Medusa (2022)
Glauben als Grauen: feministische Horrorgroteske aus einem dystopischen Brasilien.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 1 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Brasilien in nicht allzu ferner Zukunft: Kirche und Staat sind nicht länger voneinander getrennt. Eine Art christliche Security sorgt auf den Straßen für Zucht und Ordnung. Und Mariana (Mari Oliveira), Michele (Lara Tremouroux) und ihre Gang aus Vorzeigefrauen machen nachts maskiert auf andere Frauen Jagd, die sich unsittlich benehmen. Sie alle wohnen in einer Erziehungsanstalt, die gefallene Mädchen zu anständigen Ehefrauen macht.
Angefacht wird ihr fanatischer Eifer von einer Legende, nach der ein Engel der Sünderin Melissa (Bruna Linzmeyer), einem Schauspielstar, als Strafe für ihr sündiges Verhalten das Gesicht verbrannt haben soll. Seither ist Melissa von der Bildfläche verschwunden. Auf der Suche nach ihr tritt Mariana eine neue Arbeitsstelle in einer Klinik an, in der sie Melissa vermutet. Was sie dort erlebt, verändert ihre Sichtweise.
Bildergalerie zum Film "Medusa"
Hier streamen
Filmkritik
Wie ist es um Brasiliens Zukunft bestellt? Folgt man Anita Rocha da Silveiras Fantasie, dann wird die Zukunft fürchterlich. Glaube und Machismo regieren. Eine Welt, in der Gott und die Männer (die Gottes Wort verkünden und dessen Gebote auf der Straße mit ihrer Muskelkraft verteidigen) den Ton angeben. Frauen machen in dieser Dystopie lediglich den Mund auf, um anderen Frauen Schönheitstipps zu geben. Schließlich sollen sie vorzeigbar aussehen, wenn der Mann nach verrichtetem Tagwerk nach Hause kommt. Oder um andere Frauen, die ihrem Frauenbild nicht entsprechen, mit Prügeln und Beschimpfungen in die Schranken zu weisen. Doch so düster all das klingen mag, es keimt Hoffnung.
Diese auf dem Papier ausgesprochen dunkle Zukunftsvision kommt bei Rocha da Silveira durchaus bunt daher. Selbst die Nacht, in der viele Szenen spielen, ist nicht rabenschwarz, sondern von Neonlichtern durchzogen. Grün- und Rottöne dominieren. Diese Zukunft sieht mitunter poppig aus. In ihrer versierten Inszenierung eröffnet Rocha da Silveira filmische Assoziationsräume, in denen das Genrekino seelenverwandter Bilderstürmer wie Nicolas Winding Refn, Alejandro Jodorowsky und Agustí Villaronga nachhallt.
Folgten wir nur diesen religiösen Fanatikerinnen, es wäre wahrlich eine furchtbare Welt (und ein furchtbarer Film). Doch eine der Figuren begehrt auf; zunächst nicht einmal beabsichtigt und zieht nach und nach weitere auf ihre Seite. Das Leben ohne strenge Regeln, ohne puritanischen Eifer, ohne einen sinnentleerten Glauben macht Spaß. Und während die von Mari Oliveira eindrücklich gespielte Protagonistin Mariana und ihre Glaubensgenossinnen dies erkennen, erkennen sie auch, wer hinter ihrer unterdrückten Unzufriedenheit steckt. Ihr Schrei des Aufbegehrens ist einer gegen das Patriarchat.
Dieser Schrei, der andere lähmt, gar bis in einen komatösen Tiefschlaf versetzen kann, das ist Rocha da Silveiras Neuinterpretation des Medusa-Mythos, der im Filmtitel anklingt. Um selbst zum Filmmythos zu werden, dafür fehlt "Medusa" noch ein gutes Stück. Der ambitionierte und sehenswerte Genremix, der seine Weltpremiere 2021 bei den Filmfestspielen in Cannes in der Nebenreihe "Quinzaine des Réalisateurs" feierte, könnte deutlich straffer und fokussierter sein. Mit etwas mehr als zwei Stunden Laufzeit hat er nicht nur einige unnötige Längen, unter all den schön komponierten Bildern verliert er zwischendurch auch seine Story aus dem Blick.
