Die Ermittlung (2023)
Die Ermittlung. Oratorium in elf Gesängen
Der Filmregisseur RP Kahl hat ein bekanntes Theaterstück von Peter Weiss fürs Kino adaptiert.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Noch bevor das Theaterstück "Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen" am 19. Oktober 1965 uraufgeführt wurde, erregte es die Gemüter. Ein Vorabdruck des Textes wurde im deutschsprachigen Feuilleton hitzig diskutiert. Dennoch oder vielleicht auch gerade deswegen war es mit insgesamt zwölf Inszenierungen in der Spielzeit 1965/1966 das meistgespielte zeitgenössische Bühnenstück in der Bundesrepublik.
Der Dramatiker Peter Weiss (1916–1982) behandelte darin den ersten Frankfurter Auschwitzprozess, der erst im August 1965 zu Ende gegangen war. Sein Stück ist in einem dokumentarischen Stil mit emotionslosen Figuren verfasst und sieht ein sachlich nüchternes Bühnenbild vor. Der Regisseur RP Kahl hat es knapp 60 Jahre nach seiner Uraufführung fürs Kino verfilmt.
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Filmkritik
"Die Ermittlung": Wirkungsvolle Erinnerungsarbeit
Spätestens seit William Faulkner wissen wir, dass das Vergangene nie tot, ja nicht einmal vergangen ist. Mit der Vergangenheitsbewältigung verhält es sich genauso. Sie fängt in jeder neuen Generation von vorne an, wie sehr deren Vertreter auch darüber stöhnen mögen. Dass dieses Unbehagen über die Beschäftigung mit der Vergangenheit nichts Neues ist, dass offenbart ein Blick in selbige. Keine zwanzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs forderten einige der entscheidend am Holocaust beteiligten Täter sinngemäß, dass mit diesen verjährten Vorwürfen nun doch endlich einmal Schluss sein müsse.
Aus heutiger Perspektive scheint das ungeheuerlich! Angesichts des geschichtsvergessenen, -klitternden und -leugnenden Weltbilds der global erstarkenden politischen Rechten könnte man aber auch den Eindruck gewinnen, dass ein solch katastrophaler Umgang mit der eigenen Vergangenheit zunehmend salonfähig wird. Umso wichtiger ist es in diesen Tagen daher, sich die Verfilmung von Peter Weiss' Theaterstück "Die Ermittlung" anzusehen.
Nüchternheit schärft den Blick
Der Regisseur RP Kahl ("Angel Express", "Bedways", "A Thought of Ecstasy") bleibt nah an der Vorlage. Die von Weiss' intendierte Nüchternheit des Bühnenraums setzt er durch ein karges, jederzeit als Bühne erkennbares Set um. Dem von Rainer Bock gegebenen Richter sitzen der von Clemens Schick verkörperte Ankläger und der von Bernhard Schütz gespielte Verteidiger gegenüber. Im Hintergrund haben die Schauspieler, die die 18 Angeklagten darstellen, in zwei aufsteigenden Sitzreihen Platz genommen. Über elf bzw. in der gekürzten Version nur über acht Gesänge verteilt, treten nacheinander Zeugen ans Mikrofon, die ihre Erfahrungen im Vernichtungslager Auschwitz ungeregt zu Protokoll geben. Unter den insgesamt 60 Schauspielerinnen und Schauspielern finden sich so prominente Namen wie Christiane Paul, André Hennicke, Nicolette Krebitz, Peter Lohmeyer, Sabine Timoteo und Tom Wlaschiha.
Von der langen Laufzeit von 180 Minuten (bei acht Gesängen) bzw. 240 Minuten (bei elf Gesängen) sollte sich das Publikum nicht abschrecken lassen, denn "Die Ermittlung" ist unbedingt sehenswert. Der nüchterne Stil trägt dazu bei, die eigenen Emotionen beiseitezulassen und sich vollumfänglich auf die Aussagen von Zeugen und Anklage auf der einen sowie Tätern und Verteidigung auf der anderen Seite zu konzentrieren. Schnell kristallisiert sich heraus, dass es durchaus möglich gewesen wäre, Widerstand zu leisten und wie sehr das Nazi-Regime auf mehr als nur die sogenannten Mitläufer angewiesen war.
Die schiere Unverfrorenheit, Ruchlosigkeit und Perfidität, mit der die Täter sich wahlweise nicht mehr erinnern können, sich schamlos herausreden oder gar zu Opfern stilisieren, sagt nicht nur viel darüber aus, wie es überhaupt erst zum Holocaust kommen konnte. Peter Weiss' Theaterstück und RP Kahls Verfilmung machen auch rhetorische Strategien sichtbar, die bis heute im politischen Diskurs gebräuchlich sind. Damit gelingt Kahl, was dem Regisseur Joachim A. Lang mit seinem Film "Führer und Verführer" missglückt. Nicht zuletzt ruft Kahl zudem in Erinnerung, wie viele der Täter, ohne sich je oder erst sehr spät für ihre Taten verantworten zu müssen, einfach vom Nationalsozialismus in den bundesrepublikanischen Alltag hinübergewechselt sind.
Fazit: Mit seinem neuen Film gelingt Regisseur RP Kahl Bedeutsames. Seine nüchterne und dadurch umso wirkmächtigere Adaption von Peter Weiss' gleichnamigem Theaterstück ist ein Appell, die Vergangenheitsbewältigung niemals ruhen zu lassen und angesichts der globalen politischen Lage dringlicher denn je.
