Die goldenen Jahre (2022)

Mit "Die goldenen Jahre" legt die 1971 in Zürich geborene Regisseurin Barbara Kulcsar nach ihrem Spielfilmdebüt "Zu zweit" (2010) und diversen TV-Arbeiten (darunter auch zwei "Tatort"-Episoden) ihr zweites Werk für die große Leinwand vor. Wie schon in ihrem Erstling geht es auch hier um die Konflikte innerhalb einer Ehe – nun jedoch in einem neuen Lebensabschnitt: Während sich die Figuren in "Zu zweit" eher in einer Midlife-Crisis befanden, hat das seit Jahrzehnten verheiratete Paar Alice und Peter bereits das Rentenalter erreicht. Peters Eintritt in den Ruhestand um seinen 65. Geburtstag herum ist der Ausgangspunkt des Plots, der im weiteren Verlauf Fragen nach der Liebe und nach einem glücklichen, erfüllenden Zusammenleben aufwirft.

Das Drehbuch der auch als Regisseurin tätigen Petra Biondina Volpe ("Die göttliche Ordnung") und Kulcsars Inszenierung setzen in der Darstellung der Lebenswelt und in der Zeichnung der Figuren nicht auf Klamauk, sondern auf eine präzise Beobachtung des alltäglichen Miteinanders und auf einen stimmigen Humor, der sich aus glaubhaften Situationen ergibt. Wenn Alice ihren Gatten dazu auffordert, sich die Pflichten im Haushalt fortan 50/50 zu teilen oder wenn Peter seine Frau damit konfrontiert, sich ab jetzt vegan zu ernähren und keinen Alkohol mehr zu trinken, sind das nachvollziehbare Momente in einer Ehe, die sich gerade in einem Prozess der Wandlung befindet. Das Zusammenspiel von Esther Gemsch und Stefan Kurt funktioniert perfekt – und auch Ueli Jäggi als Heinz, der sich als jüngst Verwitweter mit auf die Kreuzfahrt des Paares begibt, fügt sich gut in das Geschehen ein.

Wenn Alice in Frankreich ihr Solo-Abenteuer beginnt und dabei auf ein freigeistiges Paar trifft, das in einem Camper unterwegs ist, und wenn sie später in einer ländlichen Frauengemeinschaft landet, driften diese Erfahrungen nie ins Lächerliche ab – ebenso wenig wie die Erlebnisse von Peter und Heinz. "Ein solches Drama in meinem Alter!", heißt es an einer Stelle bestürzt. "Die goldenen Jahre" nimmt dieses Drama indes ernst, begegnet ihm aber stets auch mit der nötigen Gelassenheit.

Fazit: Ein humorvoller und empathisch gespielter Blick auf eine Ehe im Alter mit überzeugend gestalteten Figuren und Momenten.

FBW-Bewertung zu "Die goldenen Jahre"Jurybegründung anzeigen

Coming of Age Geschichten kann man auch über 65jährige erzählen. Das Schweizer Ehepaar Alice und Peter muss im Laufe von DIE GOLDENEN JAHRE lernen, sich auf einen neuen Lebensabschnitt einzustellen. Nur dies ist hier nicht das Erwachsenwerden, [...mehr]