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FBW-Bewertung: Oppenheimer (2022)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Der neue Film von Christopher Nolan führt in vieler Hinsicht seine bisherigen Kinoerzählungen, in denen er die Dimensionen Raum und Zeit mittels modernster Filmtechnik erkundet, fort, weicht aber auch signifikant davon ab. Auch OPPENHEIMER bewegt sich als ebenso perfektes wie komplexes Unterhaltungs- und Überwältigungskino auf mehreren Zeit- und Raumebenen. Andererseits handelt es sich um Nolans erstes Biopic, was ein anderes Verhältnis von erzählter Geschichte und Historie erfordert, als in den meisten seiner Filme (mit Ausnahme von DUNKIRK, der aber wesentlich weniger erzählte Zeit abdecken muss).Thematisch ist der Film nicht weit von seinen Science-Fiction-Filmen entfernt. Denn die Hauptfigur hat mit der Entwicklung der Atombombe wesentlich zu Stoffen und Diskursen des Science-Fiction-Genres in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beigetragen.

Der Herausforderung, das Leben Oppenheimers in seinen komplexen Verflechtungen insbesondere mit Wissenschaft und Politik darzustellen, begegnet der Film, indem das Erzählen auf mehreren Zeitebenen nicht aufgegeben, aber wesentlich verständlicher gestaltet wird, als das im Werk Nolans bisher üblich war. Der Film erzählt immens schnell, hat aber auch lange Dialogpassagen, die vieles diskutieren und zudem erklären, nichtsdestoweniger höchste Aufmerksamkeit erfordern. Auch dieses Werk kann und sollte man sich ein zweites und drittes Mal ansehen. Doch die gezielte Irritation des Publikums ? Nolans Konzept des Mind-Game-Movies (mit INCEPTION auf die Spitze getrieben) ? bleibt hier aus. Es sind nur kleine Mitdenkspiele eingefügt, so etwa, was Oppenheimer und Einstein bei ihrer Begegnung im Park denn wohl besprochen haben, als ersterer seine Tätigkeit für die Atomic Energy Commission unter der Leitung von Lewis Strauss begann.

Der Film ist bis in die letzte Rolle sehr gut besetzt, allen voran Cillian Murphy als Oppenheimer und Robert Downey jr. als Gegenspieler Lewis Strauss. Murphy ist ein Glücksgriff für die Hauptrolle, weil es ihm gelingt, die fast kindliche Befriedigung wissenschaftlicher Neugier in Beziehung zu setzen zur enormen Verantwortung, die sein Handeln mit sich bringt. Dadurch wird er schwer greifbar, doch das ist ja auch genau das, was diese historische Persönlichkeit spannend macht. Die Entwicklung des Konflikts zwischen den beiden Kontrahenten ist dramaturgisch überzeugend gestaltet und kulminiert zum Ende des Films in einer meisterhaften zeitlich versetzten Parallelmontage.

Trotz der enormen Laufzeit von drei Stunden ist OPPENHEIMER zu keinem Moment langatmig. Unterstützt durch die Arbeit von Jennifer Lame, die schon für die Montage von TENET verantwortlich zeichnete, und vor allem durch die fast permanent eingesetzte Musik von Ludwig Göransson ist ein Werk entstanden, das wie eine Oper anmutet: eine Oper für das 21. Jahrhundert, in dem die Atombombe ihr Gefahrenpotential alles andere als eingebüßt hat. Die Jury sah in diesem Film eine ?besonders wertvolle? Leistung.



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