An einem schönen Morgen (2022)

"An einem schönen Morgen" ist das neue Werk der 1981 geborenen französischen Drehbuchautorin und Regisseurin Mia Hansen-Løve ("Eden", "Alles was kommt"). Stets finden sich in ihren Arbeiten autobiografische Spuren – etwa in der Zeichnung der zwischenmenschlichen Beziehungen und/oder des bildungsbürgerlichen Milieus. Diesmal steht das Verhältnis zum Vater im Mittelpunkt. Als Alter Ego der Filmemacherin dient hier die Übersetzerin und Dolmetscherin Sandra, die mit ihrer kleinen Tochter in Paris lebt und damit konfrontiert wird, dass ihr kranker Vater nicht länger alleine wohnen kann.

Hansen-Løve bleibt ihrer leisen und empathischen Erzählweise treu. Anfangs fängt sie mit ihrem Kameramann Denis Lenoir ganz unaufgeregt und doch sehr präzise den Arbeitsalltag der Protagonistin ein – etwa wenn Sandra interessiert und konzentriert bei öffentlichen Reden, Führungen oder Panels ihrem Job nachgeht. Die Herausforderungen im Familien- und Liebesleben, die sich im Laufe der Handlung ergeben, werden nicht thesenhaft eingebaut, sondern fließen organisch und stimmig mit ein. Als Sandra eine Affäre mit dem verheirateten Kosmochemiker Clément beginnt, geht es dem Film nicht darum, ein moralisches Urteil zu fällen – weder über Sandra als Geliebte, noch über den fremdgehenden Clément. Vielmehr wird die sexuelle Lust, die Heimlichkeit und der Schmerz ohne übertriebene Melodramatik vermittelt.

Ebenso einfühlsam und bedacht geht Hansen-Løve auch vor, wenn sie uns zeigt, wie sich Sandra wegen des kritischen gesundheitlichen Zustands ihres Vaters plötzlich mit der Finanzierung eines Heimplatzes, der Auflösung einer Wohnung und gar dem schwierigen Thema Sterbehilfe beschäftigen muss – und dadurch unweigerlich über die Vergänglichkeit nachzudenken beginnt. Auch dank des authentisch wirkenden Spiels von Léa Seydoux ("Blau ist eine warme Farbe") in der Hauptrolle sind Sandras Gefühle der Ungewissheit und Ratlosigkeit in jedem Augenblick nachvollziehbar.

Fazit: Ein genau beobachteter, nuanciert gespielter Film über die Probleme des Alltags und über familiäre Verantwortung.