May December (2024)
Dieses mit Julianne Moore und Natalie Portman starbesetzte US-Drama von Regisseur Todd Haynes dreht sich um eine schlagzeilenträchtige Liebe, Lebenslügen und Fassaden, die aufrechterhalten werden wollen.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 3 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Im Jahr 1992 machten Gracie (Julianne Moore) und Joe (Charles Melton) landesweit Schlagzeilen. Die damals 36-jährige, verheiratete Frau begann eine Affäre mit dem erst 13-jährigen Jungen, der ein Mitschüler ihres Sohns Georgie war, worunter Georgie (Cory Michael Smith) bis heute leidet. Aus der Affäre ging die Tochter Honor (Piper Curda) hervor, die inzwischen das College besucht. 23 Jahre nach dem Vorfall und nachdem Gracie eine Gefängnisstrafe verbüßt hat, lebt das Paar mit den gemeinsamen Zwillingen Mary (Elizabeth Yu) und Charlie (Gabriel Chung), die kurz vor dem Schulabschluss stehen, idyllisch in einem Vorort der Südstaatenmetropole Savannah.
Dort bekommt die Familie Besuch von Schauspielstar Elizabeth Berry (Natalie Portman). Berry will die ungewöhnliche Geschichte verfilmen und vor der Kamera in Gracies Rolle schlüpfen, wofür sie Gracie ausgiebig studiert. Während es Gracie, Joe und deren Freunden und Bekannten vor allem darum geht, dass aus ihrer Liebe kein reißerischer, sondern ein ehrlicher Kinofilm wird, entdeckt Elizabeth bei ihrer Recherche Wahrheiten, die sich keine(r) der Beteiligten eingestehen will.
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Filmkritik
"May December": In der Glut des Südens
Keine Preisverleihung kommt ohne anschließende Diskussion über die Prämierten aus. Bei einem solch prestigeträchtigen Preis wie dem Oscar setzt diese Diskussion bereits im Vorfeld ein. Kaum sind die Nominierungen bekanntgegeben, wird munter debattiert, wer übersehen worden sei. Das war auch in diesem Jahr bei der 96. Oscarverleihung der Fall. Am schmerzlichsten wurde Margot Robbie für ihre Titelrolle im Film "Barbie" (2023) auf der Liste der Nominierten vermisst. Den Regisseur Todd Haynes und seinen neuen Film "May December" suchte man darauf ebenso vergebens wie Haynes' durchweg überragendes Ensemble. Vor allem dem durch die Fernsehserie "Riverdale" (2017–2023) bekanntgewordenen Charles Melton waren große Chancen ausgerechnet worden. Am Ende sprang für das kunstvoll in Szene gesetzte Drama aber lediglich eine einzige Nominierung für das beste Originaldrehbuch heraus.
Das Drehbuch stammt von Samy Burch, basiert auf einer gemeinsamen Idee von ihr und ihrem Mann und Kollegen Alex Mechanik und ist sehr, sehr lose von einem wahren Fall inspiriert. Es stand zwei Jahre lang auf der Blacklist der besten unverfilmten Drehbücher Hollywoods, bevor sich die Schauspielerin Natalie Portman des Skripts annahm und damit bei Haynes vorstellig wurde. Was den 1961 geborenen Regisseur von Filmen wie "Dem Himmel so fern" (2002), "Carol" (2015) oder "Vergiftete Wahrheit" (2019) daran reizte, liegt auf der Hand. Als einer der Wegbereiter des New Queer Cinema scherte sich Haynes nie darum, was andere von den provokanten Beziehungsgeflechten seiner Filme halten. Selbst in einem Musikfilm wie "Velvet Goldmine" (1998) lotet Haynes alle erdenklichen Möglichkeiten des menschlichen Miteinanders lustvoll aus. Sein Musikfilm "I'm Not There" (2007) wiederum stellt das Publikum durch sein lustvolles Changieren zwischen visuellen Stilen und narrativen Strukturen auf die Probe. In seinem neuen Film ist es der große Altersunterschied der Protagonisten, worauf der Titel anspielt, der herausfordert.
