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Was von der Liebe bleibt (2023)

In diesem deutschen Drama von Regisseur Kanwal Sethi mit Serkan Kaya und Seyneb Saleh verliert ein Ehemann erst seine Frau und während der Trauerarbeit und Ermittlungen zusehends seine Nerven und den Glauben an das System.Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 3 / 5
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Yasemin (Seyneb Saleh) und Ilyas (Serkan Kaya) haben es geschafft. Das Ehepaar, das ein schickes Berliner Café betreibt und mit seiner Tochter Senna (Amira Demirkiran) in einer luftigen Altbauwohnung lebt, ist in der gehobenen Mittelschicht angekommen. Doch der Idylle, die nach 15 gemeinsamen Jahren erste Risse bekommen hat, wird schlagartig ein Ende gesetzt, als Yasemin brutal ermordet wird.

Die Kriminalpolizei verdächtigt zunächst Ilyas, dann gerät das angebliche Umfeld Yasemins in den Blick. War seine ermordete Frau in Geldwäsche verwickelt? Die Beamten (u. a. Birte Schnöink), die zu keinem Zeitpunkt auf die Idee kommen, in der rechten Szene zu ermitteln, säen selbst in Ilyas Zweifel. Was wird am Ende von der Liebe zu Yasemin bleiben?

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Was von der Liebe bleibtWas von der Liebe bleibtWas von der Liebe bleibtWas von der Liebe bleibtWas von der Liebe bleibt - Yasemin (Seyneb Saleh)Was von der Liebe bleibt - Regisseur Kanwal Sethi

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"Was von der Liebe bleibt": Zwischen Poesie und Politik

Die Filme des indisch-deutschen Regisseurs Kanwal Sethi, so poetisch sie sind, haben oft auch eine politische Note. Selbst hinter leichter Unterhaltung wie dem Roadmovie "Fernes Land" (2010) oder der Beziehungskiste "Once Again – Eine Liebe in Mumbai" (2018) verbergen sich gesellschaftlich relevante Konflikte. Vielleicht geht das auch gar nicht anders in einer Welt, in der inzwischen alles, von so etwas Bedeutendem wie der eigenen Herkunft bis hin zu so etwas Banalem wie der Wahl des täglichen Fortbewegungsmittels, politisiert wird. In seinem jüngsten Film geht Sethi noch einen Schritt weiter. Denn das strukturelle Problem, das unter der romantischen Oberfläche dieses Familiendramas schwelt, geht alsbald in Flammen auf und hinterlässt verbrannte Erde.

Fremd im eigenen Land

Im Zentrum steht die Liebe zwischen Ilyas (Serkan Kaya) und Yasemin (Seyneb Saleh), die Sethi, von der Cutterin Simone Bräuer und ihrem Kollegen Søren B. Ebbe meisterhaft montiert, rhythmisch über die Leinwand fließen lässt. In Kapitel unterteilt und in nonchronologisch angeordneten Rückblenden erzählt, sehen wir dem Paar beim Ent- und Verlieben zu. Derweil verlaufen Ilyas' Trauerarbeit und die immer weiter eskalierende Konfrontation mit dem rassistischen Behördenapparat, dem er sich nach Yasemins gewaltsamem Tod ausgesetzt sieht, vorwärts durch die Zeit. Die stets in den richtigen Momenten eingeschobenen Einblicke in die Vergangenheit des Paares lassen uns nachvollziehen, wie Yasemin und Ilyas wurden, wer sie sind.

Er, der Vorsichtige, Abwägende, alles tausendmal Durchdenkende, der sich nicht als Türke, sondern durch und durch als Berliner versteht. Sie, die Ungestüme, Enthusiastische, alles instinktiv Wagende, die sich nicht nur ihrer kurdischen Herkunft bewusst ist, sondern auch dessen, dass sie für den nicht-migrantischen Teil der Gesellschaft nie zu einer Deutschen werden wird. Stolz schreit Yasemin an Ilyas' Seite denn auch heraus, dass er und sie zwei "Kanaken" seien. Der Ausflugsdampfer, von dem Yasemin den selbstermächtigenden Sprechakt in den Berliner Nachthimmel brüllt, passiert just das Bundeskanzleramt. Die passende Kulisse macht die Worte noch wirkungsvoller. Ilyas sind sie peinlich. Er nimmt sie nicht in den Mund. Erst ganz am Ende des Films, zu bitterer Einsicht gekommen, wiederholt er sie an Yasemins Grab.

Wie Feuer und Wasser

Die Szene auf dem Ausflugsdampfer ist toll, weil sie so authentisch, romantisch, überraschend und gewagt ist, und dabei nur eine unter vielen. Was die Liebesgeschichte anbelangt, beweist Kanwal Sethi ein ums andere Mal sein unbestreitbares Talent, komplexe Beziehungsgeflechte so leichthändig auf die Leinwand zu zaubern, dass sich alles an ihnen ausgesprochen wahrhaftig anfühlt. Obwohl Yasemin und Ilyas wie Feuer und Wasser füreinander sind, funktioniert ihre Beziehung (oder vielleicht auch gerade deswegen) und wir Zuschauenden im Kinopublikum nehmen ihnen jede Sekunde davon ab. Umso tragischer ist das Ende dieser Ehe, nicht nur, weil es unerwartet, brutal und gewalttätig kommt, sondern auch zu einem Zeitpunkt, als die beiden nach jahrelanger Entfremdung gerade erst wieder zueinandergefunden hatten.

