Eine Frage der Würde (2023)
Urotcite na Blaga
Tiefschwarze Sozialstudie des heutigen Bulgarien, dessen Hoffnungslosigkeit harte Gesellschaftskritik übtKritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 2 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Die 70-jährige Lehrerin Blaga (Ely Skorcheva) verliert ihren Ehemann. Mühsam hat sie sich das Geld für einen ordentlichen Grabstein zusammengespart, der an einem äußerst begehrten Platz des Friedhofs aufgestellt werden soll. So will sie ihrem Mann einen angemessenen Abschied bereiten.
Eines Tages klingelt das Telefon: Der Anrufer gibt sich als Polizist aus, er brauche Blagas Mithilfe bei der Überführung von Betrügern. Zu diesem Zweck solle sie ihr ganzes Bargeld in einen Sack geben und zum Fenster raus schmeißen. Sie tut, wie ihr befohlen, doch sieht sie das Geld - das für den Grabstein gedacht war - nie wieder, da sie selbst Opfer von Betrügern wurde. Unter Hochdruck sucht sie nach Möglichkeiten, das verlorene Geld wieder hereinzubekommen, doch all ihre Job-Bewerbungen führen zu nichts, sie sei zu alt. Schließlich ist Blagas Verzweiflung so groß, dass sie selbst einen Job als Kurierin bei einer Betrügerbande annimmt. Derselben, die vorher sie beraubt hat, wie sich herausstellen wird. Blaga gerät in einen Strudel, der sie ihrer Werte entledigen und immer weiter in einen hoffnungslosen Abgrund reißen wird.
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Filmkritik
Der bulgarische Regisseur Stephan Komandarev schließt mit "Eine Frage der Würde" seine Film-Trilogie ab, die seine Heimat ultra-realistisch porträtiert. Sein Zugang ist dabei eine Mischung aus ernstem (Festival-)Film mit Lokalkolorit und Genre-Splittern, auch ein Echo aus New Hollywood ist zu vernehmen: Denn seine Protagonisten - in diesem Fall die 70-jährige Blaga - sind oft getriebene Anti-Helden, die die Grauzonen zwischen Gut und Böse ausloten, ohne "Happy End" versteht sich.
"Eine Frage der Würde" ist zum einen eine intensive psychologische Charakterstudie, die durch dramaturgische Überspitzung die Frage stellt, wie Menschen unter enormen Drucksituationen agieren und dazu kommen, ihre Ideale über Bord zu werfen. Blaga ist selbst Opfer von Betrügern, traumatisiert durch ihren Verlust (des Geldes), der massive Auswirkungen auf sie und ihr Leben hat. Plötzlich steht sie aber auf der anderen Seite, tut anderen dasselbe an, das ihr angetan wurde. Ihre seelische Pein, wachsender Selbsthass und Abscheu lassen sich an den immer tiefer einfallenden Augen ablesen. Bis nur noch ein schwarzes Nichts bleibt, deprimierend, hoffnungslos, final.
Zum anderen ist der Film auch eine Sozial(struktur)studie des heutigen Bulgariens, der genau diese wiedergegebene Tristesse verwendet, um harsche Sozialkritik zu üben: Komandarev zeichnet eine zerfallende Gesellschaft, in der sich am Ende jeder selbst der Nächste ist, in der es keine Hoffnung gibt, in der es ums Überleben und nicht ums Leben geht. Eine Gesellschaft, die den Übergang vom Kommunismus zum Kapitalismus nicht geschafft hat. "Das ist die Marktwirtschaft", sagt der Bestatter zu Blaga, als es einen anderen Bieter für ihren Grabplatz gibt, der schneller zahlen kann und damit als Kunde attraktiver erscheint. "Eine andere Art von Krieg" nennt hingegen Blaga selbst den Zustand der bulgarischen Gesellschaft gegenüber einer ihrer privaten Bulgarisch-Schülerinnen, die aus einem benachbarten Kriegsgebiet stammt.
Stilistisch bewegt sich "Eine Frage der Würde" auf solidem Niveau, wenngleich der Fokus eindeutig auf dem Drehbuch, der (packenden) Dramaturgie und der Hauptfigur liegt. Komandarev vermittelt durch seine oft mit wackeliger Handkamera eingefangenen Bilder, durch die Großaufnahmen des Gesichts der Protagonistin Intimität. Man ist allein mit Blaga und ihrer Verzweiflung, die wiederum ist irgendwann nur noch allein mit sich selbst. Ein schwarzes Loch, ein dunkler Sog der Hoffnungslosigkeit, der sich natürlich auch auf den Zuschauer überträgt. Das ist keine Kritik, sondern Lob an den Regisseur, ein Gefühl absoluter auswegloser Agonie so gekonnt dargestellt zu haben. Zugleich ist es eine Warnung: Freunde fröhlicher Komödien, Fans von Filmen, die gute Laune verbreiten, einen "abschalten lassen" und zarte Gemüter sollten von "Eine Frage der Würde" unbedingt die Finger lassen.
