Acht Berge (2022)
Le otto montagne
Umweg nach Hause: In seinem ersten italienischsprachigen Drama verfilmt der Belgier Felix van Groeningen gemeinsam mit Charlotte Vandermeersch Paolo Cognettis gleichnamigen Roman.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Jeden Sommer lassen der Ingenieur Giovanni (Filippo Timi) und seine Frau, die Lehrerin Francesca (Elena Lietti), die stickige Stadt hinter sich und fahren von Turin ins Aostatal. Hier lernt ihr zwölfjähriger Sohn Pietro (Lupo Barbiero) den gleichaltrigen Bruno (Cristiano Sassella) kennen. Bruno stammt aus einer Bergbauernfamilie, deren Hof kaum noch über die Runden kommt. Auf der Suche nach Arbeit wanderte Brunos Vater wie viele andere in die Großstädte ab. Der Zwölfjährige ist das letzte Kind im halbverlassenen Bergdorf und überglücklich, in Pietro einen Spielkameraden gefunden zu haben.
Jahre später, nachdem sich Pietro in der Zwischenzeit als Jugendlicher (jetzt: Andrea Palma) von seinen Eltern zusehends entfremdet und Bruno (jetzt: Francesco Palombelli) eine Maurerlehre begonnen hatte, stehen sich die zwei Kindheitsfreunde als Erwachsene gegenüber. Pietro (jetzt: Luca Marinelli) hat von seinem soeben verstorbenen Vater eine eingefallene Hütte in den Bergen geerbt. Bruno (jetzt: Alessandro Borghi) hat Pietros Vater vor dessen Tod das Versprechen gegeben, die Hütte wieder aufzubauen. Gemeinsam errichten die beiden das Häuschen, das ihnen fortan als Sommerrefugium dient. In den kommenden Jahren entwickeln sich ihre Leben jedoch in völlig unterschiedliche Richtungen.
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Filmkritik
Was macht ein Regisseur, der es mit seinen kleinen, ungemein emotionalen Dramen aus dem überschaubaren Belgien bis ins unübersichtliche Hollywood geschafft hat? Felix van Groeningen hat sich für eine Rückkehr nach Europa entschieden, die jedoch keinen Rückschritt, sondern einen weiteren Schritt nach vorn in der Karriere des 1977 geborenen Filmemachers bedeutet. Sein neuer Film "Acht Berge" ist gleich in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung: Erstmals hat van Groeningen nicht allein Regie geführt und in einer Sprache gedreht, derer er vor Beginn der Dreharbeiten nicht mächtig war, und all das in extremen Wetterbedingungen. Ein wechselhafter Film über eine allen Witterungen ausgesetzte Freundschaft.
Zentrales Thema von van Groeningens besten Filmen – von "Die Beschissenheit der Dinge" (2009) über "The Broken Circle" (2012) und "Café Belgica" (2016) bis "Beautiful Boy" (2018) – ist die Familie. An heilen Welten ist der Belgier nicht interessiert. Alkohol, Drogen, Krankheit, Tod und Konflikte lassen die Familien langsam auseinanderbrechen. Und trotzdem versteckt sich im Kern eines jeden Films und einer jeden Familie etwas Heilsames. Als Zuschauer verlässt man das Kino nicht nur tief bewegt, sondern auch mit einem Gefühl kathartischer Reinigung.
Auch "Acht Berge" ist ein "Familienfilm", denn die Freundschaft zwischen dem Stadtkind Pietro (Luca Marinelli) und dem Bergbauern Bruno (Alessandro Borghi) ist auch die Geschichte einer Ersatzfamilie. Für Pietros Eltern und besonders für dessen Vater wird Bruno immer mehr zu einem Sohn, je weiter sich ihr leiblicher Sohn von ihnen entfremdet. Pietros und Brunos Verhältnis wiederum könnte das zweier Brüder sein. Geschwister hat keiner von ihnen, wirkliche Freunde ebenso wenig. Am Ende haben die beiden nur einander.
