Anselm - Das Rauschen der Zeit (2023)
Anselm
In diesem Dokumentarfilm porträtiert die deutsche Regie-Legende Wim Wenders den legendären deutschen Maler Anselm Kiefer.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Anselm Kiefer, 1945 kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs in Donaueschingen geboren und nahe Rastatt aufgewachsen, zählt heute zu den bekanntesten, renommiertesten, teuersten, aber auch umstrittensten deutschen Künstlern. Bereits seine Abschlussarbeit an der Kunstakademie Karlsruhe Ende der 1960er-Jahre, eine Performance, bei der er den Hitlergruß zeigte, erregte Aufsehen. Zudem brachte ihm seine Beschäftigung mit deutschen Mythen, die sich mit so unterschiedlichen Dichtern und Denkern wie dem im Nationalsozialismus verfolgten Lyriker Paul Celan (1920–1970) und dem für den Nationalsozialismus engagierten Philosophen Martin Heidegger (1889–1976) beschäftigen, wiederholt Kritik ein. Im angelsächsischen Kunstbetrieb gefeiert, wird Kiefer in seinem Heimatland bis heute von vielen kritisch gesehen.
Kiefers bevorzugte Materialien für seine großformatigen Gemälde und monumentalen Skulpturen sind Blei, Asche, Stroh, Sand, Tonerde und Holz, die er nicht selten mit Feuer bearbeitet. Nach zwei Jahrzehnten im Odenwald arbeitet Kiefer seit den 1990er-Jahren in Frankreich. Hier hat ihn der Regisseur Wim Wenders auf einer 35 Hektar großen Anlage in den Cevennen und in seinem 36.000 Quadratmeter großen Atelier, einer Lagerhalle eines ehemaligen Kaufhauses in der Nähe von Paris besucht und bei der Arbeit mit der Kamera begleitet.
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Filmkritik
"Anselm – Das Rauschen der Zeit": Immersives Künstlerporträt
Von den Vertretern des Neuen Deutschen Films ist Wim Wenders zweifelsohne der größte Ästhet. Schon seine frühen Roadmovies "Alice in den Städten" (1974), "Falsche Bewegung" (1975) und "Im Lauf der Zeit" (1976) sind bildgewaltig und atmen den Geist des amerikanischen Kinos. Alles in Wenders' Werk ist stets eine Nummer größer. Auch seine späteren Filme von "Der amerikanische Freund" (1977), "Paris, Texas" (1984) und "Der Himmel über Berlin" (1987) bis hin zu "Don't Come Knocking" (2005), "Palermo Shooting" (2008) und "Grenzenlos" (2017) sind visuell so betörend, dass man sie sich nirgendwo anders als auf der großen Leinwand vorstellen kann.
Dass sich Wenders, wie Anselm Kiefer Jahrgang 1945, für die monumentale, in der Auswahl der Materialien durchaus brachiale, dabei aber immer auch überwältigende Kunst seines Landsmanns begeistern kann, verwundert nicht. In Wenders' Dokumentarfilmen steht fast ausnahmslos die Kunst im Mittelpunkt. Mal geht es um Musik ("Buena Vista Social Club", "Viel passiert - Der BAP-Film"), mal um Mode ("Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten"), mal um Tanz ("Pina - Tanzt, tanzt sonst sind wir verloren"), mal um Fotografie ("Das Salz der Erde"). An einem Dokumentarfilm über den Schweizer Architekten Peter Zumthor, dessen Gebäude in ihrer Strenge und Kühle den Gemälden Kiefers nicht unähnlich scheinen, arbeitet Wenders seit 2020. Bevor dieser fertig werden wird, ist nun aber erst einmal "Anselm – Das Rauschen der Zeit" an der Reihe.
