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Catch the Killer (2023)

Misanthrope

In diesem US-amerikanischen Serienkiller-Thriller des argentinischen Regisseurs Damián Szifron gehen Shailene Woodley, Ben Mendelsohn und Jovan Adepo auf Verbrecherjagd.Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 5 / 5
User-Film-Bewertung [?]: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 3.7 / 5

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Die Silvesternacht in Baltimore, der größten Stadt im US-Bundesstaat Maryland, ist ausgelassen. Die Bewohner trotzen den eisigen Temperaturen, tanzen dick eingepackt auf Hochhausdächern oder sitzen mit einem Glas Schampus im beheizten Whirlpool. Dann mischt sich mitten ins Feuerwerk ein Schuss, dem weitere folgen. In wenigen Minuten ist der Spuk vorbei, an dessen Ende 29 Menschen ihr Leben verloren haben. Vom Mörder fehlt nicht nur jede Spur, er hat auch keine am Tatort hinterlassen.

FBI-Agent Lammark (Ben Mendelsohn) wird mit den Ermittlungen betraut und bezieht die Streifenpolizistin Eleanor Falco (Shailene Woodley), die in der Tatnacht Geistesgegenwart und Eigeninitiative bewiesen hat, mit ein. In einem kleinen Kreis, zu dem auch Eleanors Kollege Jack McKenzie (Jovan Adepo) zählt, versuchen sie, dem Killer auf die Schliche zu kommen. Doch die Politik wirft ihnen immer wieder Knüppel zwischen die Beine. Derweil drängt die Zeit, denn es ist nicht auszuschließen, dass der Attentäter ein weiteres Mal zuschlägt.

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"Catch the Killer": Die Stille nach dem Schuss

In seinem neuen Film, dem ersten seit dem hochgelobten Episodenwahnsinn "Wild Tales - Jeder dreht mal durch!" (2014), schlägt Damián Szifron neue Wege ein. "Catch the Killer" ist die erste englischsprachige Produktion des argentinischen Regisseurs und noch dazu eine, die das Subgenre des Serienmörderfilms gehörig gegen den Strich bürstet. Ein in doppelter Hinsicht gewagtes Unterfangen, das in den USA auf wenig Gegenliebe stieß. Publikum und Kritik ließen den nihilistischen Thriller links liegen – und übersahen dabei, dass Szifron in Gassen abtaucht, die seit "Sieben" (1995) und "Das Schweigen der Lämmer" (1991) nicht mehr so zwielichtig waren.

Eiskalt serviert: ein Serienkiller-Thriller, der einen frösteln macht

Das Wetter gibt die Stimmung vor. Die Sonne im winterlichen Baltimore geht früh unter, große Teile der Handlung spielen nachts. Grau-, Blau- und Schwarztöne dominieren die Farbpalette, die Kameramann Javier Julia ("Hot Summer Nights", "Argentinien, 1985") dem Film verpasst. Seine Einstellungen sind aufgeräumt, glasklar und von einer bestechenden Schönheit, die einen frösteln macht. Nicht in der größten Stadt Marylands, sondern im kanadischen Montreal, einer der eisigsten Metropolen Nordamerikas, gedreht, kriecht die klirrende Kälte förmlich in den Kinosaal. Und die dunkle Musik des Komponisten Carter Burwell, der schon den schneeverwehten Thriller "Fargo - blutiger Schnee" (1996) der Coen Brüder untermalte, spielt ebenso berückend wie bedrückend dazu.

Es ist jedoch nicht allein das tieftemperierte Setting, das einem Schauer über den Rücken laufen lässt, sondern die beinahe gefühlskalte Nüchternheit, mit der Szifron und sein Co-Autor Jonathan Wakeham den gegenwärtigen Zustand der USA sezieren. Dass "Catch the Killer" nicht der handelsübliche Serienmörderfilm ist, etabliert das Drehbuch-Duo noch während der Exposition. In einer Ansprache, die der mit dem Fall beauftragte FBI-Agent Lammark (Ben Mendelsohn) vor versammelten Mannschaft hält und auf die die Protagonistin Eleanor Falco (Shailene Woodley) im Gegensatz zu ihren Kollegen reserviert reagiert, weist er auf all die Unterschiede hin zu den Tätern, mit denen es die Ermittler sonst zu tun bekämen. Und dem Kinopublikum ist klar, dass er hier nicht Zeuge des gewohnten Katz-und-Maus-Spiels werden wird, bei dem der Mörder sich für schlauer hält, als die Polizei erlaubt, in tiefster Seele aber gefasst werden will. Dessen außergewöhnliches Profil bleibt nicht die letzte Abweichung von der Serienkiller-Thriller-Norm.

Anders erzählt: die Mörder, die man verdient

Die Ausgangslage, in der eine talentierte junge Polizistin von einem älteren Mann unter die Fittiche genommen wird, erinnert zwangsläufig an den eingangs erwähnten Klassiker "Das Schweigen der Lämmer". Ja, selbst die Nachnamen der zwei Protagonistinnen gleichen sich, stammen doch beide aus der Vogelwelt. Doch während die von der zierlichen Jodie Foster gespielte Clarice Starling argusbeäugt ihren eigenen Flügelschlag finden muss, befindet sich die von Shailene Woodley verkörperte Eleanor Falco nicht nur auf Augenhöhe mit den Raubvögeln um sie herum, insgeheim ist sie selbst einer, der sich am Ende durchbeißt. Auch die Klarheit von Starlings Figur sucht man in Falcos Figur vergebens. Ihr Charakter ist vorbelastet, problembehaftet und wie alles in Szifrons Film moralisch ambig.

