Eine Sekunde (2020)

"Eine Sekunde", die neue Arbeit des chinesischen Filmemachers Zhang Yimou ("Rote Laterne", "Hero"), sorgte im Vorfeld bereits für reichlich Aufsehen. Im Jahr 2019 sollte das Werk im Wettbewerb der Berlinale seine Premiere feiern, wurde jedoch sehr kurzfristig aus dem Programm genommen – angeblich wegen technischer Probleme in der Postproduktion. Es ist indes davon auszugehen, dass die Zensurbehörde des Landes hierfür verantwortlich war. Ehe es zur Veröffentlichung in China kommen konnte, war ein Nachdreh vonnöten. Unklar ist dabei, wie viel Material ausgetauscht werden musste. Nachdem "Eine Sekunde" als Eröffnungsfilm beim Internationalen Filmfestival von San Sebastián 2021 sowie auf diversen weiteren Festivals lief, startet das im China der 1970er Jahre, zur Zeit der Kulturrevolution angesiedelte Drama nun auch hierzulande im Kino und wird bald auf dem Streamingdienst MUBI zu sehen sein.

Zhang Yimou hat im Laufe seiner Karriere schon sehr unterschiedliche Filme gemacht. Einem größeren Publikum sind vermutlich eher seine aufwendigeren Produktionen, etwa "House of Flying Daggers" (2004) oder "The Great Wall" (2016), bekannt. "Eine Sekunde" ist ein sowohl dramaturgisch als auch visuell eher zurückhaltendes Werk. Die biografischen Hintergründe und Motivationen der Figuren entbergen sich erst allmählich. So wird für uns erst nach und nach klar, weshalb es dem Protagonisten Zhang ein so dringendes Bedürfnis ist, einen Wochenschau-Ausschnitt zu sehen, der nur jene titelgebende Sekunde lang ist. Auch die Geschichte der jungen Waise Liu teilt sich uns nicht sofort mit. In der Interaktion zwischen Zhang und Liu entwickelt die Inszenierung nach einem äußerst rabiaten Auftakt komödiantisches Potenzial, ehe der tragische Background des Duos mehr und mehr Raum einnimmt.

In seiner Darstellung des Kinos lässt "Eine Sekunde" durchaus an "Cinema Paradiso" (1988) von Giuseppe Tornatore denken. Es ist eine Hommage an das Zelluloid und an die Magie von Kinovorführungen. Wenn sich ein ganzes Dorf an der Reinigung verschmutzter Filmstreifen beteiligt, ist das amüsant und rührend. Dennoch hat der Film nicht nur diese nostalgische Anmutung, sondern lässt uns den Schmerz seiner Figuren und deren desolate Situation spüren.

Fazit: Ein leises, subtiles Drama mit Momenten der Komik und einem liebevollen Blick auf das Handwerk und den Zauber der Filmvorführung.