Letzter Abend (2023)
In diesem preisgekrönten Langfilmdebüt führt Regisseur Lukas Nathrath durch ein Abschiedsessen, an dessen Ende die Nerven blank liegen.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 9 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Lisa (Pauline Werner) und Clemens (Sebastian Jakob Doppelbauer) wagen einen Neuanfang. Bis auf die Bücher im Arbeitszimmer haben sie ihre sieben Sachen in ihrer Altbauwohnung in Hannover gepackt. Nach einem letzten Abendessen mit Freunden geht es nach Berlin, wo Lisa eine Stelle als Ärztin in der Charité antritt. Als freischaffender Singer-Songwriter kann Clemens von überall aus arbeiten. In Berlin erhofft er sich zudem mehr Möglichkeiten, seine Musik, mit der er nach längerer Pause wieder angefangen hat, an den Mann zu bringen.
Doch aus einem beschaulichen Abend wird nichts. Erst sagen Freunde ab, dann lädt sich Katharina (Susanne Dorothea Schneider), die Nachbarin von oben, selbst ein und Clemens bringt die wildfremde Backpackerin Valerie (Isabelle von Stauffenberg) von einer Raucherpause aus dem Innenhof mit in die Wohnung. Die ohnehin schon angespannte Lage spitzt sich zu, als Lisas Kollege Jan (Julius Forster) ihr seine Gefühle gesteht und sich gemeinsam mit Lisas Bruder Aaron (Valentin Richter) auf Clemens Kumpel Marcel (Nikolai Gemel), einen skandalträchtigen Theaterstar, einschießt.
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Filmkritik
"Letzter Abend": Abschiedsessen und andere Schwierigkeiten
Die Filmgeschichte ist reich an Werken, die ums Essen kreisen. Manche davon sind kulinarisch; sie zelebrieren die Zubereitung und lassen die Gemüter allenfalls in der Küche hochkochen. Andere sind psychologisch; bei ihnen dreht sich alles um den Verzehr und was er bei den Konsumenten freilegt. In ihnen kommt die Wahrheit nicht am Herd, sondern vor geladenen Gästen auf den Tisch. Zu dieser Gruppe (die sich besonders in den USA großer Beleibtheit erfreut, weil an den Fest- und Feiertagen weit verstreute Familienmitglieder und deren oft konträre Ansichten mal komisch und mal tragisch aufeinanderprallen) zählt "Letzer Abend", der von einem Abschiedsessen erzählt, das es in sich hat.
Ein Abendessen ins Zentrum eines Films zu stellen, bringt Vor- und Nachteile mit sich. Ensemble, Drehorte, Logistik und Kosten bleiben überschaubar. Für ein Langfilmdebüt wie "Letzer Abend", dessen Handlung überdies in der Corona-Zeit angesiedelt ist, war dies sicherlich ein nicht unerheblicher Faktor. Speisen und Getränke auf dem Tisch bergen indes die Gefahr von Anschlussfehlern. Und je nach gewählter Örtlichkeit sieht diese Überschaubarkeit auf der großen Leinwand schnell bescheiden aus. Wie in allen Kammerspielen kommt es also auch bei den um einen Esstisch gruppierten in erster Linie auf die Dialoge, die Dramaturgie und die Leistungen des Ensembles an. Hier weiß "Letzter Abend" durchaus zu punkten.
Eine angespannte Angelegenheit voller Übersprungshandlungen
In nur sieben Tagen im August 2020 in einer Hannoveraner Altbauwohnung gedreht, gibt die Location nicht viel her. Kinotaugliche Bilder sind dort nicht zu finden. Und Philip Jestädts vor allem in den Anfangsminuten überagile Kamera, die sich wie ein weiterer, das Geschehen ausspionierender Protagonist durch die Räume bewegt, wirft einen mehr aus dem Geschehen, als sie einen in dieses hineinzieht. Womit Regisseur Lukas Nathrath und sein Co-Autor und Hauptdarsteller Sebastian Jakob Doppelbauer jedoch zu überzeugen wissen, ist ihr präziser Blick auf persönliche und gesellschaftliche Befindlichkeiten.
