Die Kairo Verschwörung (2022)
Boy from Heaven
In diesem in Ägypten spielenden Politthriller entführt der Regisseur Tarik Saleh sein Publikum hinter die Mauern einer der ältesten islamischen Hochschulen der Welt.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 5 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Adam (Tawfeek Barhom), der Sohn eines armen Fischers, wird an der Al-Azhar-Universität in Kairo aufgenommen, um den Islam zu studieren. Voller Enthusiasmus zieht er vom Land in die große Stadt. Doch alsbald wird er mit der nüchternen Realität konfrontiert. Hinter den Mauern der angesehenen Akademie tobt ein knallharter Machtkampf um die Nachfolge des unerwartet verstorbenen Großimams, bei dem auch die Politik mitmischt und der tödlich enden kann.
Nachdem sein Informant brutal ermordet wurde, tritt Colonel Ibrahim (Fares Fares) vom ägyptischen Geheimdienst an Adam heran, um ihn als neuen Informanten zu rekrutieren. Adam soll dafür sorgen, dass der richtige Kandidat, der in der Gunst des Präsidenten und Militärs steht, zum Nachfolger des Großimams gekürt wird. Derweil macht der blinde Gelehrte Negm (Makram Khoury) dem Regierungsapparat zu schaffen. Er hat den Mord am Informanten gestanden, obwohl er ihn nicht begangen hat, um die Lügen und Intrigen an der Universität vor Gericht entlarven zu können.
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Filmkritik
"Die Kairo Verschwörung": Religiöse Ränke
Tarik Saleh, am 28. Januar 1972 in Stockholm geboren, besitzt viele Talente. Der Sohn einer schwedischen Mutter und eines ägyptischen Vaters startete als Graffitikünstler und arbeitete als Art Director, bevor er in die Filmbranche einstieg. Dort drehte er zunächst Dokumentarfilme (u. a. "Gitmo", 2005), den eigenwilligen Animationsfilm "Metropia" (2009) und Musikvideos für die Sängerin Lykke Li. Sein Regiedebüt bei einem abendfüllenden Spielfilm gab er 2015 mit dem Mysterythriller "Tommy". Nach Ausflügen ins US-Fernsehen ("Westworld", "Ray Donovan") legte er mit dem Actionthriller "The Contractor" (2022) schließlich sein Hollywooddebüt vor. Bereits zuvor drehte Saleh jedoch einen Film, an den sein jüngster nun thematisch anknüpft.
Vorbote und Nachwehen des Arabischen Frühlings
Wie es der Filmtitel vermuten lässt, spielt "Die Kairo Verschwörung" in Ägyptens Hauptstadt. Dort ist auch die Handlung von Tarik Salehs bislang größtem Erfolg angesiedelt. "Die Nile Hilton Affäre" (2017) erzählte von einem ungeklärten Mordfall an einer bekannten Sängerin, die in einem Kairoer Hotelzimmer tot aufgefunden wurde. Als ermittelnder Kommissar war Salehs Schwedischer Landsmann Fares Fares zu sehen, der in "Die Kairo Verschwörung" erneut eine tragende Rolle aufseiten der Staatsgewalt spielt. Es ist nicht die einzige Parallele.
War "Die Nile Hilton Affäre" zeitlich noch vor dem Ausbruch des Arabischen Frühlings angesiedelt, spielt "Die Kairo Verschwörung" in unserer Gegenwart. Zeigte erstgenannter Film eine ägyptische Gesellschaft, deren korrupte Strukturen so verkrustet sind, dass ein revolutionäres Aufbrechen unausweichlich scheint, zeigt letztgenannter nun, wie leicht die Korruption überlebt hat. Den ägyptischen Behörden scheinen beide Sichtweisen wohl zu kritisch zu sein. Drei Tage vor dem Beginn der Dreharbeiten zur "Nile Hilton Äffäre" wurde dem Filmteam die Drehgenehmigung entzogen und sie mussten ins marokkanische Casablanca ausweichen. Für "Die Kairo Verschwörung" hat Tarik Saleh gleich gar keine Genehmigung erhalten, weshalb der Politthriller größtenteils in der Türkei gefilmt wurde. Ausgezeichnet im doppelten Wortsinn sind beide Werke. "Die Nile Hilton Affäre" erhielt beim Sundance Film Festival den Großen Preis der Jury, "Die Kairo Verschwörung" bei den Filmfestspielen in Cannes den Preis für das beste Drehbuch. Neben der meisterhaft verwobenen Erzählung ist es vor allem Salehs Inszenierung, die beide Filme so sehenswert macht.