Ein Rundgang wie aus einem Science-Fiction-Epos
Wie schon "Pina" drehte Wenders auch "Anselm" in 3D, diesmal zudem in 6K, einer Bildauflösung, die vielerorts überhaupt noch nicht abgespielt werden kann, aber dort, wo zumindest eine 4K-Projektion möglich ist, zu bestechend scharfen und ausgesprochen immersiven Ansichten führt. Wenn Anselm Kiefer durch sein Pariser Atelier radelt, als kleiner Klecks vorbei an meterhohen Leinwänden, dann sind wir als Publikum nicht nur hautnah mit dabei, sondern bekommen auch ein Gespür für die schieren Ausmaße von Kiefers Kunst und Wirkungsstätte.
Und noch etwas anderes vermögen die von Wenders' Kameramann Franz Lustig ("Niemandsland - The Aftermath") und dem Stereografen Sebastian Cramer ("Der Letzte Wolf") fabrizierten dreidimensionalen Bilder: Sie verleihen Kiefers ohnehin schon imposanten Werken die von Wenders Spielfilmen gewohnte Wucht. Wenn der Maler in seinem knöchellangen schwarzen Mantel durch die unterirdisch gegrabenen Gänge seiner gigantischen Anlage in Südfrankreich schreitet, aus ihnen majestätisch emporsteigt und auf haushohe Gemälde zusteuert, um vor diesen nachdenklich zu verweilen, dann könnten diese Szenen auch Andrei Tarkowskis "Stalker" (1979) oder Denis Villeneuves "Blade Runner 2049" (2017) entsprungen sein.
Vorurteils-, aber auch wertfrei
In seinem neuen Dokumentarfilm bringt Wenders sich nicht selbst ein (wie etwa noch in "Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten"). Weder tritt er vor die Kamera, noch kommentiert er das Geschehen. Auch eine eigene Einschätzung von Kiefers nicht unumstrittenem Werk und dessen scharf kritisierten frühen Arbeiten liegt dem Filmemacher völlig fern. Stattdessen begegnet er Kiefer vorurteilsfrei und überlässt die kunsthistorische Kontextualisierung Experten und Kritikern in kunstvoll eingewobenen Archivaufnahmen.
Gepaart mit einer Handvoll nachgespielter Szenen, die bis zuletzt wie Fremdkörper wirken, ergibt sich ein Mix, wie man ihn selten im Kino zu sehen bekommt. Ein Urteil über Anselm Kiefers Kunst muss sich letztlich jeder selbst bilden. So unentschieden man ihr gegenüber auch eingestellt sein mag, eins ist garantiert: So nah wie in diesem Film kommt man ihr sonst nur im Museum.
Fazit: Wim Wenders' neue Dokumentation ist erneut ein filmisches Kunstwerk – und so unkritisch wie jedes seiner bisherigen Porträts. In immersivem 3D realisiert, ist "Anselm – Das Rauschen der Zeit" ein echtes Erlebnis. Eins ist garantiert: So nah wie in diesem Film kommt man Anselm Kiefers Kunst sonst nur im Museum.
Von den Vertretern des Neuen Deutschen Films ist Wim Wenders zweifelsohne der größte Ästhet. Schon seine frühen Roadmovies "Alice in den Städten" (1974), "Falsche Bewegung" (1975) und "Im Lauf der Zeit" (1976) sind bildgewaltig und atmen den Geist des amerikanischen Kinos. Alles in Wenders' Werk ist stets eine Nummer größer. Auch seine späteren Filme von "Der amerikanische Freund" (1977), "Paris, Texas" (1984) und "Der Himmel über Berlin" (1987) bis hin zu "Don't Come Knocking" (2005), "Palermo Shooting" (2008) und "Grenzenlos" (2017) sind visuell so betörend, dass man sie sich nirgendwo anders als auf der großen Leinwand vorstellen kann.
Dass sich Wenders, wie Anselm Kiefer Jahrgang 1945, für die monumentale, in der Auswahl der Materialien durchaus brachiale, dabei aber immer auch überwältigende Kunst seines Landsmanns begeistern kann, verwundert nicht. In Wenders' Dokumentarfilmen steht fast ausnahmslos die Kunst im Mittelpunkt. Mal geht es um Musik ("Buena Vista Social Club", "Viel passiert - Der BAP-Film"), mal um Mode ("Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten"), mal um Tanz ("Pina - Tanzt, tanzt sonst sind wir verloren"), mal um Fotografie ("Das Salz der Erde"). An einem Dokumentarfilm über den Schweizer Architekten Peter Zumthor, dessen Gebäude in ihrer Strenge und Kühle den Gemälden Kiefers nicht unähnlich scheinen, arbeitet Wenders seit 2020. Bevor dieser fertig werden wird, ist nun aber erst einmal "Anselm – Das Rauschen der Zeit" an der Reihe.
