Die Bologna Entführung - Geraubt im Namen des Papstes (2023)
Rapito
In diesem italienischen Historiendrama erzählt Regisseur Marco Bellocchio die unglaubliche, aber wahre Geschichte eines Kindesraubs durch den Vatikan.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Bologna im Jahr 1858: Der jüdische Kaufmann Salomone Mortara (Fausto Russo Alesi), seine Frau Marianna (Barbara Ronchi) und ihre sechs Kinder leben ein unbescholtenes Leben, das über Nacht zum Albtraum gerät. Im Auftrag von Papst Pius IX. (Paolo Pierobon) dringen Soldaten ins Haus der Familie ein und nehmen den siebenjährigen Sohn Edgardo (Enea Sala) mit. Angeblich hätte Anna Morisi (Aurora Camatti), die damalige Amme der Familie, Edgardo im Säuglingsalter notgetauft. Kirchenrechtlich ist der Junge somit Katholik und darf nicht von Juden erzogen werden. Er kommt nach Rom, wo er in einem Kolleg mit anderen Katechumenen, also Taufbewerbern, unterrichtet wird.
Edgardos Familie setzt alles daran, ihren Sohn zurückzubekommen. Unterstützt wird sie dabei von der Öffentlichkeit weit über Italiens Grenzen hinaus und von der internationalen jüdischen Gemeinde. Doch selbst im Zuge der Italienischen Unabhängigkeitskriege, die 1870 mit der Besetzung Roms enden, sind die Bestrebungen der Mortaras nicht von Erfolg gekrönt. Erschwerend hinzu kommt, dass sich Edgardo (jetzt: Leonardo Maltese) während all dessen immer weiter von seiner Herkunft entfremdet.
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Filmkritik
"Die Bologna-Entführung": Kidnapping auf Katholisch
Wie schon sein letzter Spielfilm "Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra" feierte auch Marco Bellocchios neues Drama seine Weltpremiere im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes. Das darin behandelte Thema Antisemitismus war bereits zur Uraufführung ein drängendes. Wenn der Film im November 2023 in die deutschen Kinos kommt, ist dessen Dringlichkeit angesichts der aktuellen Lage in Israel, Gaza, dem Nahen Osten und auf europäischen Straßen evident. Neben vielem anderen ist "Die Bologna-Entführung" eine eindrückliche Geschichtsstunde darüber, wie tief verwurzelt der Judenhass auch im Okzident ist, noch dazu in einer Religion, die Nächstenliebe predigt.
Über Familien, Väter und Überväter
Seit seinem Debütfilm, dem preisgekrönten "Mit der Faust in der Tasche" (1965), rückt der 1939 geborene Drehbuchautor und Regisseur immer wieder die Familie in den Mittelpunkt seiner Filme. Wie im vorliegenden Fall können das auch kuriose Ersatzkonstellationen sein. Nachdem der kleine Edgardo, von Enea Sala beeindruckend gespielt, aus dem Schoß seines Elternhauses gerissen wird, werden ihm zunächst seine gleichaltrigen Leidensgenossen in einem Katechumenenhaus zu Brüdern. Und weil sich der Siebenjährige mit neugierigem Blick und aufgeschlossenem Geist dem dort Gelehrten nicht verschließt, wird ihm schließlich der Papst höchstselbst zu einer Art Vaterersatz.
Edgardos wahrer Familie bleibt derweil nur übrig, zunehmend verzweifeltere Wege einzuschlagen. Doch alle davon sind zum Scheitern verurteilt. An den Fakten orientiert, gerät dieses Drama nie zu einer Heldengeschichte. Hier schwingt sich kein Vater heroisch zum Übervater auf und holt den verlorenen Sohn im Alleingang zurück, wie das vielleicht in einer Hollywood-Variante derselben Geschichte der Fall sein könnte. Was nicht heißt, dass Salomone Mortara und seine Familie nicht alles versuchen, um Edgardo zurückzubekommen. Die öffentliche Meinung, vor allem außerhalb Italiens, steht auf ihrer Seite. Die Mittel, die ihnen dafür, zumal als Juden, zur Verfügung stehen, sind jedoch überschaubar. Nicht zuletzt davon erzählt Bellocchio, von dem Dilemma, das eigene Recht medienwirksam erstreiten, dabei aber bloß kein Aufsehen erregen zu wollen.
Die Perfidität des päpstlichen Rockzipfels
Überzeugend gespielt – neben Enea Sala sind besonders Fausto Russo Alesi und Barbara Ronchi als innerlich zerbrechende Eltern Edgardos hervorzuheben –, mit langem Atem erzählt und von Kameramann Francesco Di Giacomo ("Martin Eden") in betörenden Bildern in Szene gesetzt, ist Marco Bellocchio ein weiteres bewegendes Epos geglückt. Von dessen visueller Brillanz sollte man sich allerdings nicht blenden lassen. Denn hinter all dem Hochglanz versteckt sich eine zutiefst verstörende Geschichte, in der Kinder gehirngewaschen werden und der Schutz bietende mütterliche Rockzipfel perfide gegen den päpstlichen ausgetauscht wird.