Ägyptens dunkle Seite: Neo noir in Nordafrika
Inspiriert von der Geschichte seines eigenen Großvaters, der an der Al-Azhar-Universität studierte, und von Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose" (1980), erzählt Saleh von einem unschuldigen und blauäugigen, aber auch aufgeweckten und talentierten jungen Mann. Mit der Verlogenheit der Welt konfrontiert, fällt dieser von Tawfeek Barhom beeindruckend verkörperte Adam nicht etwa vom Glauben ab, sondern passt seinen Glauben an die harsche Realität an. Hat er die Regeln erst einmal durchblickt, weiß er sie geschickt zu seinem eigenen Vorteil zu nutzen. Der Preis dafür ist der Verlust der eigenen Unschuld.
Saleh inszeniert diesen filmischen Entwicklungsroman als eine Art nordafrikanischen Neo noir. Die strahlend klaren, vom Kameramann Pierre Aïm perfekt kadrierten Bilder des sonnendurchfluteten Innenhofs der Universität kontrastieren mit flirrenden Aufnahmen des verführerischen Nachtlebens. Hinter den Mauern der sunnitischen Institution herrscht Ordnung und Symmetrie, draußen Gewusel und Lärm. Drinnen wird die Ruhe nur vom Ruf des Muezzins unterbrochen. Und doch ist diese Ordnung nur ein Schleier, der das verstörende Chaos, das durch das Machtvakuum entstanden ist, verdeckt. Je nach Bedarf lüftet Saleh ihn mal sanft, mal reißt er ihn schwungvoll vom Gesicht.
Fazit: Auf sein Hollywooddebüt "The Contractor" lässt der schwedische Regisseur Tarik Saleh einen weiteren Thriller folgen. Thematisch knüpft "Die Kairo Verschwörung" an "Die Nile Hilton Affäre" an. Der klug geschriebene, stilvoll inszenierte und eindrücklich gespielte Krimi erzählt von politisch-religiösen Ränken, in denen am Ende jeder seine Unschuld verliert. Beängstigend und beeindruckend!
Tarik Saleh, am 28. Januar 1972 in Stockholm geboren, besitzt viele Talente. Der Sohn einer schwedischen Mutter und eines ägyptischen Vaters startete als Graffitikünstler und arbeitete als Art Director, bevor er in die Filmbranche einstieg. Dort drehte er zunächst Dokumentarfilme (u. a. "Gitmo", 2005), den eigenwilligen Animationsfilm "Metropia" (2009) und Musikvideos für die Sängerin Lykke Li. Sein Regiedebüt bei einem abendfüllenden Spielfilm gab er 2015 mit dem Mysterythriller "Tommy". Nach Ausflügen ins US-Fernsehen ("Westworld", "Ray Donovan") legte er mit dem Actionthriller "The Contractor" (2022) schließlich sein Hollywooddebüt vor. Bereits zuvor drehte Saleh jedoch einen Film, an den sein jüngster nun thematisch anknüpft.
Vorbote und Nachwehen des Arabischen Frühlings
Wie es der Filmtitel vermuten lässt, spielt "Die Kairo Verschwörung" in Ägyptens Hauptstadt. Dort ist auch die Handlung von Tarik Salehs bislang größtem Erfolg angesiedelt. "Die Nile Hilton Affäre" (2017) erzählte von einem ungeklärten Mordfall an einer bekannten Sängerin, die in einem Kairoer Hotelzimmer tot aufgefunden wurde. Als ermittelnder Kommissar war Salehs Schwedischer Landsmann Fares Fares zu sehen, der in "Die Kairo Verschwörung" erneut eine tragende Rolle aufseiten der Staatsgewalt spielt. Es ist nicht die einzige Parallele.
