Das Klezmer Projekt - In mir tanze ich (2024)
Adentro mío estoy bailando
In diesem semifiktionalen Dokumentarfilm aus Argentinien spürt das Regiegespann der traditionellen jüdischen Instrumentalmusik in Osteuropa nach.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Der Argentinier Leandro (Leandro Koch) hat seine Wurzeln abgeschnitten. Vom Judentum seiner Familie sind nur noch die Fluchtgeschichte seiner einst in Bessarabien ansässigen Großmutter geblieben und die jüdischen Hochzeiten, auf denen er als Kameramann arbeitet und bei denen meist Klezmer gespielt wird. Als sich Leandro während einer der Hochzeiten in die Klarinettistin Paloma (Paloma Schachmann) verguckt, ändert sich alles. Um ihr zu imponieren, gaukelt er ihr vor, einen Dokumentarfilm über Klezmer zu drehen.
Dank eines befreundeten, in Österreich lebenden Filmemachers (Lukas Valenta Rinner) wird aus dem anfangs nur erfundenen "Klezmer Projekt" Realität. Mit Fördergeldern vom ORF ziehen Leandro, der befreundete Filmemacher und eine kleine Crew gen Osten, um Musiker beim Klezmer-Spielen zu filmen. Unterwegs stößt auch Paloma hinzu und die Gruppe auf ein großes Problem: Die Musiker in der Ukraine, in Rumänien und in Moldau spielen zwar alle möglichen Volksmusiken, nur keinen Klezmer.
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Filmkritik
"Das Klezmer Projekt": Ein Roadtrip als musikalische Spurensuche
Mit diesem Film, der im Original "Adentro mío estoy bailando" heißt, legt das argentinische Regiegespann Leandro Koch und Paloma Schachmann seinen Erstling vor. Seine Weltpremiere feierte der Dokumentarfilm, der nicht ausschließlich dokumentarisch verfährt, sondern sich auch semifiktionaler Elemente bedient, in der Sektion "Encounters" bei der 73. Berlinale. Dort kam der versiert in Szene gesetzte Mix so gut an, dass er den Preis als bester Debütfilm aus Berlin mit nach Buenos Aires nahm.
Verschränkung von Fakten und Fiktion
Um das Thema des Films, die traditionelle jiddische Musik des Klezmers, interessanter zu gestalten, hat das Duo eine Rahmenhandlung dazu erfunden, die sich nur lose an den eigentlichen Entstehungsprozess des Films anlehnt. In der Realität verhielt es sich so, dass die diplomierte Musiklehrerin und professionelle Klarinettistin Schachmann mit der Idee auf den Filmemacher Koch zukam, dieser jedoch wenig Interesse daran zeigte. Im fertigen Film hat sich dieses Rollenverhältnis verkehrt. Darin schwindelt Leandro Paloma vor, bereits an einem Dokumentarfilm über Klezmer zu arbeiten. Um die Fassade aufrechtzuerhalten, muss er die Flunkerei schließlich in die Tat umsetzen. Das Schöne daran ist, dass das Kinopublikum während der Rezeption nicht weiß, wie viel davon völlig frei erfunden und wie viel zumindest in Teilen der Wirklichkeit entnommen ist. Echt ist indessen die im Film dokumentierte Musik.
Kulturelle Überreste und vielfältige Brechungen
Auf ihrer Spurensuche nach der aus dem aschkenasischen Judentum stammenden Volksmusik begeben sich Schachmann und Koch ins Grenzgebiet zwischen der Ukraine, Rumänien und Moldau. Hier finden sie zwar keinen Klezmer mehr vor, aber dessen Überreste, die sich in andere Musiktraditionen hinübergerettet haben. Derweil lässt das Duo das Kinopublikum wissen, dass der Klezmer in (Ost-)Europa nicht nur dem Holocaust zum Opfer gefallen ist, sondern auch unter einer Hinwendung des Zionismus zum Hebräischen gelitten hat.
Ums Jiddische dreht sich denn auch eine weitere Brechung des Films. Zusätzlich zur erfundenen Handlung des erfolglosen Kameramanns, der eine Musikerin beeindrucken möchte, fügt das Regieduo seinem Film auch die alte Geschichte vom Totengräber Yankel hinzu, die Leandros und Palomas Liebesgeschichte spiegelt und die über den gesamten Film hinweg auf Jiddisch vorgetragen wird. Auch wenn das Filmteam auf seiner Spurensuche weitaus weniger jiddische Tradition vorgefunden hat, als es sich ursprünglich erhofft hatte, wird es dem kulturellen Erbe des Jiddischen auf diese Weise gleich in mehrfacher Hinsicht gerecht.
