oder

Forever Young (2022)

Les Amandiers

Französische Tragikomödie von Valeria Bruni Tedeschi, in der die Schauspielerin und Regisseurin ihre Erinnerungen an ihre Ausbildung am Theater verarbeitet.Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 5 / 5
User-Film-Bewertung [?]: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 5.0 / 5

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Paris in den 1980er-Jahren: Jeder angehende Schauspieler, der etwas auf sich hält, will einen Platz an der von Patrice Chéreau (Louis Garrel) geleiteten Schauspielschule des Théâtre des Amandiers im Pariser Vorort Nanterre ergattern. Die aus wohlhabenden Verhältnissen stammende Stella (Nadia Tereszkiewicz) gibt beim Vorsprechen unter den prüfenden Augen von Pierre Romans (Micha Lescot), dem Leiter der Schauspielabteilung, und dessen Kollegen alles. Die übrigen Eleven, darunter die grazil-skurrile Adèle (Clara Bretheau), die zu Stellas bester Freundin wird, und der ungestüme Étienne (Sofiane Bennacer), mit dem Stella eine Beziehung beginnt, tun es ihr nach.

Patrice Chéreaus Methoden sind modern. Inspiration holen sich seine Schüler während einer Reise nach New York am Lee Strasberg Theatre and Film Institute. Zurück in Frankreich proben sie unter Chéreaus ausgesprochen eigensinniger Anleitung Anton Tschechows "Platonow" (1880). Pierre Romans studiert derweil mit allen, die es nicht in Chéreaus Inszenierung geschafft haben, Heinrich von Kleists "Penthesilea" (1808) ein. Abseits der Ausbildung stehen wilde Partys auf dem Programm. Je länger die Ausbildung dauert, desto schwerer fällt es den angehenden Schauspielern und ihren Lehrern, Berufs- und Privatleben auseinanderzuhalten.

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"Forever Young": Die Spielwütigen

Im französischen Original heißt die jüngste Regiearbeit der Schauspielerin Valeria Bruni Tedeschi "Les Amandiers", bezeichnet also all jene, die wie sie am Théâtre des Amandier, einer der berühmtesten Pariser Vorstadtbühnen, Schauspiel studiert haben. Dass dieser Titel in Deutschland eher Stirnrunzeln als kenntnisreiches Nicken hervorrufen dürfte, liegt auf der Hand. Den Film hierzulande nun aber als "Forever Young" in die Kinos zu bringen, ist unglücklich. Im Zusammenspiel mit dem Filmplakat, das die Hauptdarsteller Nadia Tereszkiewicz und Sofiane Bennacer eng umschlungen zeigt, entsteht der Eindruck, als handele es sich um die nächste Teenie-Schnulze amerikanischen Zuschnitts. Davon könnte Bruni Tedeschis autobiografisch gefärbte Tragikomödie nicht weiter entfernt sein. Und das ist gut so.

Grenzenlose Leidenschaft

Besser gepasst hätte der Titel "Die Spielwütigen", (doch so heißt bereits ein Dokumentarfilm von Andres Veiel, der vier Schauspielschüler während ihrer Ausbildung begleitet). Denn genau darum geht’s: Um eine Gruppe junger Menschen unterschiedlichster Herkunft, die ihre Leidenschaft vereint. Sie brennen so sehr für die Schauspielerei, dass sie aus jeder Situation einen Auftritt und aus ihrem Leben eine Bühne machen. Und dafür bereit sind, große Opfer zu bringen, Grenzen auszuloten und letzten Endes zu überschreiten.

Grobkörnig und im Format 1,85:1 gefilmt, fängt Schauspielerin Valeria Bruni Tedeschi, die hier zum siebten Mal selbst Regie führt, die 1980er-Jahre mit viel Zeitkolorit ein. Die Glimmstängel gehen nie aus, die Sorge vor einer Aids-Erkrankung geht um. Und im Hintergrund schwingt stets die Gefahr mit, dass aus dem Kalten Krieg ein heißer werden könnte. Angesichts dessen kennen die Adoleszenten, von denen einige bereits junge Eltern sind, kein Morgen. Möglicher Konsequenzen unbedacht treibt es jeder mit jedem und wird hinter der Bühne munter gekokst und gefixt. Bis die Grenzen zwischen Privatem und Beruflichem, zwischen Lehrern und Schülern bis zur Unkenntlichkeit verschwimmen.

Süßer Vogel Jugend

Die Handlung, die Bruni Tedeschi gemeinsam mit ihren zwei Co-Drehbuchautorinnen Noémie Lvovsky und Agnès de Sacy geschrieben hat, ist mitunter so fahrig wie die Figuren. In diesem Fall ist das aber keine Schwäche, sondern die besondere Qualität des Films. So gut wie Bruni Tedeschi ist es selten jemandem gelungen, das Lebensgefühl und die Aufbruchstimmung einer Jugend auf Film zu bannen.

Die auf ihren eigenen und den Erinnerungen ihrer damaligen Kollegen basierende, fiktional jedoch weitergesponnene Geschichte entführt das Publikum in eine Zeit und eine kulturelle Szene, in der alles möglich schien, die Vorboten einer bleiernen Wende und kommender Tode aber allerorten zu sehen sind. (Der als künstlerische Freiheit missverstandene Machtmissbrauch weist zudem auf die Gegenwart mit ihrer #MeToo-Debatte voraus.) Wiederholt findet die Autorenfilmerin dafür wundervoll erdachte und kinetisch umgesetzte Szenen, etwa die, in der Stella & Co. auf ihrem Weg durch Paris eine Reihe roter Verkehrsampeln überfahren, als gälten für sie keine Regeln. Von der Geschwindigkeit und der Gefahr besoffen, gibt es für manche in diesem Film kein Halten, bis das Leben ein für alle Mal stoppt.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge

Gemessen am Thema wirft Valeria Bruni Tedeschi all das zwar recht züchtig, aber eben auch mit so viel Verve und Esprit auf die Leinwand, dass es eine wahre Freude und ein purer Adrenalinstoß ist, diesen Spielwütigen zuzusehen. Lachen und Weinen liegen dabei stets nur einen Wimpernschlag voneinander entfernt. Wie locker-leicht Bruni Tedeschi beide miteinander vereint und mit ihrem perfekt zusammengestellten und umwerfend aufspielenden Ensemble wiederholt beweist, das großartiges Schauspiel sowohl in den lauten wie in den leisen Momenten zu finden ist, ist ganz große Kunst.

Fazit: In ihrer siebten, biografisch eingefärbten und mit großartigen Schauspielern gespickten Regiearbeit entführt Valeria Bruni Tedeschi ihr Publikum an eine berühmte Schauspielschule in den 1980er-Jahren. Selten fing ein Film ein Jugendgefühl so authentisch ein. "Forever Young" ist ein fahriges Filmerlebnis: adrenalingetränkt, mitreißend und zutiefst bewegend.




Besetzung & Crew von "Forever Young"

Land: Frankreich, Italien
Jahr: 2022
Genre: Drama, Komödie
Originaltitel: Les Amandiers
Länge: 126 Minuten
Kinostart: 17.08.2023
Regie: Valeria Bruni Tedeschi
Darsteller: Nadia Tereszkiewicz als Stella, Sofiane Bennacer als Étienne, Louis Garrel als Patrice Chéreau, Micha Lescot als Pierre Romans, Clara Bretheau als Ad?le
Kamera: Julien Poupard
Verleih: Neue Visionen



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