Für Felix van Groeningen und seine Lebensgefährtin, die Schauspielerin Charlotte Vandermeersch, mit der er gemeinsam das Drehbuch schrieb und Regie führte, ist "Acht Berge" denn auch mehr als nur ein Film über Freundschaft. Für das Duo, das mit der Arbeit an diesem Film die Herausforderungen der Corona-Krise überstand, ist die Adaption des Romans von Paolo Cognetti, für die sie eigens Italienisch lernten, auch immer eine Liebesgeschichte. In dieser Lesart ähnelt "Acht Berge" einem gerade erst in den deutschen Kinos gestarteten Film (wenn er sich formal auch völlig von ihm unterscheidet): Martin McDonaghs "The Banshees of Inisherin". Die Beziehung der beiden Hauptfiguren erinnert wiederum an das Verhältnis der zwei Protagonisten aus dem Dokumentarfilm "Der Bauer und der Bobo", der ab Ende September 2022 in den deutschen Kinos zu sehen war.
Trotz des Alpenpanoramas haben sich van Groeningen und Vandermeersch dafür entschieden, ihren Film im schmalen, beinahe quadratischen 1:1,33-Format zu drehen. Der eng gesetzte Rahmen verleiht dem Drama noch mehr Intimität. In perfekt kadrierten Einstellungen, deren Farbgebung und Lichtsetzung sie wie (Kindheits-)Erinnerungen erscheinen lassen, erzählen van Groeningen und Vandermeersch mit epischem Atem von der Suche nach Zugehörigkeit und Heimat. Luca Marinelli und Alessandro Borghi brillieren als zwei sehr unterschiedliche Charaktere. Der eine sucht sein Glück in der weiten Welt, der andere in den Bergen seiner Heimat, die er zeitlebens nicht verlässt. Am Ende finden sie ihr Glück auf völlig unterschiedliche Weise und auf eine, die typisch van Groeningen todtraurig und heiter, bewegend und erhebend zugleich ist.
Im Vergleich zu van Groeningens früheren Filmen ist "Acht Berge" linear erzählt. Die emotionalen Achterbahnfahrten vergangener Tage hat der belgische Regisseur gegen Ruhe und noch mehr subtile Momente eingetauscht – von Daniel Norgrens Musik und seinen langsamen Indie-Folkrock- und Blues-Songs getragen. Beim Filmfestival in Cannes, wo der Film 2022 um die Goldene Palme konkurrierte, gab es dafür den Preis der Jury.
Fazit: Auch die Figuren in Felix van Groeningens neuem Film haben den Blues, allerdings aus konträren Gründen und auf völlig verschiedene Weise. "Acht Berge", die Adaption von Paolo Cognettis gleichnamigem Roman, hat der belgische Regisseur gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Charlotte Vandermeersch realisiert. Das in Cannes prämierte Drama erzählt von Freundschaft, Familie und inniger, unausgesprochener Zuneigung. Ruhig, subtil und typisch für van Groeningen als Mixtur aus heiteren und todtraurigen Momenten.
Zentrales Thema von van Groeningens besten Filmen – von "Die Beschissenheit der Dinge" (2009) über "The Broken Circle" (2012) und "Café Belgica" (2016) bis "Beautiful Boy" (2018) – ist die Familie. An heilen Welten ist der Belgier nicht interessiert. Alkohol, Drogen, Krankheit, Tod und Konflikte lassen die Familien langsam auseinanderbrechen. Und trotzdem versteckt sich im Kern eines jeden Films und einer jeden Familie etwas Heilsames. Als Zuschauer verlässt man das Kino nicht nur tief bewegt, sondern auch mit einem Gefühl kathartischer Reinigung.