In einer Wohlstandsblase angesiedelt, geht es zwar keiner der Figuren wirklich schlecht, finanzielle Mittel, sozialer Status und politische Ansichten variieren aber so sehr, dass ausreichend Konfliktpotenzial vorhanden ist. Nathrath gelingt es ausgezeichnet, die von Anfang an angespannte Lage, zahlreiche daraus resultierende Übersprungshandlungen und die unvermeidliche Explosion mitreißend einzufangen. Was dem Drehbuchduo ebenso glückt, ist eine glaubwürdige Figurenzeichnung. Bei "Letzter Abend" beschleicht einen das seltene Gefühl, jedem der Gäste schon einmal im eigenen Leben begegnet zu sein.
Berlin Calling: Ein Sehnsuchtsort entlarvt den schönen Schein
Im Kern der Handlung steht die Beziehung von Lisa und Clemens, die trotz aller Bemühungen nicht mehr zu kitten ist. Ihr Umzug nach Berlin, jenem Sehnsuchtsort so vieler, die sich davon ein neues, freieres, aufregenderes oder schlicht anderes Leben versprechen, ist der letzte Versuch, ihre Beziehung zu retten. Berlin ist aber auch viel Schein; eine Stadt voller Menschen, die vorgeben, etwas zu sein, was sie nicht sind. Ein Umzug dorthin wird nichts ändern, wenn sich die dorthin Ziehenden nicht ändern wollen oder können.
Drumherum geht es um den gesellschaftlichen Kitt, der mehr Risse hat, als einem lieb sein mag. Es sind Risse, derer man oft nicht gewahr wird, weil es zum guten Ton gehört, nicht mit dem Finger auf sie zu zeigen. Während des Abendessens kommen sie zum Vorschein, wie Gast um Gast seine Maske fallen lässt und sein wahre Ich offenbart.
Fazit: Das Langfilmdebüt des Regisseurs Lukas Nathrath ist ein intensives Kammerspiel, das durch seine glaubwürdige Figurenzeichnung und die Leistungen des Ensembles besticht. Dafür wurde Nathrath beim Filmfestival Max Ophüls Preis mit der Auszeichnung für die beste Regie bedacht. Inszenatorisch ist in diesem vielversprechenden Debüt allerdings noch Luft nach oben.
Die Filmgeschichte ist reich an Werken, die ums Essen kreisen. Manche davon sind kulinarisch; sie zelebrieren die Zubereitung und lassen die Gemüter allenfalls in der Küche hochkochen. Andere sind psychologisch; bei ihnen dreht sich alles um den Verzehr und was er bei den Konsumenten freilegt. In ihnen kommt die Wahrheit nicht am Herd, sondern vor geladenen Gästen auf den Tisch. Zu dieser Gruppe (die sich besonders in den USA großer Beleibtheit erfreut, weil an den Fest- und Feiertagen weit verstreute Familienmitglieder und deren oft konträre Ansichten mal komisch und mal tragisch aufeinanderprallen) zählt "Letzer Abend", der von einem Abschiedsessen erzählt, das es in sich hat.
Ein Abendessen ins Zentrum eines Films zu stellen, bringt Vor- und Nachteile mit sich. Ensemble, Drehorte, Logistik und Kosten bleiben überschaubar. Für ein Langfilmdebüt wie "Letzer Abend", dessen Handlung überdies in der Corona-Zeit angesiedelt ist, war dies sicherlich ein nicht unerheblicher Faktor. Speisen und Getränke auf dem Tisch bergen indes die Gefahr von Anschlussfehlern. Und je nach gewählter Örtlichkeit sieht diese Überschaubarkeit auf der großen Leinwand schnell bescheiden aus. Wie in allen Kammerspielen kommt es also auch bei den um einen Esstisch gruppierten in erster Linie auf die Dialoge, die Dramaturgie und die Leistungen des Ensembles an. Hier weiß "Letzter Abend" durchaus zu punkten.
