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FBW-Bewertung: Für immer (2023)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Eva und Dieter Simon haben im Jahr 1953 geheiratet. Den beiden ist gelungen, was so schwer zu erreichen ist. Sie haben einem langen Leben ein gemeinsames ?für immer? abgerungen, sind dem Hochzeitsversprechen, ?in guten wie in schlechten Zeiten? einander beizustehen, so nah wie nur möglich gekommen. Die Filmemacherin Pia Lenz hat diese beiden Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, in einer Langzeitbeobachtung begleitet und einen behutsamen aber doch sehr bewegten Film geschaffen, der am Ende zu einer Lebensbilanz gerät. Ein Leben, zusammengesetzt aus gedrehten Bildern, Erinnerungen, Fotos, Tagebuchaufzeichnungen und einem letzten Augenblick Gegenwart. So ist das Porträt einer schwierigen, dennoch liebevollen und interessanten Lebensreise entstanden. Die fast lebenslangen Tagebuchaufzeichnungen von Eva werden einfühlsam und gleichzeitig ganz neutral von der Schauspielerin Nina Hoss gelesen. Eher inszenierend und sehr auf Wirkung bedacht, hören und sehen wir auch Eva in ihren Erinnerungen suchend. Dieser Kontrast bietet eine weitere interessante Erzählebene. Hier wird der Lebensweg zweier starker Persönlichkeiten über ihre Gefühlslagen, die Zwischentöne eines Ehelebens sowie das Gesagte und das Unausgesprochene erzählt. Wir erfahren, dass die Beiden eines ihrer drei Kinder verloren haben, ein Schicksalsschlag dem viele Beziehungen nicht standhalten. Wir erleben Evas Unmut über das Alleingelassen sein mit der Erziehung und Betreuung der Kinder und hören zwischen den Zeilen die Geschichte einer frühen Selbstermächtigung. Nur sehr ungern erinnert Dieter einen versuchten Ausweg aus einer krisenhaften Situation in eine andere Beziehung, als sich gleichzeitig auch die Seitensprünge Evas offenbaren. Sehr genau spürt Pia Lenz all dem Nichtgesagten im Leben nach. Wir hören in eine tiefe Gefühlswelt der beiden Eheleute hinein. Es sind die unscheinbaren Momente, die Vieles offenbaren. Es braucht keine genauen Details über berufliche Karrieren und Zusammenhänge, es würde nur ablenken vom Essentiellen, diesen Gefühlslagen, dem Zufälligen, dem Unerwarteten, die am Ende über dieses ?für immer? entschieden haben.
Es mag sein, dass Eva ein sehr theatralisches Wesen besitzt und sich sehr bewusst selbst inszeniert. Ganz offen ist zu spüren, dass die Kamera sehr bewusst auch von Beiden wahrgenommen wird. Pia Lenz hat ihren Protagonisten, so scheint es, eine große Mitbestimmung über das, was gesagt und gezeigt wird, zugesprochen. Das legt sie ebenfalls vollkommen offen. Dieser Film ist keine journalistische Enthüllungsgeschichte. Hier wird nicht auf Krawall aus den Ecken gezogen, was die Beziehung kompliziert gemacht und das gemeinsame Leben erschwert hat. Die Filmemacherin weiß genau, was sie will und nimmt sich für die richtigen Dinge Zeit. Damit gibt sie den beiden Protagonisten, bei allen kleinen Enthüllungen, eine große Würde. Genau das ist so schwer zu machen und dem Film so wunderbar gelungen. Dazu tragen die Montage und die dramaturgische Führung des schier unübersehbaren Materials bei, das gewöhnlich bei Langzeitbeobachtungen vorliegt. Das gibt dem Film diese Konsistenz, die sich auf der Gefühlsebene verstetigt. Dafür zeichnet Ulrike Tortora verantwortlich. Ebenso entscheidend für das Gelingen der Text- und Bildebenen ist, dass Pia Lenz neben Buch und Regie auch Bild und Originalton selbst übernimmt. Es ermöglicht, in sehr intimen Momenten dabei zu sein und Zufälliges, das so vielsagend ist, sowie auch Dialoge großer Lebenskraft einzufangen. Der Film betreibt keine Küchenphilosophie und es ist so wunderbar, dass der Film keine Mutmaßungen und keine Äußerung von Eva und Dieter darüber bereithält, wie dieses ?für immer? bewerkstelligt werden kann. Es bleibt das große Geheimnis des Lebens, warum zwei Menschen, die füreinander bestimmt zu sein scheinen, dieses ?für immer? gelingt, und warum andere daran scheitern.






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