Was dem Regisseur und Drehbuchautor indessen nur leidlich gelingt, ist, ein glaubwürdiges Bild des institutionellen und systemischen Rassismus zu vermitteln, der laut Sethi "gesichtslos und fest in der Mitte der Gesellschaft verankert ist". Solange dieser Rassismus gesichtslos bleibt, etwa in einem Gespräch zwischen Yasemin und Ilyas über die unzähligen Male, in denen Ilyas von Vorgesetzten bei der Beförderung übergangen wurde, überzeugt er. Sobald er durch konkrete Figuren wie die Polizeibeamten und den ermittelnden Staatsanwalt jedoch ein Gesicht erhält, offenbart sich seine zu simple und plumpe Konstruktion. Nicht nur Yasemin und Ilyas, auch die Liebesgeschichte und die Kriminalgeschichte verhalten sich wie Feuer und Wasser zueinander.

Eingebaute Drehbuchschwächen

Im Bemühen, diesen in der Gesellschaft fest verankerten Rassismus noch dem letzten Kinozuschauer unmissverständlich vor Augen zu führen, lässt Sethis Drehbuch Logik und fast jegliche Nuancierung vermissen. So facettenreich er die Liebesgeschichte ausgestaltet, die Ermittlungen inszeniert er fast ausnahmslos mit dem erzählerischen Holzhammer. Die Polizeibeamten sind durch die Bank grob geschnitzt und ihre Methoden sind nicht nur fragwürdig, ihr Fehlverhalten ist ebenso selten dämlich wie justiziabel. Und genau hier liegt das Problem. Dass sich ausgerechnet Ilyas, dieser besonnene, reflektierte und rechtschaffene Mann, der im Grunde "deutscher" als all jene ist, die ihm sein Deutschsein absprechen und beständig von "Kulturkreisen" faseln, zu keinem Zeitpunkt der Ermittlungen einen Anwalt nimmt, ist absolut nicht nachvollziehbar.

Notwendig ist es hingegen schon, um die Situation zwischen Ilyas und den Behörden kontinuierlich eskalieren zu können. Denn ein Anwalt, den sich Ilyas aus der Portokasse leisten könnte, hätte dem ihm Film an den Tag gelegten Fehlverhalten der Beamten umgehend einen Riegel vorgeschoben. Es ist nicht die einzige Stelle, an der die Konstruktion der Handlung ihrer eigenen Glaubwürdigkeit im Weg steht. Beispielsweise verrät Ilyas während eines Verhörs den Polizisten nicht, warum er seiner Frau kurz vor deren Tod neue Ohrringe kaufte, obwohl es ihn entlasten würde. Logisch ist dieses Verhalten in der konkreten Situation nicht. Es ist der nonchronologischen Erzählweise geschuldet, dient das Zurückhalten der Wahrheit an dieser Stelle doch lediglich dazu, beim Kinopublikum viel später im Handlungsverlauf einen Aha-Effekt auszulösen.

Gute Absichten, durchwachsene Umsetzung

"Was von der Liebe bleibt" ist nicht der erste Spielfilm, der sich mit der jüngsten Phase rechtsradikalen Terrorismus in Deutschland auseinandersetzt. Neu ist derweil die Perspektive. Während vergleichbare Filme wie "Wintermärchen" (2018) oder "Je suis Karl" (2021) in die Welt der Täter abtauchen und ein Film wie "Aus dem Nichts" (2017) zwar die Opferseite abbildet, dabei aber aus der Sicht einer Figur ohne migrantische Wurzeln geschildert wird und sich zudem in eine unrealistische Rachefantasie versteigt (worauf es in "Was von der Liebe bleibt" übrigens einen schnippischen Seitenhieb gibt), nimmt Kanwal Sethi endlich einmal die Menschen in den Blick, die es tatsächlich betrifft. Das war überfällig. Schade ist, dass durch die fehlende Nuancierung in der Darstellung des institutionellen Rassismus dessen berechtigte und notwendige Kritik abgeschwächt wird. Mit durchweg glaubwürdigen Figuren und Situationen hätte dieses Drama deutlich mehr Wucht entfalten können.

Fazit: Der neue Film von Kanwal Sethi ("Once Again – Eine Liebe in Mumbai") packt ein heißes Eisen an, was längst überfällig war. Die Frage, "Was von der Liebe bleibt", wenn sie durch einen rechtsradikalen Gewaltakt brutal beendet wird, beantwortet Sethi positiv, wie sein Drama ohnehin immer dann am stärksten ist, wenn es die großartig aufspielenden Seyneb Saleh und Serkan Kaya und die leichthändig inszenierte Liebe ihrer zwei Figuren zeigt. Der gesellschaftspolitische Teil dieses Dramas fällt indessen deutlich ab, agiert der Regisseur und Drehbuchautor bei der Vermittlung des institutionellen Rassismus doch arg mit dem Holzhammer.




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Besetzung & Crew von "Was von der Liebe bleibt"

Land: Deutschland
Jahr: 2023
Genre: Romantik
Kinostart: 02.05.2024
Regie: Kanwal Sethi
Darsteller: Serkan Kaya als Ilyas, Seyneb Saleh als Yasemin, Amira Demirkiran als Senna, Olga von Luckwald als Miriam, Marietta Meguid als Ena
Verleih: Filmwelt

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