Er flog voraus – Karl Schwanzer I Architektenpoem (2022)
Visionäres aus Österreich: In dieser dokumentarischen Mischform porträtiert der Regisseur Max Gruber den Architekten Karl Schwanzer.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Karl Schwanzer (1918–1975) war kein gewöhnlicher Architekt. Der in Wien geborene und gestorbene Österreicher ließ sich ungern festlegen. Er lehrte an der Hochschule, leitete ein Großbüro, entwarf Möbel und schrieb Bücher wie das 1973 veröffentlichte "Architektur aus Leidenschaft". Was ihn von seinen Kolleginnen und Kollegen jedoch am meisten unterschied, war, dass er keinen wiedererkennbaren Stil hatte. Spezialisierung war ihm zuwider. Schwanzer entwarf jedes neue Gebäude so, dass es sich dem Ort und der Funktion anpasste. In 28 Schaffensjahren entstanden so mehr als 600 Bauten und Projekte.
Max Gruber porträtiert den Architekten, dem Qualität stets vor Verdienst ging und der mehr als einmal für Nachbesserungen an seinen Gebäuden eigenes Geld in die Hand nahm. Dafür hat Gruber Spielszenen mit Archivmaterial und Interviews gemischt.
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Filmkritik
Wer sich nicht für Architektur interessiert, dürfte mit dem Namen Karl Schwanzer wenig bis nichts anfangen können. Seine Gebäude sind hingegen selbst Architekturbanausen ein Begriff, allen voran das Verwaltungsgebäude von BMW in München, das wie der Vierzylinder eines der Autos der Bayerischen Motoren Werke aussieht. Wie Schwanzer auf diese geniale Idee kam, wer er war und wie er arbeitete, davon erzählt Max Gruber in seiner dokumentarischen Mischform, die er – in Anlehnung an ein Gedicht Schwanzers – im beigestellten Titel als "Architektenpoem" bezeichnet.
Grubers Film geht auf die Initiative von Karl Schwanzers Sohn Martin zurück. Martin Schwanzer, selbst Architekt, arbeitete daran, den Nachlass seines Vaters wissenschaftlich aufbereiten und dem Wien Museum zu überlassen. Anlässlich der feierlichen Überantwortung des Nachlasses im Mai 2018 engagierte er Max Gruber, um den Abend mit seinen Kameraleuten festzuhalten. Als Teil des Festakts schlüpfte der Schauspieler Nicholas Ofczarek in die Rolle Karl Schwanzers und führte auf der Bühne durchs Programm. Der von Gruber verfasste und von Ofczarek vorgetragene Monolog trug den Titel "Er flog voraus". Die Aufnahmen dieses Abends bilden nun den Grundstock für Grubers Film.
Der ist eine Mischung aus Dokumentarfilm, Dokumentarspiel und Experiment; ein Porträt und gleichzeitig eine Hommage. Ofczarek greift die Rolle Schwanzers abermals auf und gibt in, an und rund um Karl Schwanzers Bauten dessen Gedanken wieder, die er unter anderem in seinem Buch "Architektur aus Leidenschaft" niedergeschrieben hat. Seltene, zum Teil bislang unveröffentlichte Archivaufnahmen zeigen den echten Schwanzer in Aktion. Und Animationen verbildlichen Aktionen, von denen es keine Archivaufnahmen gibt, etwa die Anekdote, dass Karl Schwanzer schon mal mutig auf den Motorrädern seiner Studenten Platz nahm und mit ihnen durch Wien knatterte. Klassisch gefilmte Interviews ehemaliger Weggefährten halten diese sehr verschiedenartigen Versatzstücke zusammen.
Grubers Film zeichnet Karl Schwanzer als Visionär und Solitär, stellt ihn aber nicht auf ein Podest. Dieser "Samurai der Architektur", als den ihn ein Zeitgenosse bezeichnet, sei auch voller Widersprüche gewesen: offen gegenüber neuen Ideen, tolerant gegenüber der Jugend, aber zugleich auch "schreiend autoritär". Grubers Film deckt indes nur einen Bruchteil des Lebens und Werks Karl Schwanzers ab. Die beigefügten Titel sind folglich gut gewählt. Dieser Film will keine wissenschaftliche Abhandlung von A bis Z sein, sondern ist eine poetisch angehauchte Hommage. Was nicht nur Architekten, sondern wir alle aus dem Kinosaal mitnehmen können, ist Schwanzers kritischer Blick aufs Expertentum. "Spezialisierung ist Einbahndenken", hat Schwanzer formuliert. Seine Spezialisierung war Mehrgleisigkeit.