Fazit: Ein einziges Schwarz: Stephan Komandarev schließt seine Trilogie über das heutige Bulgarien mit einer düsteren Mischung aus psychologischer Charakterstudie und kritischer Sozialstudie ab, die sich wie Blei auf die Seele legt. Doch wer von Trier und Haneke mag, wird auch daran große "Freude" finden können.
"Eine Frage der Würde" ist zum einen eine intensive psychologische Charakterstudie, die durch dramaturgische Überspitzung die Frage stellt, wie Menschen unter enormen Drucksituationen agieren und dazu kommen, ihre Ideale über Bord zu werfen. Blaga ist selbst Opfer von Betrügern, traumatisiert durch ihren Verlust (des Geldes), der massive Auswirkungen auf sie und ihr Leben hat. Plötzlich steht sie aber auf der anderen Seite, tut anderen dasselbe an, das ihr angetan wurde. Ihre seelische Pein, wachsender Selbsthass und Abscheu lassen sich an den immer tiefer einfallenden Augen ablesen. Bis nur noch ein schwarzes Nichts bleibt, deprimierend, hoffnungslos, final.
Zum anderen ist der Film auch eine Sozial(struktur)studie des heutigen Bulgariens, der genau diese wiedergegebene Tristesse verwendet, um harsche Sozialkritik zu üben: Komandarev zeichnet eine zerfallende Gesellschaft, in der sich am Ende jeder selbst der Nächste ist, in der es keine Hoffnung gibt, in der es ums Überleben und nicht ums Leben geht. Eine Gesellschaft, die den Übergang vom Kommunismus zum Kapitalismus nicht geschafft hat. "Das ist die Marktwirtschaft", sagt der Bestatter zu Blaga, als es einen anderen Bieter für ihren Grabplatz gibt, der schneller zahlen kann und damit als Kunde attraktiver erscheint. "Eine andere Art von Krieg" nennt hingegen Blaga selbst den Zustand der bulgarischen Gesellschaft gegenüber einer ihrer privaten Bulgarisch-Schülerinnen, die aus einem benachbarten Kriegsgebiet stammt.
Stilistisch bewegt sich "Eine Frage der Würde" auf solidem Niveau, wenngleich der Fokus eindeutig auf dem Drehbuch, der (packenden) Dramaturgie und der Hauptfigur liegt. Komandarev vermittelt durch seine oft mit wackeliger Handkamera eingefangenen Bilder, durch die Großaufnahmen des Gesichts der Protagonistin Intimität. Man ist allein mit Blaga und ihrer Verzweiflung, die wiederum ist irgendwann nur noch allein mit sich selbst. Ein schwarzes Loch, ein dunkler Sog der Hoffnungslosigkeit, der sich natürlich auch auf den Zuschauer überträgt. Das ist keine Kritik, sondern Lob an den Regisseur, ein Gefühl absoluter auswegloser Agonie so gekonnt dargestellt zu haben. Zugleich ist es eine Warnung: Freunde fröhlicher Komödien, Fans von Filmen, die gute Laune verbreiten, einen "abschalten lassen" und zarte Gemüter sollten von "Eine Frage der Würde" unbedingt die Finger lassen.
Fazit: Ein einziges Schwarz: Stephan Komandarev schließt seine Trilogie über das heutige Bulgarien mit einer düsteren Mischung aus psychologischer Charakterstudie und kritischer Sozialstudie ab, die sich wie Blei auf die Seele legt. Doch wer von Trier und Haneke mag, wird auch daran große "Freude" finden können.
Christian Klosz
TrailerAlle "Eine Frage der Würde"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Eine Frage der Würde"
Land: Bulgarien, DeutschlandJahr: 2023
Genre: Drama
Originaltitel: Urotcite na Blaga
Länge: 100 Minuten
Kinostart: 25.01.2024
Regie: Stephan Komandarev
Darsteller: Eli Skorcheva, Gerasim Georgiev, Stefan Denolyubov als Friedhof, Ivan Barnev als Police Detektiv, Ivaylo Hristov als Polizei Beamter in Rente
Kamera: Vesselin Hristov
Verleih: JIP Film und Verleih