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FBW-Bewertung: Blink Twice (2024)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: ?Blink Twice (also, blinzle zwei Mal) if you need help', wird als diskretes Signal verstanden, das verwendet werden soll, wenn sich Menschen in gefährlichen Situationen befinden und nicht in der Lage sind, offen zu kommunizieren, also zum Beispiel um Hilfe zu rufen.

Frida, die Protagonistin in BLINK TWICE, hat tatsächlich keine Chance, nach Hilfe zu rufen. Zusammen mit ihrer besten Freundin Jess folgt sie der Einladung des Tech-Millardärs Slater King. Irgendwo in der Karabik besitzt der eine abgeschiedene Insel, auf der er alles um ihn herum vergessen kann. Als Jess und Frida dort ankommen, können sie ihren Augen kaum trauen. Wasserfälle. Pools, viele, viele Zimmer und vermutlich auch genauso viele Angestellte prophezeien einen luxuriösen Aufenthalt. Ein kostenloser Urlaub mit allem Komfort soll sie auf dem sonnigen Eiland erwarten! Aber Zuschauer*innen, die sich in einen Thriller mit dem Titel BLINK TWICE begeben, die wissen es natürlich besser.

Tatsächlich lädt das Setting geradezu ein, einen Film über Gefangene im Paradies zu machen. Fast eine Stunde lang offeriert Regisseurin Zoë Kravitz in ihrem Regiedebüt dann auch Bilder in einer sehr schönen Ästhetik, an Werbeclips erinnernd. Da stimmt alles, vom Licht zum Setting, bis hin zu den Farben: tagsüber wirkt die Insel ihres Gastgebers wie ein gigantisches Set für Wellness-Produkte. Sobald aber die Sonne hinterm Horizont versinkt, mutiert das Setting zur Party-Zone mit erstklassigem Essen, lauter Musik und natürlich auch jeder Menge Drogen. Eine muntere Schar jüngerer und nicht mehr ganz so junger Menschen, die auf dem Anwesen des Milliardärs Spaß ohne Reue suchen. Nur ganz allmählich gesellen sich Zeichen der Erosion zu den hyperästhetischen Bildern. Nur ganz allmählich wird zunächst Jess, dann aber auch Frida bewusst, dass irgendetwas nicht stimmt, dass sie Gefangene im Paradies des Milliardärs sind und jede Art von Hilfe sehr, sehr weit entfernt ist. Ein bisschen THE MENU mit Ralph Fiennes, ein wenig NINE PERFECT STRANGERS mit Nicole Kidman oder auch KNIVES OUT mit Daniel Craig: Zoë Kravitz' BLINK TWICE spielt mit Vorwissen und -ahnungen des Publikums. Ganz allmählich wird deutlich, dass sich Slater King zwei Arten von Besuchern auf die Insel eingeladen hat.

Eine Selektion von mehr oder weniger attraktiven Frauen und eine Riege genauso wohlhabender, wie verlebter Männer. Sicher, es heißt ?Geld mache sexy', aber Kravitz männliche Charaktere sind auf der Jagd, sie wollen auf der Insel ihr niemals vorhandenes Recht auf Machtmissbrauch durchzusetzen. #MeToo, der Weinstein-Skandal und die vielen, unangemessenen, sexuellen Übergriffe vorgesetzter, mächtiger Männer - all das lässt BLINK TWICE von neuem auferstehen, in BLINK TWICE natürlich genretypisch drastisch.

Der Weg bis dahin, so hat sich in der Diskussion gezeigt, ist der Jury allerdings sehr lang erschienen. Vielleicht traute sich Kravitz nicht, allzu viel des Geheimnisses preiszugeben. Darunter leidet nicht nur der Spannungsbogen, sondern vor allem auch die Charaktere, die letztlich nur wenige Möglichkeiten zur Entwicklung erhalten. Tatsächlich finden sich, bis auf Tech-Tycoon King und Protagonistin Frida, nur schwach ausgeformte männliche und weibliche Charaktere auf der Insel. Das mag bei der triebgesteuerten Männergruppe noch funktionieren, ist aber bei der Darstellung der Mehrheit der Frauen ein wenig fragwürdig, da sie, bis zum Schluss, als wesenlose Opfer charakterisiert werden. Auch die Funktion einiger Figuren ist der Jury nicht klar. So etwa der immer wieder auftauchende Therapeut Kings, der zu Beginn zwar dazu beiträgt, das titelgebende ?BLINK TWICE' einzuführen, dann aber viele Fragen offenlässt. Ganz anders hat die Jury dagegen die Figuren Fridas und Slater Kings wahrgenommen. Kravitz zeichnet sie nicht nur äußerst eindringlich und nuanciert, sie hat sie auch hervorragend besetzt. In ihrer Unterschiedlichkeit sind Naomi Ackie und Channing Tatum großartige Antipoden, die bis zum finalen Showdown zu überraschen wissen.

Als auffallend aussagekräftig hat die Jury auch die Momente erlebt, in denen Kravitz den einfältigen, patriarchalen Machtstrukturen einen Spiegel vorzuhalten weiß. Wenn Frida den Argwohn der Männer ganz einfach durch das Aufsetzen eines Barbie-Lächelns zerstreuen kann, dann vertraut sie auf die Erfahrungen von Generationen zuvor, auf Kenntnisse, die ein Überleben in einer patriarchalen Welt garantieren konnten. Zu schade, so stellt die Jury abschließend in der Diskussion fest, dass sich ein paar der Twists und Clous des Thrillers ein wenig zu früh abgezeichnet haben. Im Anschluss an eine sehr spannende Diskussion und in Abwägung aller Argumente verleiht die Jury dem Film gerne das Prädikat WERTVOLL.



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