Spätestens seit William Faulkner wissen wir, dass das Vergangene nie tot, ja nicht einmal vergangen ist. Mit der Vergangenheitsbewältigung verhält es sich genauso. Sie fängt in jeder neuen Generation von vorne an, wie sehr deren Vertreter auch darüber stöhnen mögen. Dass dieses Unbehagen über die Beschäftigung mit der Vergangenheit nichts Neues ist, dass offenbart ein Blick in selbige. Keine zwanzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs forderten einige der entscheidend am Holocaust beteiligten Täter sinngemäß, dass mit diesen verjährten Vorwürfen nun doch endlich einmal Schluss sein müsse.
Aus heutiger Perspektive scheint das ungeheuerlich! Angesichts des geschichtsvergessenen, -klitternden und -leugnenden Weltbilds der global erstarkenden politischen Rechten könnte man aber auch den Eindruck gewinnen, dass ein solch katastrophaler Umgang mit der eigenen Vergangenheit zunehmend salonfähig wird. Umso wichtiger ist es in diesen Tagen daher, sich die Verfilmung von Peter Weiss' Theaterstück "Die Ermittlung" anzusehen.
Nüchternheit schärft den Blick
Der Regisseur RP Kahl ("Angel Express", "Bedways", "A Thought of Ecstasy") bleibt nah an der Vorlage. Die von Weiss' intendierte Nüchternheit des Bühnenraums setzt er durch ein karges, jederzeit als Bühne erkennbares Set um. Dem von Rainer Bock gegebenen Richter sitzen der von Clemens Schick verkörperte Ankläger und der von Bernhard Schütz gespielte Verteidiger gegenüber. Im Hintergrund haben die Schauspieler, die die 18 Angeklagten darstellen, in zwei aufsteigenden Sitzreihen Platz genommen. Über elf bzw. in der gekürzten Version nur über acht Gesänge verteilt, treten nacheinander Zeugen ans Mikrofon, die ihre Erfahrungen im Vernichtungslager Auschwitz ungeregt zu Protokoll geben. Unter den insgesamt 60 Schauspielerinnen und Schauspielern finden sich so prominente Namen wie Christiane Paul, André Hennicke, Nicolette Krebitz, Peter Lohmeyer, Sabine Timoteo und Tom Wlaschiha.
Von der langen Laufzeit von 180 Minuten (bei acht Gesängen) bzw. 240 Minuten (bei elf Gesängen) sollte sich das Publikum nicht abschrecken lassen, denn "Die Ermittlung" ist unbedingt sehenswert. Der nüchterne Stil trägt dazu bei, die eigenen Emotionen beiseitezulassen und sich vollumfänglich auf die Aussagen von Zeugen und Anklage auf der einen sowie Tätern und Verteidigung auf der anderen Seite zu konzentrieren. Schnell kristallisiert sich heraus, dass es durchaus möglich gewesen wäre, Widerstand zu leisten und wie sehr das Nazi-Regime auf mehr als nur die sogenannten Mitläufer angewiesen war.
Die schiere Unverfrorenheit, Ruchlosigkeit und Perfidität, mit der die Täter sich wahlweise nicht mehr erinnern können, sich schamlos herausreden oder gar zu Opfern stilisieren, sagt nicht nur viel darüber aus, wie es überhaupt erst zum Holocaust kommen konnte. Peter Weiss' Theaterstück und RP Kahls Verfilmung machen auch rhetorische Strategien sichtbar, die bis heute im politischen Diskurs gebräuchlich sind. Damit gelingt Kahl, was dem Regisseur Joachim A. Lang mit seinem Film "Führer und Verführer" missglückt. Nicht zuletzt ruft Kahl zudem in Erinnerung, wie viele der Täter, ohne sich je oder erst sehr spät für ihre Taten verantworten zu müssen, einfach vom Nationalsozialismus in den bundesrepublikanischen Alltag hinübergewechselt sind.
Fazit: Mit seinem neuen Film gelingt Regisseur RP Kahl Bedeutsames. Seine nüchterne und dadurch umso wirkmächtigere Adaption von Peter Weiss' gleichnamigem Theaterstück ist ein Appell, die Vergangenheitsbewältigung niemals ruhen zu lassen und angesichts der globalen politischen Lage dringlicher denn je.
Falk Straub
FBW-Bewertung zu "Die Ermittlung"Jurybegründung anzeigen
Das Drama DIE ERMITTLUNG - basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück von Peter Weiss - schildert die Auschwitz-Prozesse anhand detaillierter Protokolle. Im Mittelpunkt stehen ein Richter, ein Verteidiger und ein Ankläger, die während der [...mehr]TrailerAlle "Die Ermittlung"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Die Ermittlung"
Land: DeutschlandJahr: 2023
Genre: Drama
Originaltitel: Die Ermittlung. Oratorium in elf Gesängen
Länge: 180 Minuten
Kinostart: 25.07.2024
Regie: Rolf Peter Kahl
Darsteller: Christiane Paul als Zeugin 9, Andreas Pietschmann als Zeuge 37, Clemens Schick als Ankläger, Karl Markovics als Zeuge 26, Rainer Bock als Richter
Kamera: Guido Frenzel
Verleih: Leonine Distribution
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