Gondola (2023)
Veit Helmer bleibt sich treu: Auch der neue Film des deutschen Regisseurs, der von zwei Seilbahnschaffnerinnen handelt, ist eine poetische Liebeskomödie.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Nach dem Tod ihres Vaters kehrt Iva (Mathilde Irrmann) in ihr kleines georgisches Heimatdorf zurück, um die Nachfolge ihres Vaters als Seilbahnschaffner anzutreten. Hoch oben auf der Bergstation trifft sie auf ihre altgediente Kollegin Nino (Nino Soselia), die von der großen weiten Welt und einer Karriere als Flugbegleiterin träumt, sowie auf einen lüsternen Chef (Zuka Papuashvili), der seinen zwei Angestellten in jeder freien Minute nachstellt.
Nino und Iva wissen nicht nur, sich den ungelenken Annäherungsversuchen ihres Vorgesetzten gewitzt zu entziehen, sie heitern ihren eintönigen Alltag auch mit einer gehörigen Portion Humor auf. Als anfänglichen Neckereien wird erst Zuneigung, dann Liebe. Wäre da bloß nicht der eifersüchtige Boss ...
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Filmkritik
"Gondola": Pure Seilbahnpoesie
Redselig waren seine Filme noch nie, in seinem jüngsten lässt er das Sprechen nicht zum ersten Mal ganz sein. Schon in "Vom Lokführer, der die Liebe suchte..." (2018) fiel kein einziges Wort, und Veit Helmer hat dafür eine simple Begründung: "Dialoge braucht es nicht, wenn die Bilder sich selbst erklären." Das macht sein Gesamtwerk universell verständlich, aber – fast 100 Jahre nach dem Ende des Stummfilms – auch gewöhnungsbedürftig. Dass sein Stil die Geschmäcker teilt, dessen ist sich der 1968 in Hannover geborene und in Berlin lebende Regisseur bewusst. Und das ist gut so. Denn um wie viel ärmer wäre das deutsche Kino, ja das Kino insgesamt, gäbe es Helmers Filme nicht!
Hierzulande ist Veit Helmer eine Ausnahmeerscheinung. Man muss lange nachdenken, um auf andere Filmschaffende zu kommen, deren Handschrift so einzigartig und unverwechselbar ist wie die seine. Der internationale Vergleich fällt da schon leichter (was kein gutes Licht auf den von oben erlaubten Kreativitätsgrad in deutschen Filmproduktionsprozessen wirft): Die Filme Emir Kusturicas, Aki Kaurismäkis, Jean-Pierre Jeunets und des Trios Dominique Abel, Fiona Gordon und Bruno Romy kommen einem in den Sinn – nicht zuletzt deshalb, weil sich Helmers Filme – mit Vorliebe in Osteuropa gedreht und mit Menschen aus aller Herren Länder besetzt – so zeitlos und international anfühlen.
Skurrile Romanzen an ungewöhnlichen Orten
Die Geschichten, die Helmer erzählt, sind im Alltag fußende Skurrilitäten an ungewöhnlichen Orten. Sein Langfilmdebüt "Tuvalu" (1999) spielt in einem maroden Schwimmbad, dessen Schließung abgewendet werden muss, "Tor zum Himmel" (2003) in der Gepäckabfertigung eines Flughafens, "Baikonur" (2011) rund um den gleichnamigen Weltraumbahnhof und der eingangs erwähnte "Lokführer" mitten auf den Schienen, die sich waghalsig durch ein wuselndes Wohngebiet schlängeln. Es sind allesamt Liebesgeschichten mit mal mehr, mal weniger klaren Bezügen. Die lustige kleine Odyssee, auf die sich der von Predrag "Miki" Manojlović verkörperte Lokführer begibt, ist an das Märchen "Aschenputtel" angelehnt, und der Sexstreik, in den die Frauen in "Absurdistan" (2008) treten, mag von einer Zeitungsmeldung inspiriert sein, er erinnert freilich aber auch an Aristophanes' Komödie "Lysistrata".