Ein Rundgang wie aus einem Science-Fiction-Epos
Wie schon "Pina" drehte Wenders auch "Anselm" in 3D, diesmal zudem in 6K, einer Bildauflösung, die vielerorts überhaupt noch nicht abgespielt werden kann, aber dort, wo zumindest eine 4K-Projektion möglich ist, zu bestechend scharfen und ausgesprochen immersiven Ansichten führt. Wenn Anselm Kiefer durch sein Pariser Atelier radelt, als kleiner Klecks vorbei an meterhohen Leinwänden, dann sind wir als Publikum nicht nur hautnah mit dabei, sondern bekommen auch ein Gespür für die schieren Ausmaße von Kiefers Kunst und Wirkungsstätte.
Und noch etwas anderes vermögen die von Wenders' Kameramann Franz Lustig ("Niemandsland - The Aftermath") und dem Stereografen Sebastian Cramer ("Der Letzte Wolf") fabrizierten dreidimensionalen Bilder: Sie verleihen Kiefers ohnehin schon imposanten Werken die von Wenders Spielfilmen gewohnte Wucht. Wenn der Maler in seinem knöchellangen schwarzen Mantel durch die unterirdisch gegrabenen Gänge seiner gigantischen Anlage in Südfrankreich schreitet, aus ihnen majestätisch emporsteigt und auf haushohe Gemälde zusteuert, um vor diesen nachdenklich zu verweilen, dann könnten diese Szenen auch Andrei Tarkowskis "Stalker" (1979) oder Denis Villeneuves "Blade Runner 2049" (2017) entsprungen sein.
Vorurteils-, aber auch wertfrei
In seinem neuen Dokumentarfilm bringt Wenders sich nicht selbst ein (wie etwa noch in "Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten"). Weder tritt er vor die Kamera, noch kommentiert er das Geschehen. Auch eine eigene Einschätzung von Kiefers nicht unumstrittenem Werk und dessen scharf kritisierten frühen Arbeiten liegt dem Filmemacher völlig fern. Stattdessen begegnet er Kiefer vorurteilsfrei und überlässt die kunsthistorische Kontextualisierung Experten und Kritikern in kunstvoll eingewobenen Archivaufnahmen.
Gepaart mit einer Handvoll nachgespielter Szenen, die bis zuletzt wie Fremdkörper wirken, ergibt sich ein Mix, wie man ihn selten im Kino zu sehen bekommt. Ein Urteil über Anselm Kiefers Kunst muss sich letztlich jeder selbst bilden. So unentschieden man ihr gegenüber auch eingestellt sein mag, eins ist garantiert: So nah wie in diesem Film kommt man ihr sonst nur im Museum.
Fazit: Wim Wenders' neue Dokumentation ist erneut ein filmisches Kunstwerk – und so unkritisch wie jedes seiner bisherigen Porträts. In immersivem 3D realisiert, ist "Anselm – Das Rauschen der Zeit" ein echtes Erlebnis. Eins ist garantiert: So nah wie in diesem Film kommt man Anselm Kiefers Kunst sonst nur im Museum.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Anselm - Das Rauschen der Zeit"
Land: DeutschlandJahr: 2023
Genre: Dokumentation
Originaltitel: Anselm
Länge: 93 Minuten
Kinostart: 12.10.2023
Regie: Wim Wenders
Darsteller: Anselm Kiefer als Anselm, Daniel Kiefer als Anselm (young), Anton Wenders als Anselm (boy), Ingeborg Bachmann als Self, Joseph Beuys als Self
Kamera: Franz Lustig
Verleih: DCM GmbH