Wie in einem Spiegel: Facettenreiche Psychogramme
"May December", der 2023 in Cannes um die Goldene Palme konkurrierte, ist ein facettenreiches Psychogramm gleich mehrerer Figuren. Haynes zeichnet das Porträt zweier Frauen, die einander ähnlicher sind, als ihnen lieb sein mag und das eines Mannes, der nie erwachsen werden durfte und von beiden Frauen auf perfide Weise ausgenutzt wird. All das trägt der Filmemacher ausgesprochen dick auf. Die weichgezeichneten Bilder von Kameramann Christopher Blauvelt sehen so aus, als seien sie durch einen milchigen Schleier gefilmt worden. In Kombination mit Marcelo Zarvos' melodramatischem Score, einem Neuarrangement der Musik aus dem Film "Der Mittler" (1971), die Haynes am Set abspielte, wirkt die Schwüle der Südstaaten von der ersten bis zur letzten Filmminute ungemein schwülstig.
Wie immer bei Haynes ist das nicht nur risikofreudig, sondern auch so gewollt. Der Erfolg seines Films steht und fällt damit, ob sich das Publikum auf dieses gewöhnungsbedürftige Wagnis einlässt. Wer es tut, wird mit einem nuancierten psychologischen Drama belohnt, das aus seinen Anleihen bei Ingmar Bergmans "Persona" (1966) keinen Hehl macht und über das Filmende hinaus fasziniert. Denn Haynes gibt sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden. Wer ist hier gut, wer böse? Was ist richtig, was falsch? Wer spielt nur eine Rolle und welche? Die Übergänge vom Drama zum Melodram und zum Thriller sind ebenso fließend, wie die Rollen zwischen Täter und Opfer mehrfach wechseln und die moralischen Grenzen im flirrenden Sommerlicht zusehends verschwimmen. Durch und durch ambivalent und am Ende ambig bietet "May December" ausreichend Stoff für hitzige Diskussionen.
Fazit: Todd Haynes bleibt sich treu. Nach den massentaugliche(re)n Dramen "Vergiftete Wahrheit", "Wonderstruck" und "Carol" fordert er sein Publikum mit "May December" gleich auf mehreren Ebenen heraus. Der stilistisch gewöhnungsbedürftig inszenierte Film provoziert auch inhaltlich. Wer sich auf all das einlässt, wird mit einem nuancierten psychologischen Drama belohnt, das nicht nur mit seinen überragenden Schauspielleistungen weit über das Filmende hinaus fasziniert.
Keine Preisverleihung kommt ohne anschließende Diskussion über die Prämierten aus. Bei einem solch prestigeträchtigen Preis wie dem Oscar setzt diese Diskussion bereits im Vorfeld ein. Kaum sind die Nominierungen bekanntgegeben, wird munter debattiert, wer übersehen worden sei. Das war auch in diesem Jahr bei der 96. Oscarverleihung der Fall. Am schmerzlichsten wurde Margot Robbie für ihre Titelrolle im Film "Barbie" (2023) auf der Liste der Nominierten vermisst. Den Regisseur Todd Haynes und seinen neuen Film "May December" suchte man darauf ebenso vergebens wie Haynes' durchweg überragendes Ensemble. Vor allem dem durch die Fernsehserie "Riverdale" (2017–2023) bekanntgewordenen Charles Melton waren große Chancen ausgerechnet worden. Am Ende sprang für das kunstvoll in Szene gesetzte Drama aber lediglich eine einzige Nominierung für das beste Originaldrehbuch heraus.
