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FBW-Bewertung: Till - Kampf um die Wahrheit (2022)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Schon in der ersten Szene liegt die ganze Kraft der Geschichte und Qualität der Filmes: Mamie und ihr Sohn Emmett, von ihr liebevoll ?Bo? genannt, fahren zusammen mit dem Auto in die Stadt zum Einkaufen. Sie hören Radio, singen mit. Plötzlich erlischt der Glanz in Mamies Augen. Es ist nicht mehr Unbeschwertheit, sondern blanke Angst, die sich Bahn bricht. Doch kein Dialog verrät den inneren Abgrund, alles findet nur im Gesicht von Danielle Deadwyler statt, die energisch und sensibel zugleich Mamie Till-Mobley verkörpert. ? Es sind die letzten Stunden mit Bo, bevor er zu Verwandten ins ländliche Mississippi aufbricht, um dort die Ferien zu verbringen. Mamie weiß, dass in den amerikanischen Südstaaten der 50er Jahre andere Regeln gelten als im liberaleren Chicago, wo sie als alleinerziehende Mutter lebt. Zwar ist sie die einzige Afroamerikanerin im Büro der Air Force und im Kaufhaus wird sie unsanft auf das Angebot im Keller aufmerksam gemacht, aber die Welle der Gewalt, die ?Negros? in anderen Teilen der USA entgegen gebracht wird, wirkte lange weit, weit weg.

In diesem Kontrast und der unterschwelligen Bedrohung spinnt das sorgsam von einer unaufdringlichen, aber präzisen Kamera eingefangene Drama von Regisseurin Chinonye Chukwu seine Fäden. Es nimmt sich Zeit, das Thema sorgsam aufzubauen. Ohne viel Vorwissen über die amerikanische Rassentrennung vorauszusetzen, schafft es eine große Nähe zu den durchweg schwarzen Hauptfiguren und deren schier endlose Fallhöhe. Man durchlebt mit Mamie und den sie umgebenden Menschen die zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit, die Überheblichkeit der Weißen, deren blinden Hass, die Hilflosigkeit der Opfer. Es geht um nichts weniger als Leben und Tod, daran lässt der Film keinen Zweifel. Nicht einmal wechselt er in die Perspektive der Männer, die Bo nach einem unschuldigen Kompliment an eine weiße Verkäuferin einen ?Denkzettel? verpassen, der zum Funken wird für die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung.

Mamie, die aus der Rolle eines Opfers in die einer Heldin erwächst, kann einen nicht ungerührt lassen. Der Schnitt ist immer auf den Punkt, um den Opfern der weißen Gewalt mit Würde zu begegnen, aber in den wichtigen Momenten hinzusehen. Denn darum geht es: Zu lange wurde weggesehen, sogar bis heute. Erst 2022 wurde das Emmett-Till-Law verabschiedet, das Lynchmorde in den USA nach Bundesgesetz als Hassverbrechen strafrechtlich verfolgbar macht ? 67 Jahre nach dem grausamen Mord, der als realer Fall Pate steht für dieses biografische Drama.

Ganz in der Tradition von Meisterwerken wie MISSISSIPPI BURNING oder SELMA leistet TILL einen unverzichtbaren Beitrag zur aktuellen Rassismus-Debatte und hält ein flammendes Plädoyer für Gleichberechtigung und Rechtsstaatlichkeit.

In Abwägung aller Argumente vergibt die Jury gerne das Prädikat BESONDERS WERTVOLL.






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