Annie Ernaux - Die Super-8 Jahre (1981)
Les années Super-8
Französischer Dokumentarfilm, für den Annie Ernaux an der Seite ihres Sohnes das Familienarchiv öffnet.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Annie Ernaux, am 1. September 1940 in der Normandie in eine Arbeiterfamilie hineingeboren, steht zu Beginn der 1970er-Jahre noch ganz am Anfang ihres schriftstellerischen Schaffens. Im Winter 1972, dreieinhalb Jahrzehnte, bevor der Roman "Die Jahre" sie endgültig auf der Karte der Weltliteratur verortete, legt sich Ernaux mit ihrem Mann Philippe eine Super-8-Kamera zu und hält Feiern, Feste, Ausflüge, Urlaube und Auslandsreisen der nächsten neun Jahre fest.
Das Paar hat zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Söhne und lebt in den Bergen nahe der Schweizer Grenze. Annie arbeitet als Lehrerin, Philippe als stellvertretender Generalsekretär im Rathaus. Später ziehen sie von dort an den Rand von Paris. Nach 17 gemeinsamen Jahren lassen sie sich 1981 scheiden. Zusammen mit ihrem 1968 geborenen Sohn hat die Literaturnobelpreisträgerin einen Dokumentarfilm über diese Zeit gemacht.
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Filmkritik
Selbst wer noch nie ein Buch von ihr in Händen hielt, hat ihren Namen im Ohr. Denn am 10. Dezember nahm die Französin Annie Ernaux in Schweden den Nobelpreis für Literatur entgegen. In diesen erlauchten Kreis hat es die 1940 geborene Schriftstellerin mit ausgesprochen autobiografischen Werken geschafft. Einige davon wurden verfilmt, zuletzt etwa "Das Ereignis" (2021), ein Drama, das von Ernaux' Studienjahren, einer ungewollten Schwangerschaft und einer traumatischen Abtreibung erzählt und bei den 78. Internationalen Filmfestspiele von Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Zu Ernaux' autobiografischem Ansatz passt gut, dass sie nun an der Seite ihres Sohnes einen Dokumentarfilm herausbringt. Im Zentrum steht ihre Familie. Was sonst?
Die Aufnahmen, die Annie Ernaux und David Ernaux-Briot ausgegraben haben, wurden mit einer Super-8-Kamera gemacht, die sich die Familie im Winter 1972 zugelegt hat. In den folgenden neun Jahren wurden Familienfeiern und Feste wie Weihnachten sowie Ausflüge, Urlaube und Auslandsreisen festgehalten. Auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches, sondern Alltag, wie er in vielen Mittelschichtsfamilien vorkam. Doch neben das Ungewöhnliche gesellt sich Besonderes. Annie Ernaux und ihr Mann Philippe bereisten auch Länder, die seinerzeit nicht jeder auf dem Zettel hatte: Chile noch unter Allende und kurz vor dem Putsch durch Pinochet, Albanien unter Hoxha, Moskau unter Breschnew.
Weltpolitik steht somit neben dem Privaten in diesem Dokumentarfilm. Annie Ernaux selbst reflektiert beides aus dem Off. Ihr Kommentar hat literarische Qualität und ist eine Mischung aus Gedankenstrom und Tagebucheintrag. Da die Super-8-Aufnahmen nicht über Ton verfügen und fürs Kino nun stellenweise nachträglich vertont wurden, erhält das Ganze im Zusammenspiel mit der leisen musikalischen Untermalung eine surreale Note. "Annie Ernaux – Die Super-8-Jahre" wirkt stets ein wenig so, als sähe man der großen Schriftstellerin dabei zu, wie sie von ihrer Vergangenheit träume.
An ihr schriftstellerisches Werk reicht dieser Film nicht heran, bildet aber eine wichtige Ergänzung. Er führt vor Augen, wie spät Ernaux mit dem Schreiben begann und es selbst dann noch infrage stellte, weil es weder ihrer sozialen Herkunft noch ihrer Rolle als Frau und Mutter entsprach. Neben Weltpolitik und Familiengeschichte dokumentiert "Die Super-8-Jahre" auch den langen und gewundenen Weg einer Emanzipation.