Der Täter, der aus sicherer Distanz mit einem Präzisionsgewehr feiernde Menschen ermordet, erinnert wiederum an Attentate wie das in Las Vegas, wo ein Schütze am 1. Oktober 2017 aus dem 32. Stockwerk eines Hotels auf die Zuschauer eines Musikfestivals feuerte und 60 davon tödlich verwundete. Wer sich im Film dahinter verbirgt, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Es sei nur so viel gesagt, dass die Lösung des Falls mitten ins Mark der politischen und mehr noch der sozialen Verwerfungen der USA trifft.

Komplett korrumpiert: ein Blick auf ein System, das versagt

Ein möglicher Grund, warum "Catch the Killer" in seinem Herkunftsland floppte, könnte seine Erzählweise sein. Szifron und Wakeham setzen in ihrem Drehbuch nur zur Hälfte auf den nervenaufreibenden Wettlauf gegen die Zeit. Die andere Hälfte wirft einen scharfen Blick auf die Mechanismen dahinter. Und der offenbart einen gravierenden Unterschied zu vergleichbaren Filmen. Denn in "Catch the Killer" ziehen die an der Aufklärung beteiligten Ermittler, Behörden und politisch Verantwortlichen nicht an einem Strang. Ganz im Gegenteil torpedieren sie sich gegenseitig.

In diesem Ränkespiel, in dem jeder nur auf den Fehler des anderen lauert, um daraus seinen eigenen Vorteil zu ziehen, steht die öffentliche Sicherheit hintan. Der von Ben Mendelsohn mit der richtigen Mischung aus gesunder Arroganz, taktischem Gespür und Verantwortungsbewusstsein gespielte Lammark ist sich dessen bewusst und bringt es in einem der vielen ausgezeichneten Dialoge auf den Punkt. Als ihm Eleanor vorwirft, bei den Ermittlungen zu viele Kompromisse einzugehen und das schmutzige Spiel der Politik mitzuspielen, entgegnet ihr Lammark, dass ersetzt werde, wer dazu nicht gewillt sei. Letzten Endes könne man sich in diesem Spiel nur aussuchen, ob man begraben oder verbrannt werde (wobei im englischen Original die Verben "to bury" und "to burn" durchaus mehrdeutig zu verstehen sind, was den Dialog so genial macht).

Ein anderer Grund für den verhaltenen Zuspruch an den Kinokassen ist womöglich, dass Damián Szifron mit diesem Film den Finger in die Wunde gesellschaftspolitisch unbequemer Themen legt. "Catch the Killer" ist mehr als nur der nächste Serienkiller-Thriller. Es geht um Waffenbesitzrechte und Waffengewalt, um Drogenmissbrauch und eine gescheiterte Drogenpolitik, um psychische Erkrankungen und deren mangelnde medizinische Versorgung, um wirtschaftlichen Abstieg, soziale Ausgrenzung und einen ungesunden Umgang damit. Und letzten Endes geht es auch darum, wie vieles davon zusammenhängt.

Einfach gestrickt: eine Auflösung, die unbehaglich ist

All dies macht "Catch the Killer" nicht nur zu einem unbequemen, sondern auch zu einem unangenehmen Film. So unvorstellbar grauenvoll die Mörder in anderen Filmen wie den hier bereits erwähnten auch sein mögen, am Ende sind ein Hannibal Lecter, ein Buffalo Bill oder ein John Doe auch deshalb für das Kinopublikum "erträglich", weil diese Figuren so übertrieben und dadurch als reine Fiktion erkennbar und in unserer Realität unvorstellbar sind. Mit dem Mörder in "Catch the Killer" verhält es sich anders. Der ist so realistisch gezeichnet, dass es mehr als einmal richtig unbehaglich wird.

Unbehaglich ist schließlich auch das bitterböse Ende, das keine Sieger kennt in einem schmutzigen Spiel, bei dem nun auch die Protagonistin mitspielt. Ob das nun sarkastisch, pessimistisch, nihilistisch oder defätistisch zu interpretieren ist, überlässt Damián Szifron seinem Publikum.

Fazit: "Catch the Killer", der neue Film von "Wild Tales"-Regisseur Damián Szifron ist ein kompromissloses Meisterwerk über den kritischen Zustand der USA. Seit "Das Schweigen der Lämmer" und "Sieben" war kein Serienkiller-Thriller mehr so düster und schmutzig. In puncto Realismus und Pessimismus übertrifft er seine Vorgänger gar. Ob er künftig in einem Atemzug mit diesen Klassikern genannt werden wird, bleibt abzuwarten. Das Zeug dazu hat er.




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Besetzung & Crew von "Catch the Killer"

Land: USA
Jahr: 2023
Genre: Action, Krimi
Originaltitel: Misanthrope
Länge: 119 Minuten
Kinostart: 05.10.2023
Regie: Damián Szifron
Darsteller: Shailene Woodley als Eleanor, Ben Mendelsohn als Lammark, Jovan Adepo, Ralph Ineson, Richard Zeman
Kamera: Javier Julia
Verleih: Tobis Film

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