Bis ans Ende der Nacht (2023)
In seinem neuen Film, einem astreinen Neo noir, entführt Regisseur Christoph Hochhäusler sein Publikum abermals in die Abgründe Frankfurts am Main.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Die Sonderermittler um Einsatzleiterin Monika Sterz (Rosa Enskat) sind am ehemaligen DJ und Musikklubbesitzer Victor Arth (Michael Sideris) dran, der im großen Stil Drogen übers Internet vertickt. Um ihn zu überführen, gehen sie einen gewagten Schritt. Der verdeckte Ermittler Robert Demant (Timocin Ziegler) täuscht eine Beziehung mit Leni Malinowski (Thea Ehre) vor, die Victor aus einem früheren Leben kennt. Dafür wurde Leni eigens und unter falschen Versprechungen vorzeitig aus dem Knast entlassen.
Über einen Tanzkurs, den Victor mit seiner Lebensgefährtin Nicole (Ioana Iacob) absolviert, bandeln Robert und Leni mit dem anderen Paar an und gewinnen langsam Victors Vertrauen. Doch nicht nur Victor, auch Robert selbst hat eine Vergangenheit mit Leni, die zunehmend zum Problem wird.
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Filmkritik
"Bis ans Ende der Nacht": Mut zum Genrekino
Das Genrekino fristet in Deutschland nach wie vor ein Nischendasein. Umso erfreulicher ist jeder Film, der sich auf dieses Terrain vorwagt, selbst wenn er dabei zwischendurch ins Leere tappt. Christoph Hochhäusler, der mit seinem Langfilmdebüt "Milchwald" (2003) gemeinsam mit anderen Filmen dafür sorgte, dass in Frankreich von einer nouvelle vague allemande, also einer deutschen neuen Welle, die Rede war, die hierzulande unter dem Begriff Berliner Schule subsumiert wird, bringt nun einen bemerkenswerten Neo noir in die Kinos.
Neo noir in Frankfurt
Nach "Unter dir die Stadt#" (und, nachdem er in "Die Lügen der Sieger" in die Abgründe des Enthüllungsjournalismus hinabgestiegen war) beleuchtet Hochhäusler abermals die Schattenseiten Frankfurts am Main. Diesmal begibt er sich jedoch nicht in die Gefilde der Hochfinanz, sondern in den Graubereich einer verdeckten Ermittlung im Nachtklub- und Drogenmilieu.
Drehbuchautor Florian Plumeyer baut die Handlung geschickt auf. Er wirft das Publikum unvermittelt in die Story, in der von Anfang an etwas nicht zu stimmen scheint. Peu à peu fügt er die Puzzleteile zusammen – und setzt dabei auf das faszinierende Figurenensemble eines klassischen Film noir.
Timocin Ziegler überzeugt als strauchelnder Ermittler, der schließlich vom rechten Weg abkommt. Michael Sideris gibt den Gangster, der sein Herz entdeckt, mit angenehmer Zurückhaltung. Der Clou aber ist, die Rolle der Femme fatale mit einer Transfrau zu besetzen, was die bezüglich ihrer Rollenbilder oft rückwärtsgewandten Noirs im 21. Jahrhundert ankommen lässt. Thea Ehre, die Leni spielt und selbst transgender ist, ist die große Entdeckung dieses Films. Völlig zu Recht hat sie für ihre unerschrockene Darbietung bei der 73. Berlinale einen Silbernen Bären erhalten.
Licht und Schatten
Hochhäusler lässt seinen Kameramann Reinhold Vorschneider, der viele Werke der Berliner Schule im Filmbild festgehalten hat, mit langen Brennweiten arbeiten. Wie die Beweggründe der Figuren bleibt so vieles in der Unschärfe. Auch filmt Vorschneider mit Vorliebe durch Scheiben oder andere Objekte, die an einer klaren Sicht hindern und in denen sich Ort und Geschehen spiegeln, gerade so, als sei das Innenleben der Figuren mehrfach gebrochen nach außen gekehrt. Dazu passt, dass die Kamera mehrmals Anlauf nimmt, um exponierte Szenen zu durchlaufen. Wie die zerbrochenen Figuren sind auch die Szenen fragmentiert.
Hochhäusler hat einen fiebrigen Film gedreht, der gekonnt mit Licht und Schatten jongliert. Während selbst der Tanzkurs, in dem der verdeckte Ermittler auf den Verbrecher trifft, im schummrigen Rotlicht über die Bühne geht, werden entscheidende Deals am helllichten Tag auf einem Ausflugsdampfer ausgehandelt. Am Ende kommt es, wie es in einem Film noir kommen muss. Damit das Ganze aufgeht, muss man als Publikum jedoch die eine oder andere erzählerische Kröte schlucken. Besonders das Finale wirkt (über-)konstruiert. Kleine Schwächen in einem mutigen Genrefilm.
Fazit: Schon mit "Die Lügen der Sieger" (2014) verabschiedete sich Christoph Hochhäusler von der Berliner Schule. Mit "Bis ans Ende der Nacht" taucht er nun noch tiefer ins Genrekino ein. Trotz kleiner Schwächen ein bemerkenswerter, mutiger und fiebriger Film.