Fazit: "Annie Ernaux – Die Super-8-Jahre" ist eine versiert montierte Mischung aus reflexivem Gedankenstrom und Tagebucheintrag. Die Literaturnobelpreisträgerin Ernaux blickt anhand alter Super-8-Aufnahmen auf einen entscheidenden Abschnitt ihres Privat- und Berufslebens zurück. Das Persönliche steht stets neben der Weltpolitik. Der mitunter traumgleich anmutende Film ist ein Stück Zeit- und Emanzipationsgeschichte sowie eine Ergänzung zu Ernaux' literarischem Werk.
Die Aufnahmen, die Annie Ernaux und David Ernaux-Briot ausgegraben haben, wurden mit einer Super-8-Kamera gemacht, die sich die Familie im Winter 1972 zugelegt hat. In den folgenden neun Jahren wurden Familienfeiern und Feste wie Weihnachten sowie Ausflüge, Urlaube und Auslandsreisen festgehalten. Auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches, sondern Alltag, wie er in vielen Mittelschichtsfamilien vorkam. Doch neben das Ungewöhnliche gesellt sich Besonderes. Annie Ernaux und ihr Mann Philippe bereisten auch Länder, die seinerzeit nicht jeder auf dem Zettel hatte: Chile noch unter Allende und kurz vor dem Putsch durch Pinochet, Albanien unter Hoxha, Moskau unter Breschnew.
Weltpolitik steht somit neben dem Privaten in diesem Dokumentarfilm. Annie Ernaux selbst reflektiert beides aus dem Off. Ihr Kommentar hat literarische Qualität und ist eine Mischung aus Gedankenstrom und Tagebucheintrag. Da die Super-8-Aufnahmen nicht über Ton verfügen und fürs Kino nun stellenweise nachträglich vertont wurden, erhält das Ganze im Zusammenspiel mit der leisen musikalischen Untermalung eine surreale Note. "Annie Ernaux – Die Super-8-Jahre" wirkt stets ein wenig so, als sähe man der großen Schriftstellerin dabei zu, wie sie von ihrer Vergangenheit träume.
An ihr schriftstellerisches Werk reicht dieser Film nicht heran, bildet aber eine wichtige Ergänzung. Er führt vor Augen, wie spät Ernaux mit dem Schreiben begann und es selbst dann noch infrage stellte, weil es weder ihrer sozialen Herkunft noch ihrer Rolle als Frau und Mutter entsprach. Neben Weltpolitik und Familiengeschichte dokumentiert "Die Super-8-Jahre" auch den langen und gewundenen Weg einer Emanzipation.
Fazit: "Annie Ernaux – Die Super-8-Jahre" ist eine versiert montierte Mischung aus reflexivem Gedankenstrom und Tagebucheintrag. Die Literaturnobelpreisträgerin Ernaux blickt anhand alter Super-8-Aufnahmen auf einen entscheidenden Abschnitt ihres Privat- und Berufslebens zurück. Das Persönliche steht stets neben der Weltpolitik. Der mitunter traumgleich anmutende Film ist ein Stück Zeit- und Emanzipationsgeschichte sowie eine Ergänzung zu Ernaux' literarischem Werk.
Falk Straub
Besetzung & Crew von "Annie Ernaux - Die Super-8 Jahre"
Land: FrankreichJahr: 1981
Genre: Dokumentation
Originaltitel: Les années Super-8
Länge: 61 Minuten
FSK: 0
Kinostart: 29.12.2022
Regie: Annie Ernaux, David Ernaux-Briot
Darsteller: Blanche Madeleine Dumenil Duchesne, Annie Ernaux, Dominique Ernaux, Éric Ernaux, Philippe Ernaux
Kamera: Philippe Ernaux
Verleih: Film Kino Text