In "Gondola" entführt Helmer sein Publikum nun nicht etwa nach Venedig, sondern nach Georgien. Statt aufs Wasser geht es hoch hinaus. Und die Schaffnerinnen, die in ihren Seilbahngondeln tagein, tagaus in die jeweils entgegengesetzte Richtung aneinander vorbeifahren, aber nicht zusammenkommen können, lassen einen unweigerlich an die Sage von Hero und Leander bzw. die daraus schöpfende Volksballade der zwei "Königskinder" denken. Umso mehr, als Helmer die Situation der zwei Frauen im Verhältnis zweier Nachbarskinder spiegelt, deren Häuser durch einen selbst gebastelten Seilzug verbunden sind.
Von den Schaffnerinnen, die die Liebe fanden
Wie jeder seiner Filme handelt auch Helmers "Gondola" vom Suchen und Finden der Liebe, wobei die zwei Protagonistinnen im vorliegenden Fall womöglich gar nicht auf der Suche sind. Die Liebe fällt ihnen vielmehr in den Schoß, so wie die Granatäpfel in diesem Film kunstvoll in Szene gesetzt von den Bäumen fallen.
Von der Farbe der Granatäpfel über die der Gondeln, der Seilbahnstationen und der Uniformen ist alles in diesem Film pure Poesie: perfekt aufeinander abgestimmt, harmonisch im Einklang. "Gondola" mag nicht Helmers bester Film sein, ist aber einer, der als nonverbale Erzählung vor Einfallsreichtum sprüht. Ein kleines, in sich stimmiges Werk, das sich tief vor der "Kunst der Bilder", als die Helmer das Kino bezeichnet, verneigt und dafür vom Kinopublikum hoffentlich innig umarmt werden wird.
Fazit: Keiner macht Filme wie Veit Helmer. Die jüngste nonverbale Verrücktheit des in Berlin lebenden Regisseurs lotet die Liebe im Vorbeifahren aus. "Gondola" ist eine ebenso einfallsreiche wie heitere wie kunstvoll in Szene gesetzte Romanze; ein Film wie ein Gedicht, pure Seilbahnpoesie!
Redselig waren seine Filme noch nie, in seinem jüngsten lässt er das Sprechen nicht zum ersten Mal ganz sein. Schon in "Vom Lokführer, der die Liebe suchte..." (2018) fiel kein einziges Wort, und Veit Helmer hat dafür eine simple Begründung: "Dialoge braucht es nicht, wenn die Bilder sich selbst erklären." Das macht sein Gesamtwerk universell verständlich, aber – fast 100 Jahre nach dem Ende des Stummfilms – auch gewöhnungsbedürftig. Dass sein Stil die Geschmäcker teilt, dessen ist sich der 1968 in Hannover geborene und in Berlin lebende Regisseur bewusst. Und das ist gut so. Denn um wie viel ärmer wäre das deutsche Kino, ja das Kino insgesamt, gäbe es Helmers Filme nicht!
Hierzulande ist Veit Helmer eine Ausnahmeerscheinung. Man muss lange nachdenken, um auf andere Filmschaffende zu kommen, deren Handschrift so einzigartig und unverwechselbar ist wie die seine. Der internationale Vergleich fällt da schon leichter (was kein gutes Licht auf den von oben erlaubten Kreativitätsgrad in deutschen Filmproduktionsprozessen wirft): Die Filme Emir Kusturicas, Aki Kaurismäkis, Jean-Pierre Jeunets und des Trios Dominique Abel, Fiona Gordon und Bruno Romy kommen einem in den Sinn – nicht zuletzt deshalb, weil sich Helmers Filme – mit Vorliebe in Osteuropa gedreht und mit Menschen aus aller Herren Länder besetzt – so zeitlos und international anfühlen.