War "Die Nile Hilton Affäre" zeitlich noch vor dem Ausbruch des Arabischen Frühlings angesiedelt, spielt "Die Kairo Verschwörung" in unserer Gegenwart. Zeigte erstgenannter Film eine ägyptische Gesellschaft, deren korrupte Strukturen so verkrustet sind, dass ein revolutionäres Aufbrechen unausweichlich scheint, zeigt letztgenannter nun, wie leicht die Korruption überlebt hat. Den ägyptischen Behörden scheinen beide Sichtweisen wohl zu kritisch zu sein. Drei Tage vor dem Beginn der Dreharbeiten zur "Nile Hilton Äffäre" wurde dem Filmteam die Drehgenehmigung entzogen und sie mussten ins marokkanische Casablanca ausweichen. Für "Die Kairo Verschwörung" hat Tarik Saleh gleich gar keine Genehmigung erhalten, weshalb der Politthriller größtenteils in der Türkei gefilmt wurde. Ausgezeichnet im doppelten Wortsinn sind beide Werke. "Die Nile Hilton Affäre" erhielt beim Sundance Film Festival den Großen Preis der Jury, "Die Kairo Verschwörung" bei den Filmfestspielen in Cannes den Preis für das beste Drehbuch. Neben der meisterhaft verwobenen Erzählung ist es vor allem Salehs Inszenierung, die beide Filme so sehenswert macht.
Ägyptens dunkle Seite: Neo noir in Nordafrika
Inspiriert von der Geschichte seines eigenen Großvaters, der an der Al-Azhar-Universität studierte, und von Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose" (1980), erzählt Saleh von einem unschuldigen und blauäugigen, aber auch aufgeweckten und talentierten jungen Mann. Mit der Verlogenheit der Welt konfrontiert, fällt dieser von Tawfeek Barhom beeindruckend verkörperte Adam nicht etwa vom Glauben ab, sondern passt seinen Glauben an die harsche Realität an. Hat er die Regeln erst einmal durchblickt, weiß er sie geschickt zu seinem eigenen Vorteil zu nutzen. Der Preis dafür ist der Verlust der eigenen Unschuld.
Saleh inszeniert diesen filmischen Entwicklungsroman als eine Art nordafrikanischen Neo noir. Die strahlend klaren, vom Kameramann Pierre Aïm perfekt kadrierten Bilder des sonnendurchfluteten Innenhofs der Universität kontrastieren mit flirrenden Aufnahmen des verführerischen Nachtlebens. Hinter den Mauern der sunnitischen Institution herrscht Ordnung und Symmetrie, draußen Gewusel und Lärm. Drinnen wird die Ruhe nur vom Ruf des Muezzins unterbrochen. Und doch ist diese Ordnung nur ein Schleier, der das verstörende Chaos, das durch das Machtvakuum entstanden ist, verdeckt. Je nach Bedarf lüftet Saleh ihn mal sanft, mal reißt er ihn schwungvoll vom Gesicht.
Fazit: Auf sein Hollywooddebüt "The Contractor" lässt der schwedische Regisseur Tarik Saleh einen weiteren Thriller folgen. Thematisch knüpft "Die Kairo Verschwörung" an "Die Nile Hilton Affäre" an. Der klug geschriebene, stilvoll inszenierte und eindrücklich gespielte Krimi erzählt von politisch-religiösen Ränken, in denen am Ende jeder seine Unschuld verliert. Beängstigend und beeindruckend!
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Die Kairo Verschwörung"
Land: Finnland, Schweden, FrankreichJahr: 2022
Genre: Thriller, Drama
Originaltitel: Boy from Heaven
Länge: 117 Minuten
Kinostart: 06.04.2023
Regie: Tarik Saleh
Darsteller: Tawfeek Barhom, Fares Fares, Mehdi Dehbi, Mohammed Bakri, Makram Khoury
Kamera: Pierre Aim
Verleih: X Verleih