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Gehen und Bleiben (2023)

In seinem neuen Dokumentarfilm begibt sich Regisseur Volker Koepp auf die Spuren des Schriftstellers Uwe Johnson.Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 4 / 5
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Uwe Johnson (1934–1984) zählte zu bekanntesten Schriftstellern der deutschen Nachkriegsliteratur. In Cammin in Pommern, dem heute polnischen Kamień Pomorski, geboren, wuchs er in Anklam, Kosten (polnisch: Kościan) und Güstrow auf und studierte in Rostock und Leipzig Germanistik. Ursprünglich wollte er Verlagslektor werden, schloss aber noch während seines Studiums seinen ersten Roman ab, der allerdings erst nach seinem Tod veröffentlicht wurde: "Ingrid Babendererde. Reifeprüfung 1953". Nachdem Johnsons Mutter 1956 aus der DDR nach West-Berlin geflohen war, folgte er ihr 1959. Im selben Jahr wurde sein Debütroman "Mutmaßungen über Jakob" veröffentlicht.

Als in Pommern geborener, in Ostdeutschland sozialisierter und in den Westen übergesiedelter Autor und angesichts der Inhalte seiner Romane, die die deutsche Teilung auf die eine oder andere Weise abbildeten, galt Johnson zeitlebens als "Dichter beider Deutschland". In seinem neuen Dokumentarfilm bereist Volker Koepp die biografischen und literarischen Stationen Johnsons und kommt mit Menschen ins Gespräch, die mit den Orten und Landschaften oder mit Johnsons Werk Berührungspunkte haben.

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"Gehen und Bleiben": Vom Ankommen und Vorausgehen

Uwe Johnsons Leben und Literatur waren nicht nur ein Spiegelbild der deutsch-deutschen Teilung, sondern auch ein Sinnbild für einen Zustand ständiger Bewegung. Johnson, zeitlebens von seiner pommerschen und mecklenburgischen Herkunft geprägt, hat außer im Osten und Westen des Landes auch in New York und in England gelebt, wo er in Sheerness on Sea im Februar 1984 starb und wo Volker Koepp seinen neuen Film beginnen lässt.

Hier, am Strand dieses 16.000-Seelen-Orts, vor dessen Küste bis heute gut sichtbar das Wrack des 1944 gesunkenen US-Frachters "SS Richard Montgomery" liegt, unterhält sich Koepp mit Stuart Rogers, einem in die Jahre gekommenen Skater, der das Meer aus einem noch älteren Van mit einem Oldie beschallt. Warum Uwe Johnson, dessen Name nur wenige Meter entfernt auf einer Plakette an seinem letzten Wohnort steht, hierher gekommen war, darüber kann Rogers nur spekulieren. Ihm selbst scheint der deutsche Schriftsteller nicht viel zu sagen. Den übrigen Menschen, die für Koepps Film vor die Kamera treten, dafür umso mehr. Nicht zu vergessen dem Regisseur selbst.

Eine gewisse Affinität (wird) vorausgesetzt

Die Idee zu seinem neuen Film kam Volker Koepp während der Premierentour seines alten. Als er mit "Seestück" (2018), dem finalen Teil einer Reihe über ostdeutsche und (ost)europäische Film- und Lebensräume, unterwegs war, drückte ihm jemand ein Buch mit Texten über die Ostsee in die Hand. Darin enthalten war auch ein Auszug aus Uwe Johnsons Hauptwerk "Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl" (1970–1983). Von der Aktualität des Textes beeindruckt, entdeckte Koepp den Schriftsteller für sich wieder. Und über den langen Drehzeitraum, in den auch die Corona-Pandemie fiel, stellte sich "[d]ie Affinität zu Uwe Johnsons Welt [...] in vielen Facetten mehr und mehr her. Darum wollte ich, beeindruckt von der poetischen Kraft der johnsonschen Texte, diesen Film realisieren", erklärt Koepp sein Vorhaben.

Aus sicherer Distanz

Auch in "Gehen und Bleiben" ist der Regisseur selbst nicht zu sehen, lediglich zu hören. Aus dem sicheren Schutz des Offs abseits der Kamera führt er lange Dialoge mit seinen Interviewpartnern. Zu diesen zählen unter anderem die in Anklam geborene Schriftstellerin Judith Zander ("Dinge, die wir heute sagten"), der in Nossendorf geborene Regisseur Hans-Jürgen Syberberg ("Hitler, ein Film aus Deutschland") und der in Güstrow geborene Schauspieler Peter Kurth ("Babylon Berlin"), der dem Film auch als Erzähler dient. Daneben kommen beispielsweise der Historiker Thomas Irmer und der Literaturwissenschaftler Erdmut Wizisla sowie Weggefährten Johnsons zu Wort.

Vorgestellt werden sie allerdings erst ganz zum Schluss. Während der langen Laufzeit von beinahe drei Stunden muss sich das Kinopublikum die Berufe der Interviewpartner und deren Bezüge zu Johnson und den Orten und Landschaften selbst erschließen. Ein Ort, obwohl häufig erwähnt, Gesine Cresspahls New York, bleibt dabei stets in seltsamer Ferne. Nur einmal ist die Metropole zwischen Hudson und East River für einen Wimpernschlag zu sehen. In Bezug auf Uwe Johnsons biografische und literarische Stationen bleibt sie die große Leerstelle dieses Films. Aber vielleicht wäre er dann zu lang geworden. So bleibt New York ein Sehnsuchtsort, der verführerisch am Horizont schimmert – und Johnsons Literatur eine attraktive, weil sie etwas "Vorausgehendes" besitzt, wie es einer der Interviewpartner ebenso treffend wie schön formuliert.

Fazit: Was kann uns Uwe Johnsons Literatur beinahe 40 Jahre nach dessen Tod heute noch sagen? Sehr viel, wenn es nach den Interviewpartnern von Volker Koepps neuem Dokumentarfilm geht. In kontemplativen Bildern und ausführlichen Dialogen denken ehemalige Weggefährten und am Wegesrand Getroffene über die Orte, Landschaften und Ereignisse aus Johnsons Werk nach und stellen erstaunliche Bezüge zu unserer Gegenwart her. Eine gewisse Affinität zum "Dichter beider Deutschland" kann vor dem Kinobesuch allerdings nicht schaden.




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Besetzung & Crew von "Gehen und Bleiben"

Land: Deutschland
Jahr: 2023
Genre: Dokumentation
Länge: 163 Minuten
FSK: 0
Kinostart: 20.07.2023
Regie: Volker Koepp
Darsteller: Peter Kurth, Hanna Lehmbäcker, Heinz Lehmbäcker, Hans-Jürgen Syberberg, Judith Zander
Verleih: Salzgeber & Co. Medien GmbH

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