oder
Wir könnten genauso gut tot sein
Wir könnten genauso gut tot sein
© eksystent distribution filmverleih

Wir könnten genauso gut tot sein (2022)

We Might As Well Be Dead

Asylsuchende, Ängste, Absurditäten: deutsches Debüt, das gekonnt verschiedene Genres mischt, über ein Haus und dessen Bewohner.Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 4 / 5
User-Film-Bewertung [?]: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 2.5 / 5

Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 2 Besucher eine Bewertung abgegeben.


Anna Wilczynska (Ioana Iacob) und ihre Tochter Iris (Pola Geiger) wohnen im "Haus Phöbus", einer autarken Insel der Glückseligkeit in einem Meer voller Gefahren. Die Gemeinschaft in diesem von der Außenwelt abgeschotteten Hochhaus folgt strengen Regeln. Unerwünschte Besucher hält sie sich mit einem Zaun vom Leib. Diesen zu überprüfen, fällt in Annas Zuständigkeitsbereich, denn sie ist die Sicherheitsbeauftragte des Hauses. Zu ihrem Aufgabengebiet zählt es zudem, neue Kandidaten, die in die Hausgemeinschaft aufgenommen werden möchten, zu begutachten.

Als der Hund des Hausmeisters Gerti Posner (Jörg Schüttauf) spurlos verschwindet, wird es unruhig im Haus. Iris glaubt, den bösen Blick zu haben und dadurch für das Verschwinden verantwortlich zu sein. Der Arzt Frank Drescher (Knut Berger) und seine Frau Erika (Susanne Wuest) wiederum glauben, einen Eindringling auf dem Gelände gesehen zu haben. Die Angst wächst. Anna versucht, allen Gerüchten und Spekulationen rational zu begegnen, setzt dadurch jedoch ihren Verbleib in der Hausgemeinschaft aufs Spiel.

Bildergalerie zum Film "Wir könnten genauso gut tot sein"

Wir könnten genauso gut tot seinWir könnten genauso gut tot sein - Anna OctopusWir könnten genauso gut tot sein - Safety FenceWir könnten genauso gut tot sein - At The GateWir könnten genauso gut tot sein - Security CheckWir könnten genauso gut tot sein - Are You Well

Hier streamen


Filmkritikunterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse4 / 5

"Wir könnten genauso gut tot sein" von Natalia Sinelnikova eröffnete bei der 72. Berlinale die Sektion "Perspektive deutsches Kino" – und welche Perspektiven dieser Film eröffnet! Deutsches Genrekino ist nach wie vor eher die Ausnahme als die Regel. Deutsches Genrekino mit Köpfchen ist eine Rarität. In ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm schafft es die 1989 in St. Petersburg geborene Regisseurin, die mit sieben Jahren nach Deutschland kam, die deutsche Gesellschaft in einem dichten Kammerspiel auf die Couch zu legen.

Die Bezüge liegen auf der Hand. Das Hochhaus diente schon dem britischen Schriftsteller J. G. Ballard in seinem Roman "High-Rise" (1975), der in Deutschland zunächst den markigen Titel "Der Block" trug, als Abbild der Gesellschaft. Ballards Landsmann Ben Wheatley adaptierte den Roman 2015 mit Tom Hiddleston, Jeremy Irons und Sienna Miller in den Hauptrollen. An die Klasse dieser Verfilmung reicht Sinelnikovas Debüt, übrigens ein von ihr gemeinsam mit Viktor Gallandi verfasster Originalstoff, nicht heran. Auch von anderen Vorbildern, die an allen Ecken und Enden ihres Films durchscheinen, ist sie ein gutes Stück entfernt.

Die Art und Weise, wie die Regisseurin soziale Interaktionen inszeniert, mit schwarzem Humor, voller Absurdität und in gedeckten Farbtönen, erinnert wiederholt an Filme der "greek weird wave", allen voran an die von Yorgos Lanthimos und hier besonders an dessen Meisterwerk "The Lobster" (2015). So weit Sinelnikova von Wheatley, Lanthimos und Co. auch noch entfernt sein mag, lang ist der Weg dahin nicht mehr. Was umso beachtlicher ist, als es sich hier wie bereits erwähnt um ein Debüt handelt, das zudem über ein geringes Budget verfügte. Gemessen daran kann sich dieser Genremix, der sich nicht eindeutig einem einzigen Genre zuordnen lässt, mehr als sehen lassen.