Das Drehbuch stammt von Samy Burch, basiert auf einer gemeinsamen Idee von ihr und ihrem Mann und Kollegen Alex Mechanik und ist sehr, sehr lose von einem wahren Fall inspiriert. Es stand zwei Jahre lang auf der Blacklist der besten unverfilmten Drehbücher Hollywoods, bevor sich die Schauspielerin Natalie Portman des Skripts annahm und damit bei Haynes vorstellig wurde. Was den 1961 geborenen Regisseur von Filmen wie "Dem Himmel so fern" (2002), "Carol" (2015) oder "Vergiftete Wahrheit" (2019) daran reizte, liegt auf der Hand. Als einer der Wegbereiter des New Queer Cinema scherte sich Haynes nie darum, was andere von den provokanten Beziehungsgeflechten seiner Filme halten. Selbst in einem Musikfilm wie "Velvet Goldmine" (1998) lotet Haynes alle erdenklichen Möglichkeiten des menschlichen Miteinanders lustvoll aus. Sein Musikfilm "I'm Not There" (2007) wiederum stellt das Publikum durch sein lustvolles Changieren zwischen visuellen Stilen und narrativen Strukturen auf die Probe. In seinem neuen Film ist es der große Altersunterschied der Protagonisten, worauf der Titel anspielt, der herausfordert.
Wie in einem Spiegel: Facettenreiche Psychogramme
"May December", der 2023 in Cannes um die Goldene Palme konkurrierte, ist ein facettenreiches Psychogramm gleich mehrerer Figuren. Haynes zeichnet das Porträt zweier Frauen, die einander ähnlicher sind, als ihnen lieb sein mag und das eines Mannes, der nie erwachsen werden durfte und von beiden Frauen auf perfide Weise ausgenutzt wird. All das trägt der Filmemacher ausgesprochen dick auf. Die weichgezeichneten Bilder von Kameramann Christopher Blauvelt sehen so aus, als seien sie durch einen milchigen Schleier gefilmt worden. In Kombination mit Marcelo Zarvos' melodramatischem Score, einem Neuarrangement der Musik aus dem Film "Der Mittler" (1971), die Haynes am Set abspielte, wirkt die Schwüle der Südstaaten von der ersten bis zur letzten Filmminute ungemein schwülstig.
Wie immer bei Haynes ist das nicht nur risikofreudig, sondern auch so gewollt. Der Erfolg seines Films steht und fällt damit, ob sich das Publikum auf dieses gewöhnungsbedürftige Wagnis einlässt. Wer es tut, wird mit einem nuancierten psychologischen Drama belohnt, das aus seinen Anleihen bei Ingmar Bergmans "Persona" (1966) keinen Hehl macht und über das Filmende hinaus fasziniert. Denn Haynes gibt sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden. Wer ist hier gut, wer böse? Was ist richtig, was falsch? Wer spielt nur eine Rolle und welche? Die Übergänge vom Drama zum Melodram und zum Thriller sind ebenso fließend, wie die Rollen zwischen Täter und Opfer mehrfach wechseln und die moralischen Grenzen im flirrenden Sommerlicht zusehends verschwimmen. Durch und durch ambivalent und am Ende ambig bietet "May December" ausreichend Stoff für hitzige Diskussionen.
Fazit: Todd Haynes bleibt sich treu. Nach den massentaugliche(re)n Dramen "Vergiftete Wahrheit", "Wonderstruck" und "Carol" fordert er sein Publikum mit "May December" gleich auf mehreren Ebenen heraus. Der stilistisch gewöhnungsbedürftig inszenierte Film provoziert auch inhaltlich. Wer sich auf all das einlässt, wird mit einem nuancierten psychologischen Drama belohnt, das nicht nur mit seinen überragenden Schauspielleistungen weit über das Filmende hinaus fasziniert.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "May December"
Land: USAJahr: 2024
Genre: Drama, Komödie
Länge: 117 Minuten
Kinostart: 30.05.2024
Regie: Todd Haynes
Darsteller: Natalie Portman, Chris Tenzis, Charles Melton, Julianne Moore, Andrea Frankle
Kamera: Chris Blauvelt
Verleih: Wild Bunch
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