken im winterlichen Schnee der Provinz selbst die vermeintlich fortschrittlich denkenden Figuren fest.

Epische Erkundungen der Provinz

Nach den Dramen "Once Upon a Time in Anatolia" (2011), "Winterschlaf" (2014) und "The Wild Pear Tree" (2018), die allesamt im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes liefen und für die Ceylan einmal den Großen Preis der Jury ("Once Upon ...") und einmal die Goldene Palme ("Winterschlaf") erhielt, erkundet er ein weiteres Mal mit epischem Atem die türkische Provinz. Auch dieses Drama, dass auf den Erlebnissen des Co-Drehbuchautors Akin Aksu während seines Pflichtdiensts als Lehrer basiert, war im Wettbewerb an der Croisette zu sehen. Merve Dizdar, die das Feuer, das in ihrer Figur lodert, hinter einem geradezu einschläfernden Blick verbirgt, wurde für ihr herausragendes Spiel mit dem Preis als beste Darstellerin ausgezeichnet.

Wie von Nuri Bilge Ceylan nicht anders gewohnt, passiert vordergründig nicht viel und zwischen den Zeilen alles. Ausufernde Gespräche bei klirrender Kälte und heißem Tee, oft in klug kadrierten, statischen, langen und ungeschnitten Einstellungen gefilmt, kreisen um philosophische Fragen. Die vermeintliche Rückständigkeit der Provinz versus die vermeintliche Fortschrittlichkeit der Stadt werden ebenso ausführlich diskutiert wie die soziale Rolle von Idealismus und Aktivismus und die Moral und Verantwortung im Schuldienst gegenüber Kollegen und Schülern.

Noch stärker als in seinen vorangegangenen Filmen bewahrt Ceylan in "Auf trockenen Gräsern" das Geheimnis, ob etwas und was genau passiert ist. In dieses Rätselraten mischt sich dieses Mal zudem ein Moment der Irritation, wenn der Hauptdarsteller Deniz Celiloglu in einer Szene aus dem Filmset heraustritt und das Set als solches offenbart, bevor er in die Handlung zurückkehrt. Was dieser Bruch mit der filmischen Illusion soll, bleibt offen – wie so vieles in diesem Film, der seinem Publikum einiges abverlangt.

Unbequeme Figuren in unwirtlichen Landschaften

Sympathisch waren die Figuren bei Ceylan noch nie. Was keine Schwäche, sondern eine Stärke seiner Filme ist, macht es sie doch interessanter, weil sich das Publikum an den Figuren reiben kann. Deniz Celiloglus Figur des Kunstlehrers Samet eignet sich dafür besonders gut. Samet ist ein zutiefst narzisstischer Charakter, der seine Progressivität lediglich vor sich herträgt und in patriarchale und autoritäre Muster verfällt, wenn das eigene Ego angekratzt wird. Er gibt sich nur nach außen hin nonchalant und großzügig, ist insgeheim aber eifersüchtig, verbissen und manipulativ. Ein kleinkarierter Mann, der angesichts der eigenen Machtlosigkeit gegenüber seinen Vorgesetzten und dem Schulsystem die kleine Macht, die ihm gegenüber seinen Schülern gegeben ist, schamlos ausnutzt.

Wie so oft erzählt Nuri Bilge Ceylan, der das Drehbuch zu "Auf trockenen Gräsern" gemeinsam mit seiner Frau Ebru Celyan und dem bereits erwähnten Akin Aksu geschrieben hat, nicht nur von seinem Protagonisten, aber stets aus dessen Perspektive. In vielen kleinen Begegnungen mit Kollegen, aber auch mit Bewohnern des Dorfes, in dem Samet unterrichtet, ergibt sich so ein erzählerisches Mosaik einer Gegend und ihrer Bewohner. Doch so kontemplativ, mitunter gar meditativ das ist und so betörend die an Gemälde erinnernden Landschaftsaufnahmen auch sind, es ist auch repetitiv.

Auch bei diesem Film Ceylans stellt sich einmal mehr die Frage, ob es dafür einer so langen Laufzeit bedurft hätte. Ursprünglich war "Auf trockenen Gräsern" sogar noch länger, denn Ceylan hat die kompletten 285 Seiten des Skripts gedreht und den fertigen Film erst im Schnitt auf die nun vorliegenden 197 Minuten gekürzt. Doch wie viel davon bleibt wirklich im Gedächtnis haften? Erinnert man von "Once Upon a Time in Anatolia" die Handlung, aber kaum Bilder, weil die Handlung trotz ihrer Länge geschlossen und verdichtet ist, verhält es sich bei Ceylans darauffolgenden Filmen umgekehrt. Die Geschichten von "Winterschlaf", "The Wild Pear Tree" und nun auch "Auf trockenen Gräsern" fransen so sehr aus, dass man sich lange nach dem Filmende eher an einzelne Aufnahmen, an die einprägsamen Gesichter der Schauspieler und an die Figuren in erhabenen Positionen vor unwirtlichen Landschaften erinnern wird als daran, worum es in den Filmen ging.

Fazit: Nuri Bilge Ceylan ist zweifelsohne der bedeutendste zeitgenössische Regisseur der Türkei. Sein neuester Film fügt sich nahtlos in das bisherige Gesamtwerk ein. "Auf trockenen Gräsern" ist eine mit epischem Atem erzählte und mit philosophischen Fragen gespickte Erkundung der türkischen Provinz. Auf Ceylans ruhige, kontemplative Erzählweise muss man sich als Kinopublikum jedoch einlassen und viel Geduld und Sitzfleisch mitbringen. Auch wenn sein jüngster Film nicht ganz an seine besten Werke heranreicht, Fans des türkischen Auteurs wird er nicht enttäuschen.




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Besetzung & Crew von "Auf trockenen Gräsern"

Land: Türkei, Frankreich, Schweden, Deutschland
Jahr: 2023
Genre: Drama
Originaltitel: Kuru Otlar Üstüne
Länge: 197 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 16.05.2024
Regie: Nuri Bilge Ceylan
Darsteller: Deniz Celiloglu als Samet, Merve Dizdar als Nuray, Musab Ekici als Kenan, Ece Bagci als Sevim, Erdem Senocak als Tolga
Kamera: Cevahir Sahin, Kürsat Üresin
Verleih: eksystent distribution filmverleih

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