Im Gegensatz zum Romancier Ballard und dessen Blick auf die Gesellschaft (der 1970er-Jahre) macht Sinelnikova zudem etwas entscheidend anders. Ballards Hochhaus hatte in erster Linie die soziale Hierarchie im Blick. Je weiter oben einer wohnte, desto höher war sein gesellschaftlicher Rang. Was folgte, war brutaler Klassenkampf. Hierarchie spielt auch bei Sinelnikova eine Rolle, allerdings nur eine untergeordnete. Und die Hackordnung in ihrem Haus ist nicht zwangsläufig an den sozialen Status gekoppelt. Eine Figur wie der von Jörg Schüttauf gespielte Hausmeister wird weniger aufgrund seines Berufs und mehr aufgrund seines Alters und der langen Zugehörigkeit zur Hausgemeinschaft von den übrigen Bewohnern hoch angesehen.

Um eben diese Zugehörigkeit geht es Sinelnikova im Besonderen. Es ist kein Zufall, dass sie, selbst eine Immigrantin, die sowohl in ihrem Geburtsort St. Petersburg als auch nach ihrer Ankunft in Deutschland in Hochhäusern gewohnt hat, die von Ioana Iacob gespielte Immigrantin Anna und Annas Verhältnis zu den "Alteingesessenen" in den Fokus rückt. Das Hochhaus, dessen Bewohner sich von der Außenwelt absondern und neue Bewohner nur nach einem strengen Auswahlverfahren aufnehmen, steht sinnbildlich für Deutschland (im Grunde aber auch für jede andere Einwanderernation) und dessen Einreisebestimmungen und Asylpolitik.

Darüber hinaus geht es bei Sinelnikova weniger um soziale und finanzielle Unterschiede, weniger um den Neid auf "die da oben" als Zündstoff für Konflikte, sondern mehr um unterschiedliche Herkunftsgeschichten und die Angst "der da oben" vor "denen dort draußen". Diese Angst kann sowohl lähmend als auch anstachelnd wirken. Beides führt zu Abschottung. Annas Tochter Iris (Pola Geiger) hat Angst vor sich selbst und schottet sich ab, um ihrer Umwelt nicht zu schaden. Die Hausbewohner wiederum haben Angst vor ihrer Umwelt und schotten sich vor dieser ab. Beide Ängste sind unbegründet; irrational, aber gefährlich. "Wir könnten genauso gut tot sein" führt gleichermaßen klug wie bitterböse vor, wohin solche Ängste führen können.

Fazit: In ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm glückt Natalia Sinelnikova das seltene Kunststück, nicht nur einen sehenswerten deutschen Genrefilm abzuliefern, sondern auch noch einen mit Köpfen. "Wir könnten genauso gut tot sein" ist ein spannender Mix aus Dystopie, Thriller, Familiendrama und Gesellschaftsparabel, der klug aufzeigt, wohin Ängste führen können.




TrailerAlle "Wir könnten genauso gut tot sein"-Trailer anzeigen

Zum Video: Wir könnten genauso gut tot sein

Besetzung & Crew von "Wir könnten genauso gut tot sein"

Land: Deutschland
Jahr: 2022
Genre: Drama
Originaltitel: We Might As Well Be Dead
Länge: 93 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 29.09.2022
Regie: Natalia Sinelnikova
Darsteller: Ioana Iacob als Anna Wilczynska, Pola Geiger als Iris Anna Wilczynska, Jörg Schüttauf als Gerti Posner, Siir Eloglu als Ursel, Susanne Wuest als Erika Drescher
Kamera: Jan Mayntz
Verleih: eksystent distribution filmverleih

Verknüpfungen zu "Wir könnten genauso gut tot sein"Alle anzeigen





Spielfilm.de-Mitglied werden oder einloggen.