Fazit: Auch Marco Bellocchios neues Drama ist ein bewegendes Epos und ein dringliches noch dazu. Überzeugend gespielt, mit langem Atem erzählt und brillant in Szene gesetzt, macht "Die Bologna-Entführung" eine der vielen Wurzeln des Antisemitismus sichtbar.
Wie schon sein letzter Spielfilm "Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra" feierte auch Marco Bellocchios neues Drama seine Weltpremiere im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes. Das darin behandelte Thema Antisemitismus war bereits zur Uraufführung ein drängendes. Wenn der Film im November 2023 in die deutschen Kinos kommt, ist dessen Dringlichkeit angesichts der aktuellen Lage in Israel, Gaza, dem Nahen Osten und auf europäischen Straßen evident. Neben vielem anderen ist "Die Bologna-Entführung" eine eindrückliche Geschichtsstunde darüber, wie tief verwurzelt der Judenhass auch im Okzident ist, noch dazu in einer Religion, die Nächstenliebe predigt.
Über Familien, Väter und Überväter
Seit seinem Debütfilm, dem preisgekrönten "Mit der Faust in der Tasche" (1965), rückt der 1939 geborene Drehbuchautor und Regisseur immer wieder die Familie in den Mittelpunkt seiner Filme. Wie im vorliegenden Fall können das auch kuriose Ersatzkonstellationen sein. Nachdem der kleine Edgardo, von Enea Sala beeindruckend gespielt, aus dem Schoß seines Elternhauses gerissen wird, werden ihm zunächst seine gleichaltrigen Leidensgenossen in einem Katechumenenhaus zu Brüdern. Und weil sich der Siebenjährige mit neugierigem Blick und aufgeschlossenem Geist dem dort Gelehrten nicht verschließt, wird ihm schließlich der Papst höchstselbst zu einer Art Vaterersatz.
Edgardos wahrer Familie bleibt derweil nur übrig, zunehmend verzweifeltere Wege einzuschlagen. Doch alle davon sind zum Scheitern verurteilt. An den Fakten orientiert, gerät dieses Drama nie zu einer Heldengeschichte. Hier schwingt sich kein Vater heroisch zum Übervater auf und holt den verlorenen Sohn im Alleingang zurück, wie das vielleicht in einer Hollywood-Variante derselben Geschichte der Fall sein könnte. Was nicht heißt, dass Salomone Mortara und seine Familie nicht alles versuchen, um Edgardo zurückzubekommen. Die öffentliche Meinung, vor allem außerhalb Italiens, steht auf ihrer Seite. Die Mittel, die ihnen dafür, zumal als Juden, zur Verfügung stehen, sind jedoch überschaubar. Nicht zuletzt davon erzählt Bellocchio, von dem Dilemma, das eigene Recht medienwirksam erstreiten, dabei aber bloß kein Aufsehen erregen zu wollen.
Die Perfidität des päpstlichen Rockzipfels
Überzeugend gespielt – neben Enea Sala sind besonders Fausto Russo Alesi und Barbara Ronchi als innerlich zerbrechende Eltern Edgardos hervorzuheben –, mit langem Atem erzählt und von Kameramann Francesco Di Giacomo ("Martin Eden") in betörenden Bildern in Szene gesetzt, ist Marco Bellocchio ein weiteres bewegendes Epos geglückt. Von dessen visueller Brillanz sollte man sich allerdings nicht blenden lassen. Denn hinter all dem Hochglanz versteckt sich eine zutiefst verstörende Geschichte, in der Kinder gehirngewaschen werden und der Schutz bietende mütterliche Rockzipfel perfide gegen den päpstlichen ausgetauscht wird.
Fazit: Auch Marco Bellocchios neues Drama ist ein bewegendes Epos und ein dringliches noch dazu. Überzeugend gespielt, mit langem Atem erzählt und brillant in Szene gesetzt, macht "Die Bologna-Entführung" eine der vielen Wurzeln des Antisemitismus sichtbar.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Die Bologna Entführung - Geraubt im Namen des Papstes"
Land: Italien, Frankreich, DeutschlandWeitere Titel: Kidnapped
Jahr: 2023
Genre: Drama, Historie
Originaltitel: Rapito
Länge: 134 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 16.11.2023
Streamingstart: 17.11.2023
Regie: Marco Bellocchio
Darsteller: Paolo Pierobon als Papa Pio IX, Fausto Russo Alesi als Salomone Mortara, Barbara Ronchi als Marianna Padovani Mortara, Enea Sala als Edgardo Mortara da bambino, Leonardo Maltese als Edgardo Mortara da ragazzo
Kamera: Francesco Di Giacomo
Verleih: Pandora Film