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FBW-Bewertung: Nachtwald (2021)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: ?Man muss im Leben so viel träumen, wie man nur kann, denn was man träumen kann, das kann man auch erreichen.? NACHTWALD beginnt wie ein typischer Vater-Sohn-Film: Die beiden Männer des Hauses verbringen Zeit wie echte ?Buddys?. Und Pauls Vater glaubt wirklich an seine Träume. Vor allem glaubt er an ein gigantisches Höhlensystem im Ursulenberg. Aber weil ihn die Leute im Dorf für einen Spinner halten, macht er sich alleine auf den Weg, die sagenumwobenen Höhlen zu finden. Eine Suche, von der er nicht mehr zurückkehren wird. Ein Jahr darauf bricht Paul auf, um den Spuren seines Vaters zu folgen. An seiner Seite sein Kumpel Max. Die anfänglichen, vielleicht ein wenig zu satt aufgetragenen Jugendfilmklischees fängt NACHTWALD ziemlich schnell wieder auf und macht sie mehr als wett durch eine äußerst authentische, großartig erzählte Geschichte.

Mit einem fantastischen Gespür für Atmosphäre erzählt André Hörmann die Geschichte einer Spurensuche. Zwei Jungs, die nicht unbedingt zu den angesehensten der Klasse zählen, tun sich zusammen und erleben die Sommerferien ihres Lebens. Schön ist, so die Jury, dass Hörmann keinen US-amerikanischen oder angelsächsischen Vorlagen nachgeeifert hat, sondern eigenständig und frei in Szene setzt. Dass sein Film dabei nie steif oder pädagogisierend deutsch wirkt, ist umso beeindruckender. Immer wieder schafft es Hörmann, den inhaltlichen Fokus des Films so raffiniert zu setzen, dass die Geschichte weder überdreht noch langweilig wirkt. Pauls Sehnsucht nach dem Vater wird durch die Entdeckung dessen Tagebuchs aufgefangen, in dem Paul, gut in Rätselform verpackt, den Zugang zur geheimnisvollen Höhle finden wird. Ein prima Einfall, der sicherlich bei der Zielgruppe gut ankommen wird.

NACHTWALD ist tatsächlich ein herausragendes deutsches Jugendfilmabenteuer, das auch mit sensiblen Tönen umzugehen weiß und ? um beim Bild zu bleiben ? den Ton dann auch trifft! Das erkennt die Jury nicht nur in Pauls Trauer um den verschollenen Vater, bzw. dessen Abneigung des neuen Freundes der Mutter. Auch in der Darstellung der Freundschaft zwischen Paul und Max zeigt sich Hörmann mutig, weil er die bei Freundschaften im Alter von Paul und Max auch in der Realität häufiger zu findenden Anklänge gleichgeschlechtlicher Zuneigung nicht ausblendet, sondern mit reichlich Witz auffängt.

Mit NACHTWALD hat André Hörmann nicht nur auf ein tolles Drehbuch zurückgreifen können, sondern auch auf zwei echte Schauspieltalente. Levi Eisenblätter als Paul und Jonas Oeßel als dessen Freund Max verfügen nicht nur über großartige Kamerapräsenz, sondern agieren auch außergewöhnlich authentisch. Allein die Statisten hätten, nach Ansicht der Jury, besser geführt werden können. Gemessen an dem, was die beiden Jungen durchgemacht haben, wirken Rettungsdienste und Polizei letztlich befremdlich distanziert und relativ unsensibel. Das ist de facto schade für ein bis dahin so leidenschaftliches Jugendabenteuer.

NACHTWALD ist eine großartige Geschichte von Freundschaft, vom Scheitern und auch vom Weitermachen, das der Jury ausnehmend gut gefallen hat. Nach Darlegung aller Argumente entschließt sich die Jury daher gerne, dem Film das Prädikat ?besonders wertvoll? zu verleihen.



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