Fazit: Max Gruber hat den Architekten Karl Schwanzer (1918–1975) porträtiert. Dessen Gebäude wirken bis heute nach, dessen Philosophie scheint mehr denn je zeitgemäß. Wie Schwanzer, der sich ungern festlegen ließ, entzieht sich auch Grubers Film einer eindeutigen Zuordnung – und passt auf diese Weise wunderbar zu seinem Protagonisten.
Grubers Film geht auf die Initiative von Karl Schwanzers Sohn Martin zurück. Martin Schwanzer, selbst Architekt, arbeitete daran, den Nachlass seines Vaters wissenschaftlich aufbereiten und dem Wien Museum zu überlassen. Anlässlich der feierlichen Überantwortung des Nachlasses im Mai 2018 engagierte er Max Gruber, um den Abend mit seinen Kameraleuten festzuhalten. Als Teil des Festakts schlüpfte der Schauspieler Nicholas Ofczarek in die Rolle Karl Schwanzers und führte auf der Bühne durchs Programm. Der von Gruber verfasste und von Ofczarek vorgetragene Monolog trug den Titel "Er flog voraus". Die Aufnahmen dieses Abends bilden nun den Grundstock für Grubers Film.
Der ist eine Mischung aus Dokumentarfilm, Dokumentarspiel und Experiment; ein Porträt und gleichzeitig eine Hommage. Ofczarek greift die Rolle Schwanzers abermals auf und gibt in, an und rund um Karl Schwanzers Bauten dessen Gedanken wieder, die er unter anderem in seinem Buch "Architektur aus Leidenschaft" niedergeschrieben hat. Seltene, zum Teil bislang unveröffentlichte Archivaufnahmen zeigen den echten Schwanzer in Aktion. Und Animationen verbildlichen Aktionen, von denen es keine Archivaufnahmen gibt, etwa die Anekdote, dass Karl Schwanzer schon mal mutig auf den Motorrädern seiner Studenten Platz nahm und mit ihnen durch Wien knatterte. Klassisch gefilmte Interviews ehemaliger Weggefährten halten diese sehr verschiedenartigen Versatzstücke zusammen.
Grubers Film zeichnet Karl Schwanzer als Visionär und Solitär, stellt ihn aber nicht auf ein Podest. Dieser "Samurai der Architektur", als den ihn ein Zeitgenosse bezeichnet, sei auch voller Widersprüche gewesen: offen gegenüber neuen Ideen, tolerant gegenüber der Jugend, aber zugleich auch "schreiend autoritär". Grubers Film deckt indes nur einen Bruchteil des Lebens und Werks Karl Schwanzers ab. Die beigefügten Titel sind folglich gut gewählt. Dieser Film will keine wissenschaftliche Abhandlung von A bis Z sein, sondern ist eine poetisch angehauchte Hommage. Was nicht nur Architekten, sondern wir alle aus dem Kinosaal mitnehmen können, ist Schwanzers kritischer Blick aufs Expertentum. "Spezialisierung ist Einbahndenken", hat Schwanzer formuliert. Seine Spezialisierung war Mehrgleisigkeit.
Fazit: Max Gruber hat den Architekten Karl Schwanzer (1918–1975) porträtiert. Dessen Gebäude wirken bis heute nach, dessen Philosophie scheint mehr denn je zeitgemäß. Wie Schwanzer, der sich ungern festlegen ließ, entzieht sich auch Grubers Film einer eindeutigen Zuordnung – und passt auf diese Weise wunderbar zu seinem Protagonisten.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Er flog voraus – Karl Schwanzer I Architektenpoem"
Land: ÖsterreichJahr: 2022
Genre: Dokumentarspiel
Länge: 93 Minuten
Kinostart: 16.02.2023
Regie: Max Gruber
Darsteller: Nicholas Ofczarek
Verleih: Salzgeber & Co. Medien GmbH