Welcome Venice (2022)
In diesem italienischen Familiendrama von Regisseur Andrea Segre geraten zwei Brüder über eine Erbschaft in Streit...Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben bislang 0 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Die Brüder Toni (Roberto Citran), Alvise (Andrea Pennacchi) und Piero (Paolo Pierobon) leben in Venedig. Während Toni und Piero dem Beruf ihrer Vorfahren treu geblieben sind und ihr Geld als Krabbenfischer verdienen, ist Alvise an der Seite seiner Tochter (Sara Lazzaro) in den Tourismus eingestiegen.
Als Toni bei einem tragischen Unfall ums Leben kommt, rückt das Haus der Familie, in dem neben Tonis Frau (Ottavia Piccolo) auch immer noch Piero wohnt, in Alvises Fokus. Ihm schwebt vor, eine Touristenunterkunft daraus zu machen. Doch Piero schaltet auf stur.
Bildergalerie zum Film "Welcome Venice"
Hier streamen
Filmkritik
"Welcome Venice": Die Leere am Lido
Manche Städte sind untrennbar mit dem Bild verbunden, das wir uns im Kino von ihnen machen. New York City, Chicago und Los Angeles, London, Paris und Rom – selbst, wer noch nie einen Fuß in diese Metropolen gesetzt hat, hat sie schon einmal im Dunkel des Kinosaals bereist.
Auch Venedig zählt dazu, schießen einem beim Gedanken an die Lagunenstadt doch unweigerlich berühmte Szenen der Filmgeschichte in den Kopf: von David Leans "Traum meines Lebens" (1955) über Viscontis "Der Tod in Venedig" (1971) und Roegs "Wenn die Gondeln Trauer tragen" (1973) bis hin zu Spielbergs "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" (1989) und gleich mehreren "James Bond"-Filmen. So wie in Andrea Segres neuem Film hat man den Touristenmagneten allerdings noch nie gesehen; allerhöchstens in einem anderen Film vom selben Regisseur.
Zurück zu den Wurzeln
Andrea Segre ist in Dolo bei Venedig geboren. Doch die Stadt, aus der auch sein Vater stammt, blieb ihm immer fremd. Im Gegensatz zu seinem früh verstorbenen Vater ist er nicht dort aufgewachsen. Venedig – das waren für Segre immer nur Erinnerungen: an die Besuche bei der Großmutter, an die Touristenströme und an den Kampf gegen das Hochwasser. Bereits Segres erster abendfüllender Spielfilm "Venezianische Freundschaft" (2011) war ein Annäherungsversuch an diese Stadt. Danach machte der Regisseur, der seine Karriere mit Dokumentarfilmen begann und dieser Gattung bis heute treu geblieben ist, einen großen Bogen um Venedig ...
… bis das Coronavirus über die Lagune kam und Segre, der dort seinen nächsten Film drehen wollte, feststeckte. Er hat den Lockdown genutzt, um ein außergewöhnliches Zeitdokument zu schaffen, den Dokumentarfilm-Essay "Moleküle der Erinnerung - Venedig wie es niemand kennt" (2021). Dieser philosophischen Sinnsuche in einer Geisterstadt lässt Segre mit "Welcome Venice" nun direkt einen weiteren Film aus Venedig folgen. Mehr noch: Diesmal steigt er noch tiefer ins Thema Familie und Globalisierung ein.
Die Familie als Brennglas der Globalisierung
In "Welcome Venice" ist Venedig nicht mehr ganz so mutterseelenallein wie noch in "Moleküle der Erinnerung". Die Touristen kommen langsam zurück und werden von Alvise (Andrea Pennacchi) und seiner Tochter (Sara Lazzaro) in ihrer Airbnb-Unterkunft willkommen geheißen. Doch zwischendurch finden Segre und sein Kameramann Matteo Calore immer wieder wunderschöne Bilder einer beängstigenden Leere. Segre selbst spricht davon, dass er von einer Stadt erzählen wollte, die "Angst hat, zu verschwinden und nicht weiß, wohin die Zukunft führt, aber dennoch die Kraft findet, zu existieren und zu sich selbst und zur Welt zu sprechen."
Das vom Regisseur gemeinsam mit Marco Pettenello verfasste Drehbuch legt die Figuren geschickt als archetypische Vertreter gegensätzlicher Positionen an. Alvise, von Andrea Pennacchi stets mit einem Hang zum Halbseidenen gespielt, gibt sich weltoffen und großmännisch, kann seine eigene Provinzialität aber nie gänzlich verbergen. An die Weitsicht und das Weltverständnis seiner Tochter reicht er nicht heran. Und seine vermeintliche Progressivität ist in erster Linie kapitalistischer Geschäftssinn. Im Gegensatz zu seinem Bruder Piero, den Paolo Pierobon wunderbar bärbeißig und bodenständig gibt, hat Alvise die Zeichen der Zeit jedoch erkannt. Oder gibt es für Krabbenfischer wie ihn nicht doch eine Zukunft? Segre lässt diese romantische Vorstellung, dass ein solch traditionelles Handwerk nicht zwangsläufig vom Aussterben bedroht ist, zumindest offen.