Das Genrekino fristet in Deutschland nach wie vor ein Nischendasein. Umso erfreulicher ist jeder Film, der sich auf dieses Terrain vorwagt, selbst wenn er dabei zwischendurch ins Leere tappt. Christoph Hochhäusler, der mit seinem Langfilmdebüt "Milchwald" (2003) gemeinsam mit anderen Filmen dafür sorgte, dass in Frankreich von einer nouvelle vague allemande, also einer deutschen neuen Welle, die Rede war, die hierzulande unter dem Begriff Berliner Schule subsumiert wird, bringt nun einen bemerkenswerten Neo noir in die Kinos.
Neo noir in Frankfurt
Nach "Unter dir die Stadt#" (und, nachdem er in "Die Lügen der Sieger" in die Abgründe des Enthüllungsjournalismus hinabgestiegen war) beleuchtet Hochhäusler abermals die Schattenseiten Frankfurts am Main. Diesmal begibt er sich jedoch nicht in die Gefilde der Hochfinanz, sondern in den Graubereich einer verdeckten Ermittlung im Nachtklub- und Drogenmilieu.
Drehbuchautor Florian Plumeyer baut die Handlung geschickt auf. Er wirft das Publikum unvermittelt in die Story, in der von Anfang an etwas nicht zu stimmen scheint. Peu à peu fügt er die Puzzleteile zusammen – und setzt dabei auf das faszinierende Figurenensemble eines klassischen Film noir.
Timocin Ziegler überzeugt als strauchelnder Ermittler, der schließlich vom rechten Weg abkommt. Michael Sideris gibt den Gangster, der sein Herz entdeckt, mit angenehmer Zurückhaltung. Der Clou aber ist, die Rolle der Femme fatale mit einer Transfrau zu besetzen, was die bezüglich ihrer Rollenbilder oft rückwärtsgewandten Noirs im 21. Jahrhundert ankommen lässt. Thea Ehre, die Leni spielt und selbst transgender ist, ist die große Entdeckung dieses Films. Völlig zu Recht hat sie für ihre unerschrockene Darbietung bei der 73. Berlinale einen Silbernen Bären erhalten.
Licht und Schatten
Hochhäusler lässt seinen Kameramann Reinhold Vorschneider, der viele Werke der Berliner Schule im Filmbild festgehalten hat, mit langen Brennweiten arbeiten. Wie die Beweggründe der Figuren bleibt so vieles in der Unschärfe. Auch filmt Vorschneider mit Vorliebe durch Scheiben oder andere Objekte, die an einer klaren Sicht hindern und in denen sich Ort und Geschehen spiegeln, gerade so, als sei das Innenleben der Figuren mehrfach gebrochen nach außen gekehrt. Dazu passt, dass die Kamera mehrmals Anlauf nimmt, um exponierte Szenen zu durchlaufen. Wie die zerbrochenen Figuren sind auch die Szenen fragmentiert.
Hochhäusler hat einen fiebrigen Film gedreht, der gekonnt mit Licht und Schatten jongliert. Während selbst der Tanzkurs, in dem der verdeckte Ermittler auf den Verbrecher trifft, im schummrigen Rotlicht über die Bühne geht, werden entscheidende Deals am helllichten Tag auf einem Ausflugsdampfer ausgehandelt. Am Ende kommt es, wie es in einem Film noir kommen muss. Damit das Ganze aufgeht, muss man als Publikum jedoch die eine oder andere erzählerische Kröte schlucken. Besonders das Finale wirkt (über-)konstruiert. Kleine Schwächen in einem mutigen Genrefilm.
Fazit: Schon mit "Die Lügen der Sieger" (2014) verabschiedete sich Christoph Hochhäusler von der Berliner Schule. Mit "Bis ans Ende der Nacht" taucht er nun noch tiefer ins Genrekino ein. Trotz kleiner Schwächen ein bemerkenswerter, mutiger und fiebriger Film.
Falk Straub
FBW-Bewertung zu "Bis ans Ende der Nacht"Jurybegründung anzeigen
Christoph Hochhäuslers BIS ANS ENDE DER NACHT ist eine in vielerlei Hinsicht beeindruckende Hommage an den Film noir. Da wäre zum einen die Neuaufstellung der Begehrensordnung mit Transgenderfrau Leni (Thea Erbe) als Femme fatale und dem schwulen [...mehr]TrailerAlle "Bis ans Ende der Nacht"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Bis ans Ende der Nacht"
Land: DeutschlandJahr: 2023
Genre: Thriller
Länge: 123 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 22.06.2023
Regie: Christoph Hochhäusler
Darsteller: Timocin Ziegler als Robert Demant, Thea Ehre als Leni Malinowski, Michael Sideris als Victor Arth, Rosa Enskat als Monika Sterz, Ioana Iacob als Nicole Gilly
Kamera: Reinhold Vorschneider
Verleih: Grandfilm