Abschied von gestern (1966)
Einer der wichtigsten deutschen Autorenfilme der 60er-Jahre kommt zurück auf die große Leinwand. Alexander Kluges "Abschied von gestern" (1966).Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 3 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Die Jüdin Anita G. (Alexandra Kluge) kommt 1957 von Leipzig in den Westen. Die folgenden Jahre versucht sie, sich in der BRD ein neues Leben aufzubauen und in der westdeutschen Gesellschaft anzukommen. Doch ohne Erfolg. Wegen eines Diebstahls gerät sie gleich zu Beginn mit dem Gesetz in Konflikt. Was folgt sind finanziell schwierige Monate in prekären Arbeitsverhältnissen. Auch in der Liebe klappt es nicht. Mit einem ihrer Chefs beginnt sie ein Verhältnis, doch dieser verlässt Anita schließlich aus Liebe zu seiner Frau. Später flüchtet sie sich in eine Liaison mit dem Ministerialrat Pichota (Günter Mack), aber auch mit ihm wird Anita nicht glücklich.
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Filmkritik
Porträt der Nachkriegs-BRD
Der Titel lässt es bereits vermuten. "Abschied von gestern" handelt von einer Protagonistin, die ihr altes Leben hinter sich lassen möchte. Sie will mit den Traumata der Vergangenheit (Verfolgung durch die Nazis, Kriegserfahrungen) abschließen und hat sich dafür mit Westdeutschland eigentlich den passenden Ort für den Neustart ausgesucht: Der Wind des Auf- und Umbruchs wehte in den späten 50er- und frühen 60er-Jahren durchs Land. Die Menschen strebten nach Veränderung und Neubeginn.
Und so beobachten wir Anita bei ihren Streifzügen durch die aufblühende Großstadt, mit ihren wie Pilze aus dem Boden schießenden Läden, Restaurants und Warenhäusern. Anitas stetiger Begleiter: ihr Koffer. Als Betrachter ist man stets dicht an der Seite dieser ruhelosen, getriebenen Frau, wenn sie ins Kaffeehaus, Hotel oder ins Kino geht. Oder wenn sie sich in einer Edel-Boutique einen teuren Pelzmantel kauft. Die Message scheint klar. Die entbehrungsreichen Jahre sind vorbei, wer etwas auf sich hält kauft sich schöne Dinge – und zeigt sich darin.
Experimente und Dokumentarisches
Die sprunghafte Erzählstruktur und die Verwendung einer unkonventionellen Schnitttechnik stehen beispielhaft für Kluges Experimentierfreude. Großartig ist die Nutzung einiger technischer Stilmittel (z.B. des Zeitraffers) und filmischer Methoden, um Anitas Odyssee und Flucht vor sich selbst zu visualisieren. Durch die beschleunigten Bewegungen Anitas wirkt es, als hetze sie durch die Stadt, von einer Station zur nächsten. Immer auf der Suche nach Glück und dem Gefühl, endlich angekommen zu sein. Das zeigt sich auch an ihren beruflichen Stationen, die sie wechselt wie manch anderer die Kleidung. Anita arbeitet als Vertreterin für eine Plattenfirma, wird Krankenschwester, später Zimmermädchen. Schließlich schreibt sie sich an der Uni für ein politisches Studium ein, für das sie nicht geeignet ist.
Neben dem Sprunghaften lief noch etwas anderes den damals (zur Zeit der Entstehung des Films) gängigen Sehgewohnheiten zuwider: die radikale Vermengung von Fiktion und dokumentarischen Mitteln in einem Spielfilm. Wenn Kluge die Menschen auf den Straßen filmt und mitten in die Massen der Passanten eintaucht, scheint es, als porträtiere der Regisseur das Leben und Treiben in den Städten der Wirtschaftswunderjahre. Das verleiht dem Film etwas ganz und gar Wahrhaftiges und Unmittelbares.
