FBW-Bewertung: Gondola (2023)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Veit Helmer ist einer der wenigen radikalen Stilisten, die im deutschen Kino heute noch ihre Filme genauso machen können, wie sie wollen. Er ist nicht an einer realistischen Abbildung der Welt interessiert, sondern schafft stattdessen in seinen Filmen poetische Fantasiewelten, die er mit seinen archetypischen Figuren bevölkert. Meist sind sie in östlichen Ländern angesiedelt, deren exotische Drehorte er zu Bühnen für seine märchenhaften Erzählungen umgestaltet. GONDOLA hat er im georgischen Kaukasus gedreht, und hier ist seine Bühne ein Tal mit einer Seilbahn, in deren sich bei jeder Fahrt in der Mitte begegnenden Gondeln eine queere Liebesgeschichte ihren Lauf nimmt. Iva und Nino sind die beiden Schaffnerinnen und jede Phase ihrer Beziehung geschieht in den kurzen Momenten, wenn ihre Gondeln aneinander vorbei schweben. Dort flirten sie miteinander, verlieben sich, streiten und versöhnen sich. Veit Helmer erzählt diese Geschichte mit rein filmischen Mitteln ? er verzichtet ganz auf Dialoge (im ganzen Film wird nur ein einziges Wort gesprochen). Stattdessen verlässt er sich ganz auf die Kraft seiner Bilder, und dabei kann man seinen Einfallsreichtum sowie seine Originalität nur bewundern. Den Film durchzieht ein zärtlicher Humor. Er ist gespickt mit skurrilen Nebenfiguren wie dem eifersüchtigen Vorgesetzten der beiden Schaffnerinnen oder einem wohlmeinend, väterlichen Rollstuhlfahrer. Die Soundeffekte und die stimmungsvolle folkloristische Filmmusik geben dem Film auch auf der Tonebene eine ganz eigene heitere Vitalität. Die Musik wird sogar Teil der Handlung, wenn die Dorfbewohner auf ihren bäuerlichen Geräten musizieren, während die Gondeln über ihnen vorbei schweben. Trotz der nostalgischen Grundstimmung des Films (wie die Gondeln sieht alles im Film so aus, als sei es aus der Mitte des 20. Jahrhunderts) ist GONDOLA alles andere als rückwärtsgewandt. So wird etwa das lesbische Verhältnis der beiden Protagonistinnen nicht thematisiert oder ausgestellt, sondern stattdessen als völlig selbstverständlich präsentiert. Veit Helmer ist mit GONDOLA eine filmische Liebesballade gelungen, die das Publikum verzaubert, ohne je sentimental zu wirken.Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)