Eine Frau (2022)
Stationen eines Lebens: Die Regisseurin Jeanine Meerapfel forscht in ihrem Dokumentarfilmessay ihrer Mutter nach.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Marie-Louise Chatelaine, die von allen nur "Malou" genannt wird, wird 1905 in Burgund in arme Verhältnisse geboren. Als sie den deutschen Tabakhändler Karl Meerapfel kennenlernt, hat sie scheinbar das große Los gezogen. Als die Nazis an die Macht kommen, wandert das Ehepaar nach Argentinien aus. Hier wird 1943 ihre zweite Tochter Jeanine geboren, die später nach Deutschland gehen und Filme machen wird.
In Argentinien angekommen, währt das Glück nicht lange. Karl verlässt seine Frau für eine andere und lässt sich scheiden. Malou zieht mit ihren Töchtern in eine kleine Wohnung, bevor sie noch weiter absteigt. Vereinsamt und verarmt stirbt sie schließlich mit nur 61 Jahren an Nierenversagen. In ihrem Dokumentarfilm hat sich ihre Tochter jetzt auf Spurensuche begeben.
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Filmkritik
Jeanine Meerapfels Filme, die fiktionalen wie die dokumentarischen, handeln häufig von Identität, Integration und Migration, von Herkunft, Heimat und Heimatlosigkeit. Sie selbst, 1943 in Buenos Aires geboren, ist die Tochter von Heimatlosen. Ihr Vater, ein jüdisch-badischer Tabakhändler, nahm dank seiner Geschäftsbeziehungen auch die argentinische Staatsbürgerschaft an, was seiner Familie letztlich die Flucht vor den Nazis ermöglichte. Und ihre Mutter war im Grunde ihr Leben lang nirgendwo zu Hause. In Frankreich geboren, heiratete sie nach Deutschland, floh mit ihrem Mann über Amsterdam nach Buenos Aires und starb schließlich mit nur 61 Jahren verarmt und krank.
Schon einmal hat Jeanine Meerapfel einen Film über ihre Mutter gedreht. Ihr Erstlingswerk "Malou" (1981) setzte sich in fiktionalisierter Form mit Marie-Louise "Malou" Chatelaine auseinander. Jetzt geht sie der Mutter dokumentarisch auf den Grund und geht dabei äußerst akribisch, aber auch sehr poetisch vor. "Eine Frau" ist ein Dokumentaressay und ein filmisches Gedicht.
Meerapfel schreitet die Lebensstationen ihrer Mutter ab. Vor Ort stellt sie alte Fotos aus dem Nachlass ihrer Eltern den aktuellen Begebenheiten gegenüber. Und sie kommt mit den Menschen ins Gespräch, die diese Orte inzwischen bewohnen. Im Zusammenspiel mit ihren Gedanken, die sie ruhig und von den zarten Klarinettenklängen des Komponisten Floros Floridis getragen aus dem Off vorträgt, entsteht so ein Bilder- und Bewusstseinsstrom, der sich mit dem Erinnern und Vergessen auseinandersetzt.
Im Kern geht es um Meerapfels Mutter, diese bildhübsche, facettenreiche Frau, vor der sich die Regisseurin mit ihrem Film verbeugt. An den Rändern handelt "Eine Frau" aber auch von vielen anderen Frauen, von Jeanine Meerapfels älterer Schwester, die viel zu früh unter tragischen Umständen verstarb, von den Frauen, die der argentinischen Militärdiktatur zum Opfer fielen und denen, die bis heute nicht wissen, was mit ihren Angehörigen in dieser dunklen Phase der argentinischen Geschichte geschehen ist.