Fazit: Alexander Kluges "Abschied von gestern" ist ein vielschichtiges, dokumentarisch anmutendes Meisterwerk des "Neuen Deutschen Films", das sich gleichermaßen als Gesellschaftsdrama und Porträt einer außergewöhnlichen Frau lesen lässt. Einer Jüdin aus der DDR, die auch in Westdeutschland nicht das bekommt, wonach wir uns letztlich alle sehnen: Akzeptanz, Heimat und Glück.
Der Titel lässt es bereits vermuten. "Abschied von gestern" handelt von einer Protagonistin, die ihr altes Leben hinter sich lassen möchte. Sie will mit den Traumata der Vergangenheit (Verfolgung durch die Nazis, Kriegserfahrungen) abschließen und hat sich dafür mit Westdeutschland eigentlich den passenden Ort für den Neustart ausgesucht: Der Wind des Auf- und Umbruchs wehte in den späten 50er- und frühen 60er-Jahren durchs Land. Die Menschen strebten nach Veränderung und Neubeginn.
Und so beobachten wir Anita bei ihren Streifzügen durch die aufblühende Großstadt, mit ihren wie Pilze aus dem Boden schießenden Läden, Restaurants und Warenhäusern. Anitas stetiger Begleiter: ihr Koffer. Als Betrachter ist man stets dicht an der Seite dieser ruhelosen, getriebenen Frau, wenn sie ins Kaffeehaus, Hotel oder ins Kino geht. Oder wenn sie sich in einer Edel-Boutique einen teuren Pelzmantel kauft. Die Message scheint klar. Die entbehrungsreichen Jahre sind vorbei, wer etwas auf sich hält kauft sich schöne Dinge – und zeigt sich darin.
Experimente und Dokumentarisches
Die sprunghafte Erzählstruktur und die Verwendung einer unkonventionellen Schnitttechnik stehen beispielhaft für Kluges Experimentierfreude. Großartig ist die Nutzung einiger technischer Stilmittel (z.B. des Zeitraffers) und filmischer Methoden, um Anitas Odyssee und Flucht vor sich selbst zu visualisieren. Durch die beschleunigten Bewegungen Anitas wirkt es, als hetze sie durch die Stadt, von einer Station zur nächsten. Immer auf der Suche nach Glück und dem Gefühl, endlich angekommen zu sein. Das zeigt sich auch an ihren beruflichen Stationen, die sie wechselt wie manch anderer die Kleidung. Anita arbeitet als Vertreterin für eine Plattenfirma, wird Krankenschwester, später Zimmermädchen. Schließlich schreibt sie sich an der Uni für ein politisches Studium ein, für das sie nicht geeignet ist.
Neben dem Sprunghaften lief noch etwas anderes den damals (zur Zeit der Entstehung des Films) gängigen Sehgewohnheiten zuwider: die radikale Vermengung von Fiktion und dokumentarischen Mitteln in einem Spielfilm. Wenn Kluge die Menschen auf den Straßen filmt und mitten in die Massen der Passanten eintaucht, scheint es, als porträtiere der Regisseur das Leben und Treiben in den Städten der Wirtschaftswunderjahre. Das verleiht dem Film etwas ganz und gar Wahrhaftiges und Unmittelbares.
Fazit: Alexander Kluges "Abschied von gestern" ist ein vielschichtiges, dokumentarisch anmutendes Meisterwerk des "Neuen Deutschen Films", das sich gleichermaßen als Gesellschaftsdrama und Porträt einer außergewöhnlichen Frau lesen lässt. Einer Jüdin aus der DDR, die auch in Westdeutschland nicht das bekommt, wonach wir uns letztlich alle sehnen: Akzeptanz, Heimat und Glück.
Björn Schneider
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Besetzung & Crew von "Abschied von gestern"
Land: DeutschlandWeitere Titel: Abschied von gestern - (Anita G.)
Jahr: 1966
Genre: Drama
Länge: 88 Minuten
FSK: 16
Kinostart: 19.10.2023
Regie: Alexander Kluge
Darsteller: Alexandra Kluge als Anita, Günter Mack als Pichota, Eva Maria Meineke, Hans Korte, Ursula Dirichs
Kamera: Edgar Reitz
Verleih: Rapid Eye Movies, Real Fiction