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FBW-Bewertung: Die Ironie des Lebens (2024)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: DIE IRONIE DES LEBENS ist letztlich kein humoristischer Film, obwohl die Hauptfigur ein Star-Comedian ist ? hier gespielt von Uwe Ochsenknecht. Das Witzniveau dieses Edgar ist irgendwo zwischen Harald Juhnke und Mario Barth angesiedelt ? mit Prostata und Cholesterinwitzen sowie Lacher über Sex im Alter. Schnell entlarvt der Film das Starleben als Fassade: Denn Edgar ist einsam, trinkt viel zu viel, und seine Witze sind nur scheinbar selbstironisch und gehen im Gegenteil oft auf Kosten anderer ? vor allem seiner Ex-Frau, anhand derer er unter Gejohle des Publikums erzählt, warum Männer und Frauen nicht zusammenpassen ? und natürlich Letztere letztlich schuld daran sind.
Aber dann klopft diese Eva (Corinna Harfouch) an seine Backstage-Garderobentür, hinter der er im Udo-Jürgens-Bademantel mit Whiskyglas sitzt, vordergründig selbstzufrieden, aber letztlich erschöpft ? nicht nur von der Tour oder dem Bühnenabend, sondern auch vom Älterwerden, was an seinem Narzissmus nagt. Und dann eröffnet Eva ihm ohne Ansprüche oder Selbstmitleid, dass sie todkrank ist.
DIE IRONIE DES LEBENS in der Regie von Markus Goller war für die Jury oft fast irritierend vorhersehbar, dabei sehr tragisch, aber durchaus auch komisch und vor allem ernst zu nehmen. Was vor allem auch an der Würde der Figur von Eva liegt. Sie hat sich letztlich gegen ständige Krankenhausaufenthalte, Chemo und OPs entschieden und folgt damit der Thomas-Mann Devise aus dem ?Zauberberg?: ?Der Mensch soll um der Güte und Liebe willen dem Tod keine Herrschaft einräumen über seine Gedanken.?
Eva verdrängt in ihrem letzten halben Jahr den bevorstehenden Tod nicht, aber lässt ihn nicht über die ihr verbleibende Zeit triumphieren. Und Edgar ? plötzlich mit dem Tod einer uneingestanden nahen Person konfrontiert und von ihrem Konzept aus seinem Konzept geworfen ? sagt ihr: ?Ich kann nicht zulassen, dass du so eine fatale Entscheidung triffst?, und organisiert sofort mit seinem Vitamin-B eine mögliche Spitzen-Spezialistenbehandlung. Sie sieht das glaubwürdig als weiteren Beweis seiner Egozentrik: ?Es geht nur um dich. Es ist nur eine dich selbst beruhigende Edgar-Show?.
Das Spannende am Film ist für die Jury nicht so sehr die ? absehbare ?Läuterung der Figur von Ochsenknecht ? einem mit der Mode-Westentaschenpsychologie-Zuschreibung ?Narzissmus? klar beschriebenem Typ. Eine der stärksten Szenen ist, als Edgars Sohn (Robert Gwisdek) ? in großer Härte ? ihm sein egozentrisches, für ihn in seiner Abwesenheit bequemes Versagen als Vater vorwirft. Und Edgar wird sein ? zugegeben nicht völlig geistloses und auch schlagfertiges ? bisheriges Bühnenhumor-Schema im neuen Bewusstsein der Schuld, sich nie um seine Kinder gekümmert und seine Frau damit alleine gelassen zu haben, nicht durchhalten. Mit Selbstzweifeln kann man schwer auf der Bühne stehen und bestehen. Das arbeitet das Drehbuch von Oliver Ziegenbalg gut heraus.
In alledem gelingen dem Film auch fantastisch bewegende und wahrhaftige Momente. Wie bei einem Zwischenstopp auf einem gemeinsamen Roadtrip des Ex-Paares, bei dem Harfouch in das gelbe Meer eines Rapsfeldes geht - und er ihr hinterher. Sie wird Melancholie befallen, beim Gedanken, dass es das letzte sommerlich blühende Rapsfeld in ihrem Leben sein wird. Und seine Hilflosigkeit in Anbetracht ihres unausweichlichen baldigen Todes ist nie peinlich, sondern komplett nachspürbar. Oder wenn Ochsenknecht und Harfouch am Klavier gemeinsam ?Cosmic Dancer? und einen Song von Rio Reiser singen, auf einer Gala, zu der er sie eingeladen hat, weil sie ihm eben doch die wichtigste Person im Leben ist.
Eine dramaturgische Stärke des Films ist es, dass zwar Edgar die sich entwickelnde Hauptfigur ist, aber Corinna Harfouch sich sensibel und kraftvoll auf Augenhöhe hochspielt, was auch das Drehbuch erlaubt, das elegant immer mehr Facetten ihrer Lebensleistung offenlegt und so den Zuschauer zu einer ständig moralischen Nachjustierung zwingt: wie ihre Stärke und Tapferkeit, als Alleinerziehende den Kindern ein Zuhause gegeben und weiter gearbeitet zu haben. Und dann gelingt ihr in einem weiteren bewegenden Moment noch die Größe, das ?Zerrüttungsprinzip? einzuräumen: Am Scheitern einer Beziehung sind meistens eben beide schuld ? also auch sie.
Überhaupt gewinnt der Film im Laufe seiner zwei Stunden an psychologischer Tiefe. Dabei bleibt DIE IRONIE DES LEBENS immer ein Film, der den Zuschauer nicht verstören, sondern berühren will und dabei sogar eine Leichtigkeit schafft, weil dem Tod ? ohne ihn zu verdrängen ? keine Herrschaft über den lebendigen Film eingeräumt wird: mit weißen, in den Himmel steigenden Luftballons zum Schluss anstatt schwarzem Trübsal. Der Jury hat aufgrund dieser Stärken der Film gut gefallen. Von den Gewerken her ist er rundum solide, so dass der Film alles richtig gemacht hat, aber den Zuschauer auch nie wirklich fordert. Dass die Figuren dabei etwas klischeehaft sind, war dabei für die Jury nur leicht störend, weil der fantastische Cast DIE IRONIE DES LEBENS zu einem gelungen Kinoerlebnis macht. Kritischer sah die Jury beispielsweise die Idee der Bebilderung eines sanften LSD-Trips, der zu einer abgegriffenen Wasser-Wellen-Farbhalluzinationssequenz verkommt.
Gerne erteilt die Jury dem Film, in Anschluss an eine spannende Diskussion und in Abwägung aller dargebrachten Argumente, einstimmig das Prädikat wertvoll.



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