Führer und Verführer (2023)
Deutsches Dokudrama, das versucht, die Propaganda der Nationalsozialisten als solche zu entlarven.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 4 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Dass Adolf Hitler privat ganz anders sprach als bei öffentlichen Auftritten, ist logisch, mag einigen sogar aus dem Schulunterricht bekannt sein, wird die meisten aber dennoch verblüffen. Der neue Film des Regisseurs Joachim A. Lang ("Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm") steigt mit der einzig bekannten Privataufnahme von Hitlers Stimme ein und macht daran seine Hauptthese fest: Jeder öffentliche Auftritt der Nationalsozialisten war eine Inszenierung. Mit einem Blick hinter die Kulissen des Propagandaapparats der Nazis möchte Lang seinem Publikum die Augen für die Anfälligkeit der Massen gegenüber (heutiger) Propaganda öffnen.
Dafür greift Lang zu einer Mischform aus Spiel- und Dokumentarfilm. Während Spielszenen die Zeit zwischen März 1938 und Mai 1945 nacherzählen, dienen eingestreute Archivaufnahmen sowie Interviews mit Zeitzeugen wie Margot Friedländer und Charlotte Knobloch als einordnendes Korrektiv. Im Zentrum der Spielhandlung steht das Verhältnis zwischen Adolf Hitler (Fritz Karl), Propagandaminister Joseph Goebbels (Robert Stadlober) und dessen Frau Magda Goebbels (Franziska Weisz).
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Filmkritik
"Führer und Verführer": Propaganda als One-Man-Show
Wenn ein Regisseur den eigenen Film als "unverzichtbares Wagnis" bezeichnet, läuft er Gefahr, sich selbst und sein Werk zu wichtig zu nehmen. Und in der Tat lagen Anspruch und Wirklichkeit bei einem Film selten weiter auseinander als bei diesem. Joachim A. Langs Anspruch ist es, "das Unbegreifbare zu begreifen, das Nichtverstehbare zu verstehen und das Unzeigbare zu zeigen", wie er es in einer Director's Note zu seinem Dokudrama "Führer und Verführer" formuliert. Gemeint sind damit die Verbrechen der Nationalsozialisten sowie die Antwort auf die Frage, wie diese möglich waren. Um diesen Anspruch Wirklichkeit werden zu lassen, ist Langs Meinung nach eines unabdinglich: "die größten Verbrecher der Menschheit als das zeigen, was sie sind: Menschen aus Fleisch und Blut."
Ungeachtet dessen, wie gewagt diese Vermenschlichung letzten Endes überhaupt ist, es ist zumindest löblich, dass Lang die Führungsriege um Adolf Hitler nicht wie aus so vielen anderen Filmen gewohnt "als plakative Dämonen und als eindimensionale Psychopathen" darstellt. Das griffe nicht nur psychologisch zu kurz, Lang geht recht in der Annahme, dass sich das Publikum durch solche Darstellungen "bequem von ihnen distanzieren könne[n]". Die Wirklichkeit von Langs Film wird den eigenen Ansprüchen allerdings nicht gerecht. Zum einen ist das Schauspiel, allen voran das von Robert Stadlober in der Rolle des Joseph Goebbels, so aufgesetzt, dass die Nazi-Granden eben gerade nicht wie Menschen aus Fleisch und Blut erscheinen, sondern wie hölzerne Marionetten, von denen man sich nicht nur bequem distanzieren kann, sondern bei denen man sich zusehends die Frage stellt, wer eigentlich deren Fäden zieht. Und zum anderen bleibt Langs Film die alles entscheidende Frage nach dem Warum schuldig.
Verengter Blick
Warum folgten die Massen Hitler? Allein an Goebbels' Propaganda kann es nicht gelegen haben. Und doch legt Langs Film dies (zumindest indirekt) nahe, da er in seiner Absicht, die Menschen hinter der Nazi-Fassade zu zeigen, die Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – bei all dem mitmarschierten, überhaupt nicht in den Blick nimmt. Wie Goebbels' Propaganda funktioniert, das führt dieser Film anschaulich vor Augen. Und auch wenn der Regisseur selbst in diesem Punkt nicht alles richtig macht, den Minister etwa fast alles allein ausklügeln lässt und auf diese Weise, wenn schon nicht zu einem Dämon oder Psychopathen, dann doch immerhin zu einem Genie überhöht, so ist dieses Vorführen der Propaganda-Mechanismen die große Stärke eines ansonsten furchtbar missratenen Films. Denn die Frage, weshalb die Propaganda funktionierte, bleibt auch nach dem Filmende unbeantwortet.