In dieser kritischen Auseinandersetzung mit den Ländern, in denen Meerapfels Eltern lebten und sie selbst lebt, ergibt sich für die Filmemacherin auch ein neues Bild. Heute sieht sie Deutschland und Argentinien mit anderen Augen als noch als kleines Kind. Obwohl sie schon lange in Deutschland lebt, bleibt Argentinien das Land, das sie "mein Land" nennt, "auch, weil meine Eltern hier überleben konnten", sagt sie aus dem Off. Und vielleicht gehe es in ihrem Film auch darum, "so lange zu erinnern, bis ich vergessen kann". "Eine Frau" trägt zumindest dazu bei, die Erinnerung an Marie-Louise Chatelaine zu bewahren.
Fazit: In ihrem jüngsten Dokumentarfilm, der mehr ein Bewusstseinsstrom als ein Dokumentarfilm ist, hat sich Jeanine Meerapfel auf Spurensuche begeben. Sie forscht dem Leben ihrer früh verstorbenen Mutter nach und verbeugt sich vor ihr. "Eine Frau" ist ein filmisches Gedicht über eine starke Frau voller Schwächen, über das Erinnern und über die Kraft des Vergessens.
Schon einmal hat Jeanine Meerapfel einen Film über ihre Mutter gedreht. Ihr Erstlingswerk "Malou" (1981) setzte sich in fiktionalisierter Form mit Marie-Louise "Malou" Chatelaine auseinander. Jetzt geht sie der Mutter dokumentarisch auf den Grund und geht dabei äußerst akribisch, aber auch sehr poetisch vor. "Eine Frau" ist ein Dokumentaressay und ein filmisches Gedicht.
Meerapfel schreitet die Lebensstationen ihrer Mutter ab. Vor Ort stellt sie alte Fotos aus dem Nachlass ihrer Eltern den aktuellen Begebenheiten gegenüber. Und sie kommt mit den Menschen ins Gespräch, die diese Orte inzwischen bewohnen. Im Zusammenspiel mit ihren Gedanken, die sie ruhig und von den zarten Klarinettenklängen des Komponisten Floros Floridis getragen aus dem Off vorträgt, entsteht so ein Bilder- und Bewusstseinsstrom, der sich mit dem Erinnern und Vergessen auseinandersetzt.
Im Kern geht es um Meerapfels Mutter, diese bildhübsche, facettenreiche Frau, vor der sich die Regisseurin mit ihrem Film verbeugt. An den Rändern handelt "Eine Frau" aber auch von vielen anderen Frauen, von Jeanine Meerapfels älterer Schwester, die viel zu früh unter tragischen Umständen verstarb, von den Frauen, die der argentinischen Militärdiktatur zum Opfer fielen und denen, die bis heute nicht wissen, was mit ihren Angehörigen in dieser dunklen Phase der argentinischen Geschichte geschehen ist.
In dieser kritischen Auseinandersetzung mit den Ländern, in denen Meerapfels Eltern lebten und sie selbst lebt, ergibt sich für die Filmemacherin auch ein neues Bild. Heute sieht sie Deutschland und Argentinien mit anderen Augen als noch als kleines Kind. Obwohl sie schon lange in Deutschland lebt, bleibt Argentinien das Land, das sie "mein Land" nennt, "auch, weil meine Eltern hier überleben konnten", sagt sie aus dem Off. Und vielleicht gehe es in ihrem Film auch darum, "so lange zu erinnern, bis ich vergessen kann". "Eine Frau" trägt zumindest dazu bei, die Erinnerung an Marie-Louise Chatelaine zu bewahren.
Fazit: In ihrem jüngsten Dokumentarfilm, der mehr ein Bewusstseinsstrom als ein Dokumentarfilm ist, hat sich Jeanine Meerapfel auf Spurensuche begeben. Sie forscht dem Leben ihrer früh verstorbenen Mutter nach und verbeugt sich vor ihr. "Eine Frau" ist ein filmisches Gedicht über eine starke Frau voller Schwächen, über das Erinnern und über die Kraft des Vergessens.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Eine Frau"
Land: DeutschlandJahr: 2022
Genre: Dokumentation
Länge: 100 Minuten
Kinostart: 01.12.2022
Regie: Jeanine Meerapfel
Kamera: Johann Feindt
Verleih: Real Fiction
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