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FBW-Bewertung: Girl You Know It's True (2022)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Trotz aller Gerüchte, die schon vorher in Bezug auf Frank Farians Erfolgsband Boney M bestanden, erschütterte der Skandal um Milli Vanilli die Popwelt im Jahre 1990 in ihren Grundfesten. Blickt man heute in Zeiten von Vollplaybacks und technischen Hilfsmitteln wie Autotune auf die Zeit zurück, erscheint sie einem rückblickend beinahe unschuldig, aber vielleicht auch ein wenig so, als habe der Pop damals seine behauptete Unschuld endgültig verloren.

Dies wäre für Popnostalgiker sicherlich ein Stoff für das ganz große Drama, doch Simon Verhoeven wählt für seinen Film GIRL YOU KNOW IT?S True einen anderen Weg. Einen, der die Tragik zwar nicht ausspart oder negiert, der aber auch komödiantische und satirische Momente einstreut und so eine Melange erschafft, die ein großes Publikum ansprechen kann.

Dafür zieht der Film alle Register, er überzeichnet, spitzt zu, verdichtet, nimmt in rasanten Schnittsequenzen halsbrecherische Fahrt auf, wird dann wieder ganz ruhig, erzählt von der Enge der BRD, vom Aufwachsen als junger Mensch, der anders aussieht als die meisten Anderen, von Perspektivlosigkeit und unvermutet auftauchenden Chancen, von Kartoffelsuppe servierenden Pop-Produzenten (Matthias Schweighöfer gibt den Frank Farian am Rande der Karikatur und manchmal auch darüber hinaus), Größenwahn und Selbstüberschätzung und dem tiefen Fall aus dem Pop-Himmel, der Milli Vanilli sogar in die USA und zu Grammy-Ehren führte, bevor der jähe Absturz folgte.

All dies zeichnet der Film variantenreich, opulent und mit einem verschmitzten Augenzwinkern nach. So fungieren Rob Pilatus und Fabrice Morvan bzw. deren filmische Entsprechungen selbst als rückblickende Erzähler, dann wieder durchbricht Matthias Schweighöfer als Frank Farian die vierte Wand zum Zuschauerraum und schildert seine Sicht der Dinge - und obwohl die Sympathien des Films eindeutig auf einer Seite sind, zeichnet der Film keine platten Schwarzweiß-Bilder, sondern lässt alle Akteure als Getriebene und Menschen voller Fehler erscheinen, die die Folgen ihres Handelns im Rausch des Erfolgs schlichtweg falsch einschätzen.

Eine Schau sind aber auch die beiden Hauptdarsteller Tijan Nije und Elan Ben Ali, die Fab & Rob nicht nur täuschend echt verkörpern, sondern die sich auch die Dance Moves draufgepackt haben. Beides kommt insbesondere in einer raffinierten Parallelmontage zum Tragen, in deren Verlauf der Film zwischen Originalmaterial und Nachgestelltem hin und her schneidet. Und man muss schon sehr genau hinschauen, auf welcher Ebene man sich gerade befindet, so täuschend ähnlich gestaltet sich das montierte Material. Es sind Szenen wie diese, in denen man merkt, wie viel Mühe und Lust am Detail in diesem Film steckt.

Am Ende des Films sieht man während des Abspanns, dass diese Sorgfalt kein Zufall ist: Neben Carmen Pilatus, der Schwester des 1998 verstorbenen Robert ?Rob? Pilatus, wirken auch Todd Headlee, der einst der Manager von Milli Vanilli in den USA war, sowie der Musiker Brad Howell, zu dessen Vocals Rob die Lippen bewegte, als Associate Producer mit. Und gräbt man ein wenig tiefer, dann findet man unter anderem eine Produktionsgeschichte des Stoffes, die fast 15 Jahre zurückreicht und von vielen gescheiterten Anläufen erzählt, sogar eine US-amerikanische Großproduktion sollte aus der Geschichte von Fab & Rob entstehen. Dass nun stattdessen eine deutsche Produktion mit sichtbar internationalem Anspruch den Skandal aufarbeitet und dies auf äußerst unterhaltsame Weise tut, ist umso erfreulicher - nicht auszudenken, was Hollywood Moralindurchtränktes auf die Leinwand gebracht hätte.

Die Jury der FBW erteilte dem Film einstimmig das Prädikat ?Besonders wertvoll?.



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