Was völlig fehlt, ist der Blick auf die Ideologie dahinter und auf den Nährboden, auf den diese fiel. Hier geht der Film seiner eigenen Prämisse auf den Leim. In der guten Absicht, vor der Macht der Propaganda zu mahnen, misst er ihr zu viel Macht bei. Sicher: Die Gleichschaltung der Medien kann als Machtinstrument gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Und trotzdem: Selbst eine auf allen Kanälen abgefeuerte Propaganda verfängt nicht, wenn sie auf ein aufgeklärtes, skeptisches, kritisches und ablehnendes Publikum trifft. Statt sich ausschließlich und langatmig mit den Demagogen zu befassen, Hitler als Gesundheitsapostel zu inszenieren und Goebbels beinahe schon als dessen Stimme der Vernunft, wäre eine ausführlichere und ehrlichere Beschäftigung mit den "einfachen" Menschen, dem kleinen Mann und der kleinen Frau vonnöten gewesen.
Ein Film, dessen hehres Ziel es ist, mithilfe der Gefahren der Vergangenheit auf Gefahren unserer Gegenwart hinzuweisen, der darf bei der Propaganda nicht haltmachen. Er muss sich auch der Gesellschaft annehmen und aufzeigen, weshalb gerade diese Gesellschaft so anfällig dafür ist.
Fazit: Das Dokudrama "Führer und Verführer" hat ein hehres Ziel, das es verfehlt. Die Mechanismen der Propaganda der Nationalsozialisten mag der Regisseur Joachim A. Lang mit seinem Film zwar aufzeigen. Sein Film gerät dabei aber (unfreiwillig) zu Joseph Goebbels' One-Man-Show. Hölzern gespielt und auf Guido-Knopp-Niveau inszeniert, bleibt der Erkenntnisgewinn gering. Warum die Propaganda funktionierte, bleibt zudem eine sträflich vernachlässigte Frage.
Wenn ein Regisseur den eigenen Film als "unverzichtbares Wagnis" bezeichnet, läuft er Gefahr, sich selbst und sein Werk zu wichtig zu nehmen. Und in der Tat lagen Anspruch und Wirklichkeit bei einem Film selten weiter auseinander als bei diesem. Joachim A. Langs Anspruch ist es, "das Unbegreifbare zu begreifen, das Nichtverstehbare zu verstehen und das Unzeigbare zu zeigen", wie er es in einer Director's Note zu seinem Dokudrama "Führer und Verführer" formuliert. Gemeint sind damit die Verbrechen der Nationalsozialisten sowie die Antwort auf die Frage, wie diese möglich waren. Um diesen Anspruch Wirklichkeit werden zu lassen, ist Langs Meinung nach eines unabdinglich: "die größten Verbrecher der Menschheit als das zeigen, was sie sind: Menschen aus Fleisch und Blut."
Ungeachtet dessen, wie gewagt diese Vermenschlichung letzten Endes überhaupt ist, es ist zumindest löblich, dass Lang die Führungsriege um Adolf Hitler nicht wie aus so vielen anderen Filmen gewohnt "als plakative Dämonen und als eindimensionale Psychopathen" darstellt. Das griffe nicht nur psychologisch zu kurz, Lang geht recht in der Annahme, dass sich das Publikum durch solche Darstellungen "bequem von ihnen distanzieren könne[n]". Die Wirklichkeit von Langs Film wird den eigenen Ansprüchen allerdings nicht gerecht. Zum einen ist das Schauspiel, allen voran das von Robert Stadlober in der Rolle des Joseph Goebbels, so aufgesetzt, dass die Nazi-Granden eben gerade nicht wie Menschen aus Fleisch und Blut erscheinen, sondern wie hölzerne Marionetten, von denen man sich nicht nur bequem distanzieren kann, sondern bei denen man sich zusehends die Frage stellt, wer eigentlich deren Fäden zieht. Und zum anderen bleibt Langs Film die alles entscheidende Frage nach dem Warum schuldig.