Fazit: Anita Rocha da Silveiras "Medusa" ist ein sehenswerter Genremix. Ihre Dystopie über ein christlich-fanatisches Brasilien, in dem züchtige Frauen endlich aufbegehren, ist eine bildgewaltige und feministische Neuinterpretation des Medusa-Mythos. Versiert inszeniert und stark gespielt ist der Film letzten Endes aber zu lang und nicht fokussiert genug.
Diese auf dem Papier ausgesprochen dunkle Zukunftsvision kommt bei Rocha da Silveira durchaus bunt daher. Selbst die Nacht, in der viele Szenen spielen, ist nicht rabenschwarz, sondern von Neonlichtern durchzogen. Grün- und Rottöne dominieren. Diese Zukunft sieht mitunter poppig aus. In ihrer versierten Inszenierung eröffnet Rocha da Silveira filmische Assoziationsräume, in denen das Genrekino seelenverwandter Bilderstürmer wie Nicolas Winding Refn, Alejandro Jodorowsky und Agustí Villaronga nachhallt.
Folgten wir nur diesen religiösen Fanatikerinnen, es wäre wahrlich eine furchtbare Welt (und ein furchtbarer Film). Doch eine der Figuren begehrt auf; zunächst nicht einmal beabsichtigt und zieht nach und nach weitere auf ihre Seite. Das Leben ohne strenge Regeln, ohne puritanischen Eifer, ohne einen sinnentleerten Glauben macht Spaß. Und während die von Mari Oliveira eindrücklich gespielte Protagonistin Mariana und ihre Glaubensgenossinnen dies erkennen, erkennen sie auch, wer hinter ihrer unterdrückten Unzufriedenheit steckt. Ihr Schrei des Aufbegehrens ist einer gegen das Patriarchat.
Dieser Schrei, der andere lähmt, gar bis in einen komatösen Tiefschlaf versetzen kann, das ist Rocha da Silveiras Neuinterpretation des Medusa-Mythos, der im Filmtitel anklingt. Um selbst zum Filmmythos zu werden, dafür fehlt "Medusa" noch ein gutes Stück. Der ambitionierte und sehenswerte Genremix, der seine Weltpremiere 2021 bei den Filmfestspielen in Cannes in der Nebenreihe "Quinzaine des Réalisateurs" feierte, könnte deutlich straffer und fokussierter sein. Mit etwas mehr als zwei Stunden Laufzeit hat er nicht nur einige unnötige Längen, unter all den schön komponierten Bildern verliert er zwischendurch auch seine Story aus dem Blick.
Fazit: Anita Rocha da Silveiras "Medusa" ist ein sehenswerter Genremix. Ihre Dystopie über ein christlich-fanatisches Brasilien, in dem züchtige Frauen endlich aufbegehren, ist eine bildgewaltige und feministische Neuinterpretation des Medusa-Mythos. Versiert inszeniert und stark gespielt ist der Film letzten Endes aber zu lang und nicht fokussiert genug.
Falk Straub
TrailerAlle "Medusa"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Medusa"
Land: BrasilienJahr: 2022
Genre: Horror, Fantasy
Länge: 127 Minuten
Kinostart: 01.12.2022
Regie: Anita Rocha da Silveira
Darsteller: Mari Oliveira als Mariana (as Mariana Oliveira), Lara Tremouroux als Michele, Joana Medeiros als Karen, Felipe Frazão, Thiago Fragoso
Kamera: João Atala
Verleih: Drop-Out Cinema eG
Verknüpfungen zu "Medusa"Alle anzeigen
Trailer