Eine angespannte Angelegenheit voller Übersprungshandlungen
In nur sieben Tagen im August 2020 in einer Hannoveraner Altbauwohnung gedreht, gibt die Location nicht viel her. Kinotaugliche Bilder sind dort nicht zu finden. Und Philip Jestädts vor allem in den Anfangsminuten überagile Kamera, die sich wie ein weiterer, das Geschehen ausspionierender Protagonist durch die Räume bewegt, wirft einen mehr aus dem Geschehen, als sie einen in dieses hineinzieht. Womit Regisseur Lukas Nathrath und sein Co-Autor und Hauptdarsteller Sebastian Jakob Doppelbauer jedoch zu überzeugen wissen, ist ihr präziser Blick auf persönliche und gesellschaftliche Befindlichkeiten.
In einer Wohlstandsblase angesiedelt, geht es zwar keiner der Figuren wirklich schlecht, finanzielle Mittel, sozialer Status und politische Ansichten variieren aber so sehr, dass ausreichend Konfliktpotenzial vorhanden ist. Nathrath gelingt es ausgezeichnet, die von Anfang an angespannte Lage, zahlreiche daraus resultierende Übersprungshandlungen und die unvermeidliche Explosion mitreißend einzufangen. Was dem Drehbuchduo ebenso glückt, ist eine glaubwürdige Figurenzeichnung. Bei "Letzter Abend" beschleicht einen das seltene Gefühl, jedem der Gäste schon einmal im eigenen Leben begegnet zu sein.
Berlin Calling: Ein Sehnsuchtsort entlarvt den schönen Schein
Im Kern der Handlung steht die Beziehung von Lisa und Clemens, die trotz aller Bemühungen nicht mehr zu kitten ist. Ihr Umzug nach Berlin, jenem Sehnsuchtsort so vieler, die sich davon ein neues, freieres, aufregenderes oder schlicht anderes Leben versprechen, ist der letzte Versuch, ihre Beziehung zu retten. Berlin ist aber auch viel Schein; eine Stadt voller Menschen, die vorgeben, etwas zu sein, was sie nicht sind. Ein Umzug dorthin wird nichts ändern, wenn sich die dorthin Ziehenden nicht ändern wollen oder können.
Drumherum geht es um den gesellschaftlichen Kitt, der mehr Risse hat, als einem lieb sein mag. Es sind Risse, derer man oft nicht gewahr wird, weil es zum guten Ton gehört, nicht mit dem Finger auf sie zu zeigen. Während des Abendessens kommen sie zum Vorschein, wie Gast um Gast seine Maske fallen lässt und sein wahre Ich offenbart.
Fazit: Das Langfilmdebüt des Regisseurs Lukas Nathrath ist ein intensives Kammerspiel, das durch seine glaubwürdige Figurenzeichnung und die Leistungen des Ensembles besticht. Dafür wurde Nathrath beim Filmfestival Max Ophüls Preis mit der Auszeichnung für die beste Regie bedacht. Inszenatorisch ist in diesem vielversprechenden Debüt allerdings noch Luft nach oben.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Letzter Abend"
Land: DeutschlandJahr: 2023
Genre: Drama, Komödie
Länge: 93 Minuten
Kinostart: 24.08.2023
Regie: Lukas Nathrath
Darsteller: Sebastian Jakob Doppelbauer als Clemens, Pauline Werner als Lisa, Susanne Dorothea Schneider als Katharina, Nikolai Gemel, Isabelle von Stauffenberg als Valerie
Kamera: Philip Jestädt
Verleih: Filmwelt
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