FBW-Bewertung: Kannawoniwasein! (2023)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Stefan Westerwelle und seinem Team ist ein bemerkenswerter Kinderfilm und zudem Road Movie gelungen. Die Art und Weise der Kombination dieser beiden Genres ist ausschlaggebend für die Beurteilung der Jury.Der kleine Finn wird von seinem überforderten Vater in den Zug gesetzt, damit sich seine Ex-Frau um ihn kümmern mag. Unterwegs in die Stadt kommt es zu einer Der-Fremde-im-Zug-Begegnung, im Laufe derer Finn seinen Rucksack geklaut bekommt, in dem sich nicht nur die Fahrkarte, sondern ein für Finn wertvolles Fotoalbum befand. Die wenig einfühlsame Bahnbeamtin übergibt ihn am nächsten Bahnhof zunächst mal der Polizei, die ihn mit auf die Wache nehmen will. Das Polizeiduo ist jedoch mehr mit sich selbst als mit dem Jungen beschäftigt und so gelingt es Finn mit Hilfe eines geheimnisvollen Mädchens, das aus dem Nichts auftaucht, zu entkommen.
Ist der Film bis dahin noch linear und klar strukturiert und mit deutlich erkennbaren Wendepunkten versehen, beginnt mit der Flucht ein haarsträubender Road Trip, in dem Finn und Jolas Erlebnisse auf dramaturgisch sehr clevere Weise mit Versatzstücken des Road Movies ausgestattet werden. Finn und Jola versuchen zwar den Dieb und den Rucksack zu finden, aber eigentlich ist nun der Weg das Ziel, ganz wie im Road Movie üblich. Es geht darum, welche Erfahrungen Finn und Jola unterwegs machen und wie sie als Team zusammenwachsen. Was am Ende dabei herauskommt, ist zweitrangig und daher darf auch das etwas glatte Happy End nicht überbewertet werden. Finn und Jola erleben ein fantastisches Abenteuer mit vielen skurrilen Gestalten. Viele dieser Figuren haben ihr Pendant im Road Movie, am deutlichsten selbstverständlich die Motorradgang, zu der, wie sich herausstellt, auch der gesuchte Dieb des Rucksacks gehört. Ebenso wie die Dramaturgie und im Speziellen die Figuren immer mit Blick auf das Road Movie gestaltet sind, wird auch in der Kameraführung und in der Montage mit der Ästhetik des Genres gespielt.
Die Erwachsenen im Film werden zu Gestalten, wie sie vielleicht in ähnlicher Weise Dorothy in DER ZAUBERER VON OZ begegnen. Die Straße wird zum Ort eines Märchens, in dem die Begegnungen mit den ?Großen? für komische und schräge Situationen genutzt wird. Die beiden Kinder, vor allem Jola, legen ein freches Selbstbewusstsein an den Tag, wie man das allenfalls von Pippi Langstrumpf kennt. Miran Selcuk als Finn und Lotte Engels als Jola spielen das mit großer Überzeugungskraft und Natürlichkeit. Die Charakterisierung der Erwachsenen ist nie hemmungslos, sondern ausgewogen übertrieben. Dies gilt auch für die Motorradgang, die von einer Frau angeführt wird (die daher auch anders als in bekannten Rockerfilmen agiert).
Da es auf das Unterwegssein ankommt, ist es nicht nur weniger entscheidend, wie das Ende gestaltet ist. Es ist auch nicht so wichtig, genau auf die Familienverhältnisse von Finn oder auch Jola einzugehen. Die ist Ausgangspunkt für das Abenteuer und es ist gut, dass die Probleme deutlich gezeichnet werden, so etwa wenn man Finn zu Beginn auf einer Liege nächtigend in einem Raum aufwachen sieht, der sichtbar macht, dass ein Ankommen noch nicht stattgefunden hat. Wichtiger ist zudem, die Perspektive der Kinder einzunehmen. Und eine solche Situation wird geschaffen, wenn Finn und Jola unterwegs draußen übernachten müssen und sich abends im Dunkeln (es fehlt nur das Lagerfeuer) gegenseitig mitteilen, was sie bewegt. Die Jury entschied sich einstimmig für das Prädikat BESONDERS WERTVOLL.
Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)