Auch "Acht Berge" ist ein "Familienfilm", denn die Freundschaft zwischen dem Stadtkind Pietro (Luca Marinelli) und dem Bergbauern Bruno (Alessandro Borghi) ist auch die Geschichte einer Ersatzfamilie. Für Pietros Eltern und besonders für dessen Vater wird Bruno immer mehr zu einem Sohn, je weiter sich ihr leiblicher Sohn von ihnen entfremdet. Pietros und Brunos Verhältnis wiederum könnte das zweier Brüder sein. Geschwister hat keiner von ihnen, wirkliche Freunde ebenso wenig. Am Ende haben die beiden nur einander.
Für Felix van Groeningen und seine Lebensgefährtin, die Schauspielerin Charlotte Vandermeersch, mit der er gemeinsam das Drehbuch schrieb und Regie führte, ist "Acht Berge" denn auch mehr als nur ein Film über Freundschaft. Für das Duo, das mit der Arbeit an diesem Film die Herausforderungen der Corona-Krise überstand, ist die Adaption des Romans von Paolo Cognetti, für die sie eigens Italienisch lernten, auch immer eine Liebesgeschichte. In dieser Lesart ähnelt "Acht Berge" einem gerade erst in den deutschen Kinos gestarteten Film (wenn er sich formal auch völlig von ihm unterscheidet): Martin McDonaghs "The Banshees of Inisherin". Die Beziehung der beiden Hauptfiguren erinnert wiederum an das Verhältnis der zwei Protagonisten aus dem Dokumentarfilm "Der Bauer und der Bobo", der ab Ende September 2022 in den deutschen Kinos zu sehen war.
Trotz des Alpenpanoramas haben sich van Groeningen und Vandermeersch dafür entschieden, ihren Film im schmalen, beinahe quadratischen 1:1,33-Format zu drehen. Der eng gesetzte Rahmen verleiht dem Drama noch mehr Intimität. In perfekt kadrierten Einstellungen, deren Farbgebung und Lichtsetzung sie wie (Kindheits-)Erinnerungen erscheinen lassen, erzählen van Groeningen und Vandermeersch mit epischem Atem von der Suche nach Zugehörigkeit und Heimat. Luca Marinelli und Alessandro Borghi brillieren als zwei sehr unterschiedliche Charaktere. Der eine sucht sein Glück in der weiten Welt, der andere in den Bergen seiner Heimat, die er zeitlebens nicht verlässt. Am Ende finden sie ihr Glück auf völlig unterschiedliche Weise und auf eine, die typisch van Groeningen todtraurig und heiter, bewegend und erhebend zugleich ist.
Im Vergleich zu van Groeningens früheren Filmen ist "Acht Berge" linear erzählt. Die emotionalen Achterbahnfahrten vergangener Tage hat der belgische Regisseur gegen Ruhe und noch mehr subtile Momente eingetauscht – von Daniel Norgrens Musik und seinen langsamen Indie-Folkrock- und Blues-Songs getragen. Beim Filmfestival in Cannes, wo der Film 2022 um die Goldene Palme konkurrierte, gab es dafür den Preis der Jury.
Fazit: Auch die Figuren in Felix van Groeningens neuem Film haben den Blues, allerdings aus konträren Gründen und auf völlig verschiedene Weise. "Acht Berge", die Adaption von Paolo Cognettis gleichnamigem Roman, hat der belgische Regisseur gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Charlotte Vandermeersch realisiert. Das in Cannes prämierte Drama erzählt von Freundschaft, Familie und inniger, unausgesprochener Zuneigung. Ruhig, subtil und typisch für van Groeningen als Mixtur aus heiteren und todtraurigen Momenten.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Acht Berge"
Land: Frankreich, Italien, BelgienJahr: 2022
Genre: Drama
Originaltitel: Le otto montagne
Länge: 147 Minuten
FSK: 6
Kinostart: 12.01.2023
Regie: Felix Van Groeningen, Charlotte Vandermeersch
Darsteller: Luca Marinelli als Pietro Guasti, Alessandro Borghi als Bruno Guglielmina, Lupo Barbiero, Cristiano Sassella, Elisabetta Mazzullo als Lara
Kamera: Ruben Impens
Verleih: DCM GmbH
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