Skurrile Romanzen an ungewöhnlichen Orten
Die Geschichten, die Helmer erzählt, sind im Alltag fußende Skurrilitäten an ungewöhnlichen Orten. Sein Langfilmdebüt "Tuvalu" (1999) spielt in einem maroden Schwimmbad, dessen Schließung abgewendet werden muss, "Tor zum Himmel" (2003) in der Gepäckabfertigung eines Flughafens, "Baikonur" (2011) rund um den gleichnamigen Weltraumbahnhof und der eingangs erwähnte "Lokführer" mitten auf den Schienen, die sich waghalsig durch ein wuselndes Wohngebiet schlängeln. Es sind allesamt Liebesgeschichten mit mal mehr, mal weniger klaren Bezügen. Die lustige kleine Odyssee, auf die sich der von Predrag "Miki" Manojlović verkörperte Lokführer begibt, ist an das Märchen "Aschenputtel" angelehnt, und der Sexstreik, in den die Frauen in "Absurdistan" (2008) treten, mag von einer Zeitungsmeldung inspiriert sein, er erinnert freilich aber auch an Aristophanes' Komödie "Lysistrata".
In "Gondola" entführt Helmer sein Publikum nun nicht etwa nach Venedig, sondern nach Georgien. Statt aufs Wasser geht es hoch hinaus. Und die Schaffnerinnen, die in ihren Seilbahngondeln tagein, tagaus in die jeweils entgegengesetzte Richtung aneinander vorbeifahren, aber nicht zusammenkommen können, lassen einen unweigerlich an die Sage von Hero und Leander bzw. die daraus schöpfende Volksballade der zwei "Königskinder" denken. Umso mehr, als Helmer die Situation der zwei Frauen im Verhältnis zweier Nachbarskinder spiegelt, deren Häuser durch einen selbst gebastelten Seilzug verbunden sind.
Von den Schaffnerinnen, die die Liebe fanden
Wie jeder seiner Filme handelt auch Helmers "Gondola" vom Suchen und Finden der Liebe, wobei die zwei Protagonistinnen im vorliegenden Fall womöglich gar nicht auf der Suche sind. Die Liebe fällt ihnen vielmehr in den Schoß, so wie die Granatäpfel in diesem Film kunstvoll in Szene gesetzt von den Bäumen fallen.
Von der Farbe der Granatäpfel über die der Gondeln, der Seilbahnstationen und der Uniformen ist alles in diesem Film pure Poesie: perfekt aufeinander abgestimmt, harmonisch im Einklang. "Gondola" mag nicht Helmers bester Film sein, ist aber einer, der als nonverbale Erzählung vor Einfallsreichtum sprüht. Ein kleines, in sich stimmiges Werk, das sich tief vor der "Kunst der Bilder", als die Helmer das Kino bezeichnet, verneigt und dafür vom Kinopublikum hoffentlich innig umarmt werden wird.
Fazit: Keiner macht Filme wie Veit Helmer. Die jüngste nonverbale Verrücktheit des in Berlin lebenden Regisseurs lotet die Liebe im Vorbeifahren aus. "Gondola" ist eine ebenso einfallsreiche wie heitere wie kunstvoll in Szene gesetzte Romanze; ein Film wie ein Gedicht, pure Seilbahnpoesie!
Falk Straub
FBW-Bewertung zu "Gondola"Jurybegründung anzeigen
Veit Helmer ist einer der wenigen radikalen Stilisten, die im deutschen Kino heute noch ihre Filme genauso machen können, wie sie wollen. Er ist nicht an einer realistischen Abbildung der Welt interessiert, sondern schafft stattdessen in seinen [...mehr]TrailerAlle "Gondola"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Gondola"
Land: DeutschlandJahr: 2023
Genre: Drama, Komödie, Romantik
Länge: 82 Minuten
Kinostart: 07.03.2024
Regie: Veit Helmer
Darsteller: Nino Soselia als Nino, Mathilde Irrmann als Iva, Zuka Papuashvili als Boss, Naira Chichinadze als Widow, Vachagan Papovian
Kamera: Giorgi Devdariani
Verleih: JIP Film und Verleih
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