Fazit: Nach "Moleküle der Erinnerung", einem dokumentarischen Essay über Venedig und die Beziehung zu seinem Vater, kehrt der Filmemacher Andrea Segre ein weiteres Mal an den Lido zurück. Sein mit dokumentarischer Präzision gefilmtes Drama "Welcome Venice" macht die Auswüchse der Globalisierung am Beispiel einer alteingesessenen venezianischen Familie fest.
Manche Städte sind untrennbar mit dem Bild verbunden, das wir uns im Kino von ihnen machen. New York City, Chicago und Los Angeles, London, Paris und Rom – selbst, wer noch nie einen Fuß in diese Metropolen gesetzt hat, hat sie schon einmal im Dunkel des Kinosaals bereist.
Auch Venedig zählt dazu, schießen einem beim Gedanken an die Lagunenstadt doch unweigerlich berühmte Szenen der Filmgeschichte in den Kopf: von David Leans "Traum meines Lebens" (1955) über Viscontis "Der Tod in Venedig" (1971) und Roegs "Wenn die Gondeln Trauer tragen" (1973) bis hin zu Spielbergs "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" (1989) und gleich mehreren "James Bond"-Filmen. So wie in Andrea Segres neuem Film hat man den Touristenmagneten allerdings noch nie gesehen; allerhöchstens in einem anderen Film vom selben Regisseur.
Zurück zu den Wurzeln
Andrea Segre ist in Dolo bei Venedig geboren. Doch die Stadt, aus der auch sein Vater stammt, blieb ihm immer fremd. Im Gegensatz zu seinem früh verstorbenen Vater ist er nicht dort aufgewachsen. Venedig – das waren für Segre immer nur Erinnerungen: an die Besuche bei der Großmutter, an die Touristenströme und an den Kampf gegen das Hochwasser. Bereits Segres erster abendfüllender Spielfilm "Venezianische Freundschaft" (2011) war ein Annäherungsversuch an diese Stadt. Danach machte der Regisseur, der seine Karriere mit Dokumentarfilmen begann und dieser Gattung bis heute treu geblieben ist, einen großen Bogen um Venedig ...
… bis das Coronavirus über die Lagune kam und Segre, der dort seinen nächsten Film drehen wollte, feststeckte. Er hat den Lockdown genutzt, um ein außergewöhnliches Zeitdokument zu schaffen, den Dokumentarfilm-Essay "Moleküle der Erinnerung - Venedig wie es niemand kennt" (2021). Dieser philosophischen Sinnsuche in einer Geisterstadt lässt Segre mit "Welcome Venice" nun direkt einen weiteren Film aus Venedig folgen. Mehr noch: Diesmal steigt er noch tiefer ins Thema Familie und Globalisierung ein.
Die Familie als Brennglas der Globalisierung
In "Welcome Venice" ist Venedig nicht mehr ganz so mutterseelenallein wie noch in "Moleküle der Erinnerung". Die Touristen kommen langsam zurück und werden von Alvise (Andrea Pennacchi) und seiner Tochter (Sara Lazzaro) in ihrer Airbnb-Unterkunft willkommen geheißen. Doch zwischendurch finden Segre und sein Kameramann Matteo Calore immer wieder wunderschöne Bilder einer beängstigenden Leere. Segre selbst spricht davon, dass er von einer Stadt erzählen wollte, die "Angst hat, zu verschwinden und nicht weiß, wohin die Zukunft führt, aber dennoch die Kraft findet, zu existieren und zu sich selbst und zur Welt zu sprechen."
Das vom Regisseur gemeinsam mit Marco Pettenello verfasste Drehbuch legt die Figuren geschickt als archetypische Vertreter gegensätzlicher Positionen an. Alvise, von Andrea Pennacchi stets mit einem Hang zum Halbseidenen gespielt, gibt sich weltoffen und großmännisch, kann seine eigene Provinzialität aber nie gänzlich verbergen. An die Weitsicht und das Weltverständnis seiner Tochter reicht er nicht heran. Und seine vermeintliche Progressivität ist in erster Linie kapitalistischer Geschäftssinn. Im Gegensatz zu seinem Bruder Piero, den Paolo Pierobon wunderbar bärbeißig und bodenständig gibt, hat Alvise die Zeichen der Zeit jedoch erkannt. Oder gibt es für Krabbenfischer wie ihn nicht doch eine Zukunft? Segre lässt diese romantische Vorstellung, dass ein solch traditionelles Handwerk nicht zwangsläufig vom Aussterben bedroht ist, zumindest offen.
Fazit: Nach "Moleküle der Erinnerung", einem dokumentarischen Essay über Venedig und die Beziehung zu seinem Vater, kehrt der Filmemacher Andrea Segre ein weiteres Mal an den Lido zurück. Sein mit dokumentarischer Präzision gefilmtes Drama "Welcome Venice" macht die Auswüchse der Globalisierung am Beispiel einer alteingesessenen venezianischen Familie fest.
Falk Straub
TrailerAlle "Welcome Venice"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Welcome Venice"
Land: ItalienJahr: 2022
Genre: Drama
Länge: 104 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 03.08.2023
Regie: Andrea Segre
Darsteller: Anna Bellato, Roberto Citran, Sara Lazzaro, Samantha Levitt, Giuliana Musso
Kamera: Matteo Calore
Verleih: Kairos Film