War Sailor (2022)

Mit "War Sailor" behandelt Regisseur Gunnar Vikene, der gleichzeitig das Drehbuch verfasst hat, einen filmisch bislang wenig behandelten Aspekt des Zweiten Weltkriegs. Alfred, Sigbjörn und die anderen Matrosen transportieren mit ihrem Schiff für Großbritannien wichtige Fracht – als Teil der alliierten Handelsflotte und auf Geheiß der norwegischen Exilregierung. Unter der Flagge der "Norwegian Shipping and Trade Mission", kurz Nortraship genannt, hatten sich zehntausende, bislang vom Krieg verschont gebliebener Norweger und einfache Seeleute an der Unternehmung zu beteiligen.

Mehrere tausend von ihnen starben in den eiskalten Wellen des Atlantiks. Auf das Schicksal dieser Männer macht das zweieinhalbstündige Anti-Kriegsepos "War Sailor" aufmerksam. Die zehn Millionen Euro teure norwegische Produktion zeigt also keine ausgebildeten Soldaten oder langjährig erfahrene Offiziere im Kampf gegen feindliche Bomben, Zerstörung und die Naturgewalt der Fluten. Im Mittelpunkt stehen einfache Zivilisten, die unbeabsichtigt in die Kriegswirren geraten. Vikene findet nachdrückliche Bilder für den Überlebenskampf der Männer auf ihrem Schiff. Ganz dicht folgt er ihnen mit der Kamera etwa beim hektischen Treiben an Bord, unmittelbar nachdem ein Torpedo große Teile des Schiffs zerfetzt hat.

Der Gebrauch der Handkamera ist mit dafür verantwortlich, dass "War Sailor" in diesen Szenen eine ungemeine Sogwirkung und Unmittelbarkeit erzeugt. Ähnlich verfährt Vikene bei einigen Sequenzen an Land, etwa wenn er in der Stadt Bergen die Verzweiflung und Todesangst der Menschen nach einem Bombenangriff der Nazis nicht nur zeigt – sondern diese im dokumentarischen Stil hautnah und in nervösen, unsteten Close-Ups einfängt.

Einen spannenden Gegenpol stellen die entschleunigten, ruhigen Momente dar. Die Zeiten des Friedens, noch bevor das Grauen des Kriegs hereinbricht. "War Sailor" schildert das Leben der Hauptfiguren in drei Akten: vor, während und (noch Jahrzehnte) nach den traumatischen Ereignissen zu Land und Wasser. Ein Ansatz, der natürlich nicht neu ist – aber den "War Sailor" gekonnt und glaubhaft umsetzt. Durch diese Dreiteilung ergeben sich drei völlig unterschiedliche Sichtweisen und Perspektiven auf ein Ereignis, den Krieg, den jede Protagonistin und jeder Protagonist dieses mitreißenden Films auf ganz eigene, individuelle Art verarbeitet.

Fazit: In ungeschliffenen, authentischen Handkamerabildern festgehaltenes, mehrere Dekaden umspannendes Drama, das die Auswirkungen des Krieges auf die einfache Zivilbevölkerung glaubwürdig und nachhaltig schildert.