Fazit: Der semifiktionale Debütfilm "Das Klezmer Projekt" ist eine Mischung aus Roadtrip, Dokumentarfilm und musikalischer Spurensuche. Ein experimentierfreudiger Erstling mit jiddischem Zungenschlag, der Lust und Laune macht und ein Stück kulturelles Erbe für die Nachwelt bewahrt.
Mit diesem Film, der im Original "Adentro mío estoy bailando" heißt, legt das argentinische Regiegespann Leandro Koch und Paloma Schachmann seinen Erstling vor. Seine Weltpremiere feierte der Dokumentarfilm, der nicht ausschließlich dokumentarisch verfährt, sondern sich auch semifiktionaler Elemente bedient, in der Sektion "Encounters" bei der 73. Berlinale. Dort kam der versiert in Szene gesetzte Mix so gut an, dass er den Preis als bester Debütfilm aus Berlin mit nach Buenos Aires nahm.
Verschränkung von Fakten und Fiktion
Um das Thema des Films, die traditionelle jiddische Musik des Klezmers, interessanter zu gestalten, hat das Duo eine Rahmenhandlung dazu erfunden, die sich nur lose an den eigentlichen Entstehungsprozess des Films anlehnt. In der Realität verhielt es sich so, dass die diplomierte Musiklehrerin und professionelle Klarinettistin Schachmann mit der Idee auf den Filmemacher Koch zukam, dieser jedoch wenig Interesse daran zeigte. Im fertigen Film hat sich dieses Rollenverhältnis verkehrt. Darin schwindelt Leandro Paloma vor, bereits an einem Dokumentarfilm über Klezmer zu arbeiten. Um die Fassade aufrechtzuerhalten, muss er die Flunkerei schließlich in die Tat umsetzen. Das Schöne daran ist, dass das Kinopublikum während der Rezeption nicht weiß, wie viel davon völlig frei erfunden und wie viel zumindest in Teilen der Wirklichkeit entnommen ist. Echt ist indessen die im Film dokumentierte Musik.
Kulturelle Überreste und vielfältige Brechungen
Auf ihrer Spurensuche nach der aus dem aschkenasischen Judentum stammenden Volksmusik begeben sich Schachmann und Koch ins Grenzgebiet zwischen der Ukraine, Rumänien und Moldau. Hier finden sie zwar keinen Klezmer mehr vor, aber dessen Überreste, die sich in andere Musiktraditionen hinübergerettet haben. Derweil lässt das Duo das Kinopublikum wissen, dass der Klezmer in (Ost-)Europa nicht nur dem Holocaust zum Opfer gefallen ist, sondern auch unter einer Hinwendung des Zionismus zum Hebräischen gelitten hat.
Ums Jiddische dreht sich denn auch eine weitere Brechung des Films. Zusätzlich zur erfundenen Handlung des erfolglosen Kameramanns, der eine Musikerin beeindrucken möchte, fügt das Regieduo seinem Film auch die alte Geschichte vom Totengräber Yankel hinzu, die Leandros und Palomas Liebesgeschichte spiegelt und die über den gesamten Film hinweg auf Jiddisch vorgetragen wird. Auch wenn das Filmteam auf seiner Spurensuche weitaus weniger jiddische Tradition vorgefunden hat, als es sich ursprünglich erhofft hatte, wird es dem kulturellen Erbe des Jiddischen auf diese Weise gleich in mehrfacher Hinsicht gerecht.
Fazit: Der semifiktionale Debütfilm "Das Klezmer Projekt" ist eine Mischung aus Roadtrip, Dokumentarfilm und musikalischer Spurensuche. Ein experimentierfreudiger Erstling mit jiddischem Zungenschlag, der Lust und Laune macht und ein Stück kulturelles Erbe für die Nachwelt bewahrt.
Falk Straub
Besetzung & Crew von "Das Klezmer Projekt - In mir tanze ich"
Land: Argentinien, ÖsterreichJahr: 2024
Genre: Dokumentation, Roadmovie
Originaltitel: Adentro mío estoy bailando
Länge: 110 Minuten
FSK: 0
Kinostart: 30.05.2024
Regie: Leandro Koch, Paloma Schachmann
Darsteller: Leandro Koch, Rebeca Yanover, Cesar Lerner, Marcelo Moguilevsky, Bob Cohen
Kamera: Roman Kasseroller, Leandro Koch
Verleih: Film Kino Text