Verengter Blick
Warum folgten die Massen Hitler? Allein an Goebbels' Propaganda kann es nicht gelegen haben. Und doch legt Langs Film dies (zumindest indirekt) nahe, da er in seiner Absicht, die Menschen hinter der Nazi-Fassade zu zeigen, die Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – bei all dem mitmarschierten, überhaupt nicht in den Blick nimmt. Wie Goebbels' Propaganda funktioniert, das führt dieser Film anschaulich vor Augen. Und auch wenn der Regisseur selbst in diesem Punkt nicht alles richtig macht, den Minister etwa fast alles allein ausklügeln lässt und auf diese Weise, wenn schon nicht zu einem Dämon oder Psychopathen, dann doch immerhin zu einem Genie überhöht, so ist dieses Vorführen der Propaganda-Mechanismen die große Stärke eines ansonsten furchtbar missratenen Films. Denn die Frage, weshalb die Propaganda funktionierte, bleibt auch nach dem Filmende unbeantwortet.
Was völlig fehlt, ist der Blick auf die Ideologie dahinter und auf den Nährboden, auf den diese fiel. Hier geht der Film seiner eigenen Prämisse auf den Leim. In der guten Absicht, vor der Macht der Propaganda zu mahnen, misst er ihr zu viel Macht bei. Sicher: Die Gleichschaltung der Medien kann als Machtinstrument gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Und trotzdem: Selbst eine auf allen Kanälen abgefeuerte Propaganda verfängt nicht, wenn sie auf ein aufgeklärtes, skeptisches, kritisches und ablehnendes Publikum trifft. Statt sich ausschließlich und langatmig mit den Demagogen zu befassen, Hitler als Gesundheitsapostel zu inszenieren und Goebbels beinahe schon als dessen Stimme der Vernunft, wäre eine ausführlichere und ehrlichere Beschäftigung mit den "einfachen" Menschen, dem kleinen Mann und der kleinen Frau vonnöten gewesen.
Ein Film, dessen hehres Ziel es ist, mithilfe der Gefahren der Vergangenheit auf Gefahren unserer Gegenwart hinzuweisen, der darf bei der Propaganda nicht haltmachen. Er muss sich auch der Gesellschaft annehmen und aufzeigen, weshalb gerade diese Gesellschaft so anfällig dafür ist.
Fazit: Das Dokudrama "Führer und Verführer" hat ein hehres Ziel, das es verfehlt. Die Mechanismen der Propaganda der Nationalsozialisten mag der Regisseur Joachim A. Lang mit seinem Film zwar aufzeigen. Sein Film gerät dabei aber (unfreiwillig) zu Joseph Goebbels' One-Man-Show. Hölzern gespielt und auf Guido-Knopp-Niveau inszeniert, bleibt der Erkenntnisgewinn gering. Warum die Propaganda funktionierte, bleibt zudem eine sträflich vernachlässigte Frage.
Falk Straub
FBW-Bewertung zu "Führer und Verführer"Jurybegründung anzeigen
Das Sprichwort ?Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer? hat aktuell, in einer Zeit, in der ein Krieg in Europa und Nahost herrscht und Extremismus und identitäre Bewegungen auf dem Vormarsch sind, eine besonders bittere Note. Doch auch wenn das [...mehr]TrailerAlle "Führer und Verführer"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Führer und Verführer"
Land: Deutschland, SlowakeiJahr: 2023
Genre: Drama
Länge: 13 Minuten
Kinostart: 11.07.2024
Regie: Joachim Lang
Darsteller: Robert Stadlober als Joseph Goebbels, Fritz Karl als Adolf Hitler, Franziska Weisz als Magda Goebbels, Thomas Anton als Krause, Hitlers Diener, Damien Erminio Ballasina als Michael Gottschalk
Kamera: Klaus Fuxjäger
Verleih: Wild Bunch